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Kickl sagt Danke

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Johannes Huber

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Was um Lena Schilling, die grüne Spitzenkandidatin bei der Europawahl, läuft, nützt letzten Endes vor allem den Freiheitlichen.

Die ÖVP ist ein Phänomen: Seit 1987 gehört sie mehr oder weniger ununterbrochen der Bundesregierung an. Und seit dem EU-Beitritt 1995 bestimmt sie, welche Österreicherin, welcher Österreicher in der Europäischen Kommission sitzt. Zunächst fiel ihre Wahl auf Franz Fischler, dann auf Benita Ferrero-Waldner und schließlich auf Johannes Hahn. Ihre Koalitionspartner haben ihr das zugestanden. Auch die Grünen haben das schon getan: Ihr Chef Werner Kogler sicherte dem damaligen ÖVP-Obmann Sebastian Kurz vor Beginn der Regierungszusammenarbeit vor viereinhalb Jahren zu, dass sie das tun darf, wenn nach der EU-Wahl 2024 eine neue Kommission gebildet wird.

Für den Posten gehandelt wurden bisher denn auch Türkise. Allen voran: Finanzminister Magnus Brunner und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. Mehr und mehr spricht jedoch dafür, dass sich Kurz-Nachfolger, Kanzler Karl Nehammer nicht für sie, sondern für eine Person entscheiden muss, die überparteilich ist.

Brunner oder Edtstadler nach der EU-Wahl und vor der Nationalratswahl im September ein Ticket nach Brüssel auszustellen, wäre hochriskant für den ÖVP-Chef. Erstens: Sie zählen zu den stärkeren Vertretern seiner Partei in der Bundesregierung, ja gelten als ihre Hoffnungsträger.

Auf Brunner oder Edtstadler zu verzichten, würde bedeuten, zu signalisieren, dass Nehammer mit einem Absturz und einem so großen Machtverlust rechnet, dass er für sie keine Zukunft sieht in der österreichischen Politik. Was letzten Endes auch ihm selbst auf den Kopf fallen könnte: Wenn er derartige Zweifel nährte, müsste er befürchten, als Kanzlerkandidat bei der Nationalratswahl nicht mehr ernst genommen zu werden.

Zweitens: Ein bisschen schwingt das schon dabei mit, dass sich Wirtschaftsminister Martin Kocher als Gouverneur in die Nationalbank verabschieden soll, obwohl er von der Papierform her in der Regierung unverzichtbar ist für die Türkisen. Bei ihm kommt im Übrigen dazu, dass die FPÖ von Herbert Kickl den Wechsel dankend ausschlachtet: Die Volkspartei wolle ihre Leute in Sicherheit bringen, behauptet sie. Bei einer Nominierung von Brunner oder Edtstadler für die Kommission würde sie das ungleich stärker tun.

Drittens: Wenn die FPÖ bei der Europawahl an diesem Sonntag auf Platz eins kommt, wird es für Nehammer erst recht schwierig, zu erklären, warum der EU-Kommissar eine Erbpacht seiner Partei bleiben soll. Er könnte das am ehesten dadurch entschärfen, dass er kein ÖVP-Mitglied, sondern in Abstimmung mit den Grünen eine Persönlichkeit nach Brüssel schickt, die über Parteigrenzen hinweg anerkannt ist – und die auch von Kickl nicht so einfach abgelehnt werden kann.

Warum die ÖVP auf Distanz zur EU geht

Die ÖVP bezeichnet sich als Europapartei, gibt sich jedoch zunehmend EU-kritisch. Jüngstes Beispiel: Die Absage an Renaturierungspläne, die in Brüssel geschmiedet werden. Laut Parteichef und Bundeskanzler Karl Nehammer kommt hier ein "Überregulierungswahn" zum Ausdruck. Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat sich im Hinblick auf die kommende EU-Wahl schon vor einem Jahr ähnlich geäußert und eine EU mit "Hausverstand" gefordert. Nehammer hat das dann in seinem "Österreich Plan" aufgegriffen: Die EU solle sich bei überbordenden Regeln zurückhalten, die den Alltag der Menschen tangieren, und sich mehr auf große Fragen konzentrieren, so die Botschaft.

Das alles kommt nicht irgendwoher: Mehr denn je stehen weite Teile der Bevölkerung der EU ablehnend bis distanziert gegenüber. Vor allem im türkisen Kernland Niederösterreich. Das haben Umfragen ergeben, die die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik in den vergangenen Wochen in allen Bundesländern durchführen ließ.

Im Westen wird die EU noch am ehesten positiv wahrgenommen. Außerdem ist hier nach wie vor eine Mehrheit der Überzeugung, dass mehr gemeinsame Entscheidungen auf europäischer Ebene notwendig wären. In Niederösterreich ist der Gegensatz dazu am größten: Hier überwiegt der Anteil der Menschen, die die Union negativ oder gar nicht wahrnehmen und die dafür wären, wieder verstärkt Entscheidungen auf nationaler Ebene zu treffen. Das würde auf eine Schwächung der EU hinauslaufen.

Die ÖVP sieht sie sich gezwungen, dem Rechnung zu tragen. Wobei: Frei nach Othmar Karas, ihrem prominentesten noch aktiven Europapolitiker, hat sie selbst zu dieser Stimmungslage beigetragen, indem sie schon länger "mit dem Finger auf Brüssel zeigt", statt sich "beherzt und konstruktiv einzubringen".

Bei Arbeitern ist die Stimmung im Keller

Die FPÖ kann davon ausgehen, bei der Nationalratswahl Ende September bei Arbeiterinnen und Arbeitern zu mehr als 50 Prozent, also zu einer absoluten Mehrheit zu kommen. Vor vier Jahren stürzte sie zwar insgesamt auf 16,2 Prozent ab, verfehlte eine solche Mehrheit in dieser Gruppe mit 48 Prozent aber nur knapp. Das berichtete das Sozialforschungsinstitut Foresight damals nach einer Wahltagbefragung.

Heute liegt die FPÖ mit insgesamt rund 30 Prozent viel besser, und das dürfte vor allem auch damit zu tun haben, dass die Stimmung bei Arbeiterinnen und Arbeitern im Keller ist. Bei einer "Eurobarometer"-Erhebung gaben vor wenigen Monaten 62 Prozent der Befragten, die sich selbst der "Arbeiterklasse" zuordnen, an, dass sich die Dinge in Österreich in die falsche Richtung entwickeln würden. Vor fünf Jahren hatten das nicht einmal halb so viele getan (27 Prozent).

Damals war noch eine Mehrheit der Meinung, dass es alles in allem in die richtige Richtung geht.

So stark wie in dieser Schicht hat sich die Stimmung in keiner anderen eingetrübt. In der Mittelschicht etwa ist der Anteil derer, die das Gefühl haben, dass es in Österreich in die falsche Richtung geht, in den vergangenen fünf Jahren nur von 32 auf 42 Prozent gestiegen.

Die Fragestellung dazu ist allgemein, Gründe werden nicht erhoben. Seit 2019 ist jedoch viel passiert, was Einfluss haben könnte. So hat die Teuerungskrise vor allem Menschen mit weniger Geld zugesetzt und finanzielle Schwierigkeiten und Ängste verstärkt. Regierende konnten diese nie ganz aus der Welt schaffen. Befragungen zu allen Landtagswahlen im vergangenen Jahr haben gezeigt, dass die Inflation als größtes Problem wahrgenommen wird. Davon hat in der Regel eine Protestpartei profitiert: die FPÖ.

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