Die Regierung Österreichs

Nie zuvor wechselten die Mitglieder einer Regierung so häufig wie unter der jetzigen ÖVP-Grünen-Regierung. Doch was ist eine Regierung eigentlich, was darf sie und was soll sie?

von
THEMEN:
Karl Nehammer und Werner Kogler: Als Kanzler und Vizekanzler stehen sie der Regierung Österreichs vor © Bild: IMAGO images/SEPA.Media

Inhaltsverzeichnis

Wie setzt sich die Regierung in Österreich zusammen?

Als Bundesregierung werden Bundeskanzler:in, Vizekanzler:in und sämtliche Bundesminister:innen bezeichnet. Die Bundesregierung setzt sich aus einer oder mehreren Parteien zusammen. Bei zwei oder mehr Parteien spricht man von einer Koalition bzw. Koalitionsregierung. Die Regierung besitzt im Regelfall die Mehrheit im Nationalrat, dies muss jedoch nicht zwingend der Fall sein. In einem solchen Fall spricht man von einer Minderheitsregierung.

Nach Nationalratswahlen wird die stimmenstärkste Partei vom Bundespräsidenten beauftragt, eine Regierung zu bilden. In den allermeisten Fällen stellt die stimmenstärkste Partei die oder den Kanzler:in. Diese:r schlägt dem Bundespräsidenten wiederum Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretär:innen vor. Ein:e Bundespräsident:in kann selbst keine Minister:innen bestimmen, hat jedoch das Recht, Vorschläge abzulehnen. Die Minister:innen werden entsprechend der jeweiligen Ministerien bestimmt, welche im Bundesministeriengesetz festgelegt sind. Die Aufteilung der Ministerien sowie deren Anzahl unterscheidet sich von Regierung zu Regierung.

Welche Kompetenzen hat die österreichische Regierung?

Das Wort „Regierung“ bzw. „regieren“ kommt aus dem Altfranzösischen bzw. Lateinischen und bedeutet so viel wie „richten“, „lenken“ oder auch „führen“. In diesem Sinne ist eine Regierung für die „Führung“ eines Staates zuständig. Sie erhebt Steuern, achtet auf die Einhaltung von Gesetzen, sorgt für eine entsprechende Infrastruktur (z.B. das Telekommunikationsnetz oder Buslinien) und vieles mehr.

Im Ministerrat erarbeiten Mitglieder der Bundesregierung Gesetzesvorschläge, sog. Regierungsentwürfe. Diese werden anschließend dem Nationalrat vorgelegt, welcher darüber abstimmt. Außerdem ordnet die Bundesregierung die Wahl des Bundespräsidenten und des Nationalrats an.

Literaturtipp:

Das Buch erhalten Sie hier (*)

Die mit Sternchen (*) gekennzeichneten Links sind sogenannte Affiliate-Links. Wenn Sie auf so einen Affiliate-Link klicken und über diesen Link einkaufen, bekommen wir von dem betreffenden Online-Shop oder Anbieter eine Provision. Für Sie verändert sich der Preis nicht.

Wer kontrolliert die Regierung in Österreich?

Der Nationalrat hat die Aufgabe, die Arbeit der Bundesregierung zu kontrollieren. Im Nationalrat sitzen die Mitglieder der Oppositionsparteien und die der Regierungsparteien. Mitglieder beider Parteien haben prinzipiell die Möglichkeit, gegen die Regierung zu stimmen. In der überwiegenden Zahl der Fälle stimmt maximal die Opposition gegen einen Regierungsentwurf. Unter der sogenannten Koalitionsdisziplin versteht man, dass Mitglieder einer Regierungspartei immer mit dem Regierungspartner stimmen – auch wenn ein solches Abstimmungsverhalten vielleicht den eigenen ideologischen Überzeugungen widerspricht. Wird die Koalitionsdisziplin missachtet, bedeutet das oftmals auch das Ende einer Regierungszusammenarbeit.

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Kontrollfunktion der Oppositionsparteien sehr eingeschränkt ist. Da die Regierung für gewöhnlich die Mehrheit im Nationalrat besitzt, ist es für die Opposition sehr schwierig ein Gesetzesvorhaben zu verhindern.

Welche Regierung hat Österreich aktuell?

Nach der Nationalratswahl vom 27. September 2019 regiert erstmals eine Koalition aus ÖVP und Grünen in Österreich. Die ÖVP erreichte bei den Wahlen 37,5 Prozent der Stimmen, die Grünen 13,9 Prozent. Nach 100 Tagen Koalitionsverhandlungen wurden der Bundeskanzler (damals Sebastian Kurz) und die (damals noch) 14 Minister:innen am 7. Jänner 2020 von Bundespräsident Alexander van der Bellen angelobt.

Wer sind die Minister:innen?

Seit der Angelobung Anfang Jänner 2020 hat sich in der ÖVP-Grünen-Koalition vieles verändert. Staatssekretär:innen miteingerechnet fand Anfang Mai 2022 bereits der 13. personelle Wechsel statt. Nach Sebastian Kurz und Alexander Schallenberg ist mit Karl Nehammer derzeit der dritte Bundeskanzler dieser Bundesregierung im Amt.

Amt Name Partei
Bundeskanzler Karl Nehammer ÖVP
Vizekanzler und Minister für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport Werner Kogler Grüne
Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Alexander Schallenberg ÖVP
Bundesministerin für Justiz Alma Zadic Grüne
Bundesminister für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Martin Kocher parteilos, von der ÖVP nominiert
Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Martin Polaschek parteilos, von der ÖVP nominiert
Bundesminister für Finanzen Magnus Brunner ÖVP
Bundesminister für Inneres Gerhard Karner ÖVP
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler Grüne
Bundesministerin für Landesverteidigung Klaudia Tanner ÖVP
Bundesminister für Landwirtschaft und Regionen Norbert Totschnig ÖVP
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch Grüne
Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien Susanne Raab ÖVP
Bundesministerin für EU und Verfassung Karoline Edtstadler ÖVP

Staatssekretär:innen

Staatssekretär:innen werden zwar ebenso vom Bundespräsidenten ernannt, zählen aber nicht als Teil der Bundesregierung und haben keine Stimme im Ministerrat. Staatssekretär:innen sind der oder dem Bundeskanzler:in unterstellt und an deren Weisungen gebunden.

Aktuell gibt es in Österreich vier Staatssekretär:innen

Funktion Name Partei
Staatssekretärin für Tourismus Susanne Kraus-Winkler ÖVP
Staatssekretär für Digitalisierung und Breitband Florian Tursky ÖVP
Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm ÖVP
Staatssekretärin für Kultur Andrea Mayer Grüne

Was steht im türkis-grünen Regierungsprogramm?

Unmittelbar nach Ende der Koalitionsverhandlungen im Jänner 2020 verkündeten ÖVP und Grüne, mit ihrer Politik „das Beste aus zwei Welten“ vereinen zu wollen. Damit war gemeint, man wolle sowohl die Migration nach Österreich eindämmen sowie Umwelt und Klima besser schützen. Das Regierungsprogramm der beiden Parteien trägt den Titel „Aus Verantwortung für Österreich“ und ist 232 Seiten lang. Darin festgehalten sind die Eckpunkte und zentralen Anliegen der Regierung, etwa im Bereich Wirtschaft und Finanzen, Klimaschutz, Migration oder Armutsbekämpfung.

Wenig überraschend tragen vor allem die Themen Umwelt und Klima die Handschrift der Grünen. Prominent vertreten ist das Ziel, Österreich bis 2040 „klimaneutral“ zu machen. Das bedeutet, spätestens 2040 soll in Österreich nicht mehr CO2 ausgestoßen werden, als anderswo gebunden wird. Bereits 2030 soll der Strom hierzulande zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen (Strom, Wasser, Sonne) kommen.

Die ÖVP pochte vor allem auf eine harte Asyl- und Migrationspolitik. So sollen straffällig gewordene Flüchtlinge konsequenter abgeschoben und nationale Grenzkontrollen fortgeführt werden. Das Kopftuchverbot an Schulen solle bis zum 14. Lebensjahr ausgeweitet werden.

Außerdem machen sich beide Koalitionspartner für eine transparentere Politik, eine Reform des Bundesheeres und eine Überarbeitung des Steuer- und des Pensionssystems stark. Viele der im Koalitionsprogramm angekündigten vorhaben wurden jedoch von der Corona-Pandemie verhindert bzw. bis auf weiteres verschoben.

Ende einer Regierung?

In Österreich wird alle fünf Jahre ein neuer Nationalrat gewählt. Beschließt die Mehrheit des Nationalrates eine vorzeitige Auflösung, kann es zu vorgezogenen Neuwahlen kommen. Einer Regierung kann durch ein sogenanntes Misstrauensvotum das Vertrauen entzogen werden. Stimmt in einem solchen mehr als die Hälfte der Abgeordneten gegen die Regierung, ist diese von der oder dem Bundespräsident:in des Amtes zu entheben. Meist – aber nicht zwingend – kommt es dann zu Neuwahlen.
Eine Regierung kann auch von sich aus zurücktreten, beispielsweise wenn sie der Meinung ist, dass sie das Vertrauen der Abgeordneten oder der Wähler:innen nicht mehr genießt. In einem solchen Fall muss sie den Bundespräsidenten um eine Auflösung des Nationalrates bitten.