Alma Zadic: Justizministerin und starke Kämpferin für soziale Gerechtigkeit

"Meine Eltern wollten, dass wir glücklich sind und die gleichen Chancen bekommen, wie alle anderen"

Für ihre Ziele zu kämpfen ist Alma Zadic gewohnt. Als 10-Jährige flüchtete sie mit ihrer Familie nach Österreich. Kein leichter Start. Doch über ihre persönliche Migrationsgeschichte will sie sich nicht definieren. Sie wurde Anwältin, um für Gerechtigkeit zu kämpfen. Seit Jänner 2020 bekleidet sie für die Grünen das Amt der Justizministerin.

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Porträt - Alma Zadic: Justizministerin und starke Kämpferin für soziale Gerechtigkeit
  • Name: Alma Zadic
  • Geboren am: 24.05.1984 in Tuzla (Bosnien und Herzegowina)
  • Position: Justizministerin seit 2020, davor Abgeordnete zum Nationalrat
  • Partei: Die Grünen
  • Familienstand: verheiratet
  • Kinder:ein Sohn (*2021)
© © Armin Muratovic Fotografie Alma Zadic ist im 10.Wiener Gemeindebezirk aufgewachsen

Alma Zadic: Eine bewegende Kindheit

Der Bosnien-Krieg begann als Alma Zadic sieben Jahre alt war. Damit endete die Leichtigkeit im Leben, wie man sie als Kind erleben sollte. Als Zehnjähriges Mädchen flüchtete Alma Zadic während des Krieges in Bosnien und Herzegowina nach Wien. Damals wie heute ist ihre Familie ihr größter Rückhalt. "Meine Eltern sind großartig. Sie haben alles dafür getan, dass ich und mein Bruder trotz der Umstände Kinder sein konnten", erzählte sie 2019 im Gespräch mit News.at.

Die größte Herausforderung ihres Lebens

Und das sei nicht selbstverständlich. Denn auch sie spürte damals, dass es ernst wurde und sie ihren Beitrag leisten musste. Dabei sei nicht das Lernen der neuen Sprache oder das Leben in Wien Favoriten ihre größte Herausforderung gewesen. Im Gegenteil: Mit ihrem Heimatbezirk verbinde sie viele schöne Momente und langjährige Freundschaften - die bis heute halten. Ihr Lieblingsort in Österreich ist immer noch das Erholungsgebiet Wienerberg. Schwieriger sei es gewesen zu akzeptieren, dass es in Ordnung ist, zwei Identitäten zu haben.

»Kinder mit Migrationsgeschichte wachsen oft in dem Glauben auf, nicht dazu zu gehören.«

"Kinder mit Migrationsgeschichte wachsen oft in dem Glauben auf, nicht dazu zu gehören. Das führt dazu, dass sie entweder versuchen sich der einen Identität loszusagen oder die andere sehr stark betonen. Diesen inneren Kampf sollten die Kinder nicht führen, denn es ist völlig Okay beides zu sein", beschreibt sie die Schwierigkeit.

Alma Zadic, die Vorzugsschülerin

Während die Suche nach der Identität Alma Zadic intensiv beschäftigte, war die Schule für sie keine Herausforderung. Zadic besuchte die Volksschule Ortnergasse und das Realgymnasium Ettenreichgasse und war stets eine Vorzugsschülerin. Druck von Zuhause gab es keinen, wie sie verrät. " Ich hatte das große Glück, dass mir die Schule wirklich leicht gefallen ist und ich ein sehr wissbegieriger Mensch bin", gibt sich Zadic bescheiden.

»Wenn du dich nicht doppelt so anstrengst, wirst du es hier nicht schaffen«

Trotzdem weiß sie, dass sie Glück mit ihrer Begabung hatte. Denn bei bei vielen Familien mit Migrationsgeschichte, stehe die große Sorge im Vordergrund, Bürger zweiter Klasse zu sein. Mit dem Satz: „Wenn du dich nicht doppelt so anstrengst, wirst du es hier nicht schaffen“ seien viele Kinder wie sie aufgewachsen. Ihr bliebt der Druck von zuhause erspart.

Alma Zadic, Rechtsanwältin

Diese Tatsache und andere Erlebnisse in ihrer Jugend verstärkten ihr starkes Bedürfnis nach Gerechtigkeit. Der Berufswunsch Rechtsanwältin zu werden, überrascht in diesem Kontext wenig. "Ich bin Anwältin geworden, weil ich genau wissen wollte, welche Rechte und Pflichten jeder einzelne hat und wie man diese Rechte durchsetzt", sagt sie gegenüber News.at.

Die größte Erkenntnis ihres Lebens

Während des Studiums, das sie mit einem Doktortitel abschloss, zog es sie mehrfach ins Ausland. Sie studierte in Mailand und New York. Die wichtigste Erfahrung, die sie dort gemacht habe, war die Erkenntnis, dass man sich nicht für eine Identität entscheiden muss: "Gerade das vielfältige New York hat mir gezeigt, dass man durchaus Österreicherin, Bosnierin und Europäerin gleichzeitig sein kann."

Am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn als Rechtsanwältin lag ihr Fokus auf Völkerrecht und Menschenrecht. Zunächst habe sie dazu bei einigen internationalen Organisationen gearbeitet bis sie dann in eine größere Wirtschaftskanzlei im Bereich der internationalen Konfliktlösung wechselte.

Der Weg in die Politik

Nach sechs Jahren in der Anwaltskanzlei folgte 2017 der Schritt in die Politik. Aber warum eigentlich? "Schon im Jahr 2015 habe ich gespürt, dass die Gesellschaft sich verändert. Hetze und Spaltung der Gesellschaft waren die Themen, mit denen Rechtspopulisten in den Wahlkampf gezogen sind. Als ich dann gefragt wurde, ob ich mich politisch engagieren will, war die Antwort für mich klar", erzählt Zadic, die seit 2020 Justizministerin ist.

Alma Zadic: Ihre politische Vision

Mit ihrer ganzen Leidenschaft und ihrem Kampfgeist habe sie sich, von diesem Zeitpunkt an, der Politik verschrieben. "Ich wollte aufzeigen, dass uns Vielfalt und Zusammenhalt stark macht", sagt Zadic. Wie ihr politisches Vorbild, die Amerikanerin Alexandria Ocasio Cortez, kämpfe sie - gemeinsam mit den Grünen - für soziale Gerechtigkeit und gegen Ausgrenzung.

Bei der Nationalratswahl 2019 schafften die Grünen das historisch beste Ergebnis. Mit 14 Prozent und einem Plus von über zehn Prozent schafften sie den Wiedereinzug. Zadic selbst wurde von Parteichef Werner Kogler zunächst dazu auserkoren im Sondierungsteam für die ÖVP-Grünen-Koalition mitzuwirken und dann zur ersten grünen Justizministerin ernannt.

Alma Zadic: Ihre Tätigkeiten als Justizministerin

Seit 2020 ist Alma Zadic als Justizministerin tätig. Gerne wird die türkis-grüne Regierung von außen kritisiert. Doch was hat die grüne Justizministerin seit ihrem Amtsantritt tatsächlich bewirkt und verändert? Unter anderem folgendes:

Reform des Maßnahmenvollzugs: Der Vollzug für psychisch kranke Rechtsbrecher wurde im Dezember 2022 reformiert. Kern der Reform ist die Erhöhung der Strafschwellen.

Transparenz: Kurz vor Jahresende 2023 hat sich die türkis-grüne Regierung mit der SPÖ auf das Ende des Amtsgeheimnisses bzw. Informationsfreiheitsgesetz geeinigt. Bürger:innen haben nun ein Grundrecht auf Information.

Kinderschutzpaket: Zadic hat gemeinsam mit Frauenministerin Susanne Raab ein Kinderschutzpaket erstellt, das höhere Strafen für den Besitz und die Verbreitung von Missbrauchs-Darstellungen Minderjähriger vorsieht.

Mehr Budget für die Justiz: Alma Zadic hat für die Justiz mehr Budget erkämpft (dem sonst, so ihr Vorgänger Clemens Jabloner "ein stiller Tod" gedroht hätte) und kann das Ministerium mit 2024 um 135 Planstellen aufstocken (ein Großteil davon soll der Gerichtsbarkeit zukommen, indem Richter:innen, Verfahrensmanager:innen und juristische Mitarbeiter:innen zur Seite gestellt werden) Ebenso stehen nun auch 70 Millionen Euro für eine Neugestaltung des Verteidigerkostenersatzes für Freisprüche und Einstellungen in Strafverfahren zur Verfügung.

Rehabilitation von Personen, die wegen homosexueller Handlungen verfolgt wurden: Personen, die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen strafrechtlich verfolgt bzw. verurteilt wurden, werden künftig rehabilitiert und finanziell entschädigt. Für jedes aufgehobene Urteil erfolgt eine Zahlung von 3.000 Euro, für jedes angefangen Jahr in Haft 1.500 Euro.

Gesetz in rein weiblicher Form: Das Flexible-Kapitalgesellschaft-Gesetz, das eine neue Rechtsform darstellt, die hauptsächlich für Start-Ups konzipiert ist, wurde erstmals als Gesetzesantrag eingebracht, der in rein weiblicher Form geschrieben ist. Als "historische Wende", beschreibt dies etwa focus.de.

NAKS – Nationale Anti-Korruptionsstrategie: Im Rahmen dieser Strategie einigte man sich darauf, dass das Innenministerium bei der Prävention nachschärft, das Justizministerium bei der Strafverfolgung, etwa, dass Verfahren schneller geführt werden und mehr Ressourcen für die Korruptionsverfolgung zur Verfügung gestellt werden.

Überarbeitung des Verbotsgesetzes: Die Bestimmungen im Verbotsgesetz zu Verharmlosung des Holocaust wurden verschärft, womit nun etwa auch Österreicher:innen, die vom Ausland aus NS-Propaganda im Internet verbreiten, zur Verantwortung gezogen werden.
Entwürfe für ein Verbot von Konversationstherapien soll es laut Zadic geben und eine Gesetzesvorlage zum Schutz intergeschlechtlicher Kinder sei noch in Diskussion mit der ÖVP.

Innere Gewaltenteilung im Ministerium: Die Justizministerin führte die innere Gewaltenteilung im eigenen Ministerium (wieder) ein und trennte die Sektion für Straflegistik und jene für Einzelstrafsachen, die für die Staatsanwaltschaften zuständig ist. Sonst „hat man einen Sektionschef, der sowohl mit Politikern als auch mit Stakeholdern redet, was notwendig ist, um Gesetze zu erarbeiten, aber gleichzeitig auch dafür zuständig ist, mitzuentscheiden, ob es eine Anklage gegen Personen aus der Politik gibt oder nicht. Damit entsteht der Anschein der Befangenheit, der der Justiz nicht guttut“, so Zadic zu dieser Maßnahme.

Generalstaatsanwaltschaft und Justizreform: Ein großes Anliegen war Alma Zadic eine Justizreform samt Einführung einer Generalstaatsanwaltschaft. „Österreich ist eines der letzten Länder, in denen an der Weisungsspitze der Justiz eine Ministerin oder ein Minister steht. Wenn man sieht, wie sich auch europaweit die Staatsanwaltschaften entwickeln, ist es rechtsstaatlich geboten, noch stärker in Richtung Unabhängigkeit zu gehen“, so Zadic zu News im Jahr 2022. Aus ihrer Sicht müsste ein Gremium aus drei Personen an der Spitze dieser Bundesstaatsanwaltschaft stehen und das Parlament entsprechende Kontrolle haben. Allerdings wird von Expert:innen nicht damit gerechnet, dass Zadic mit dem Koalitionspartner bis zum Ende der Legislaturperiode hier noch auf einen Nenner kommen wird.
Die Thematik wurde im Dezember 2023 wieder hochaktuell – und sorgte für Unmut in der Koalition, wegen einer Weisung Zadics im Dezember 2023 zur Haftfrage im Ermittlungsverfahren gegen die deutsche Klimaaktivistin Anja Windel. (Das unabhängige Landesgericht Wien lehnte die U-Haft ab, das Justizministerium wies die Staatsanwaltschaft Wien an, keine Beschwerde zu erheben.)

Gewaltambulanzen: Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, finden künftig in Krankenhäusern geschultes Personal vor, das Beweise sichern wird, unabhängig davon, ob bereits ein Verfahren läuft. Im Süden und Osten des Landes wird damit bereits gestartet, Innsbruck und Salzburg sollen bald folgen.

Warum Zadic 2019 die Liste Pilz/JETZT verließ

Ihre politische Karriere allerdings begann sie bei der Liste Pilz/JETZT. Doch sie kehrte der absteigenden Partei im Jahr 2019 den Rücken . "Vieles hat sich verändert. Es ging oftmals um Einzelpersonen und weniger um eine gemeinsame Vision. Ich selbst, wie viele andere auch, haben uns in diesem neuen Team nicht mehr gesehen", erklärte sie damals den Wechsel.

Politik sei aber ein Teamsport und die gemeinsame Vision etwas zu verändern, sei für jede politische Bewegung notwendig. Inzwischen ist Zadic fest bei den Grünen verankert und als Justizministerin im Einsatz. Und wenn dann noch Kraft übrig bleibt, dann nützt die ausgebildete Fitness- und Aerobictrainerin diese für ihre liebste Freizeitbeschäftigung: Beachvolleyball spielen, auch im Winter - wie sie betont.

Alma Zadic privat

Am 21. August 2020 verkündete Alma Zadic ihre erste Schwangerschaft. "Unsere zweiköpfige Familie wird ab Jänner um ein Wunder größer sein. Unsere Freude ist unbeschreiblich", schrieb Zadic damals. Die 36-Jährige ist schon die zweite Justizministerin, die im Amt ihr erstes Kind bekam.

»Wir könnten nicht glücklicher sein, dass wir ab sofort zu dritt sind«

Am 06. Jänner 2021 um 23:23 war es dann soweit: Zadic brachte ihr erstes Kind, einen Sohn, zur Welt. „Überglücklich und dankbar dürfen mein Mann und ich mitteilen, dass unser Sohn das Licht der Welt erblickt hat“, schrieb sie damals auf Facebook. „Wir könnten nicht glücklicher sein, dass wir ab sofort zu dritt sind.“ Zadic ging acht Wochen in Karenz, währenddessen wurde sie von Werner Kogler vertreten.