Österreichs Bundeskanzler: Aufgaben, Pflichten und Gehalt [Überblick]

Der oder die Bundeskanzler:in gilt als die politisch mächtigste Person im Staat. In den vergangenen Jahren war das Amt allerdings eher ein Schleudersitz.

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Bundeskanzleramt © Bild: Elke Mayr

Inhaltsverzeichnis

Der österreichische Bundeskanzler

Amtierender Österreichischer Bundeskanzler ist der ÖVP-Politiker Karl Nehammer. Er folgte nach einer größeren Regierungsumbildung am 6. Dezember 2021 auf seinen Vorgänger und jetzigen Außenminister Alexander Schallenberg.

Nehammer wurde am 18. Oktober 1972 in Wien geboren. Nach seiner Matura 1992 leistete Nehammer seinen Präsenzdienst ab und wurde zum Infanterie- und Informationsoffizier ausgebildet. Er verpflichtete sich als Berufssoldat und schied 1996 im Rang eines Leutnants aus dem Bundesheer aus. Anschließend machte Nehammer eine Ausbildung zum Trainer für Strategie und Kommunikation. Als solcher arbeite er in den folgenden Jahren für verschiedene Institutionen und ÖVP-Teilorganisationen. 2014 schloss er zudem den Masterstudiengang "Politische Kommunikation" an der Donau-Universität Krems ab. Thema seiner Abschlussarbeit war die "Strategie und Politische Kommunikation der Volkspartei Niederösterreich im Landtagswahlkampf 2013".

2017 zog er erstmals als Abgeordneter für die ÖVP in den Nationalrat ein. Mit Beginn der Regierungskoalition mit den Grünen Anfang 2020 wurde er Bundesinnenminister. Dieses Amt führte er bis zu seiner Berufung zum Bundeskanzler am 6. Dezember 2021 aus. Seit 14. Mai 2022 ist Nehammer außerdem offiziell Bundesparteiobmann der ÖVP.

Aufgaben und Pflichten eines Kanzlers

Der oder die Bundeskanzler:in gilt als die politisch mächtigste Person im Staat. Der österreichische Bundeskanzler ist Vorsitzender der Bundesregierung und Leiter des Bundeskanzleramtes. Dabei übernimmt der Kanzler Koordinationsaufgaben, hat jedoch – im Unterschied zu deutschen Bundeskanzler:innen – keine Richtlinienkompetenz. Das heißt, er kann die Grundlinien der Regierungspolitik nicht alleine, sondern nur in Übereinstimmung mit den anderen Ministern und Ministerinnen bestimmen. Der Bundeskanzler ist verantwortlich für die Arbeit der Bundesregierung, fungiert als Leiter der gesamten Bundesverwaltung und hat den Vorsitz im Ministerrat inne. Außerdem kann er den Bundespräsidenten vertreten.

In den vergangenen sechs Jahren hatte Österreich insgesamt sechs Kanzler und mit der parteiunabhängigen Brigitte Bierlein von 3. Juni 2019 bis zum 7. Jänner 2020 wenige Monate erstmals auch eine Kanzlerin.

Das Bundeskanzleramt

Der Sitz des Bundeskanzlers befindet sich am Ballhausplatz 2, im 1. Wiener Bezirk. Bis 1918 diente das heutige Bundeskanzleramt als k.u.k-Außenministerium und wurde im 18. Jahrhundert als "geheime Hofkanzlei" errichtet. Gegenüber dem Eingang zum Bundeskanzleramt befindet sich seit 1946 der Eingang zur Präsidentschaftskanzlei des Bundespräsidenten in der Hofburg. Bis zum Jahre 1906 trug der Ballhausplatz den Namen "Revolutionsplatz".

Wie wählt Österreich eine:n Kanzler:in?

Auch wenn bei Nationalratswahlen landläufig von der "Wahl des Bundeskanzlers" die Rede ist, wird der oder die Kanzler:in in Österreich nicht durch das Volk gewählt. Am Wahltag können lediglich Parteien bzw. deren Kandidaten oder Kandidatinnen gewählt werden. Der oder die Bundeskanzler:in wird vom Bundespräsidenten ernannt, welcher allerdings im Regelfall auf die jeweiligen Mehrheitsverhältnisse Rücksicht nimmt. Das heißt, der Bundespräsident ernennt im Regelfall den Spitzenkandidaten der stimmenstärksten Partei zum Kanzler. Ausnahme stellt die "Regierung Schüssel I" dar. Obwohl nur drittstärkste Partei, wurde ÖVP-Chef Wolfang Schüssel am 4. Februar 2000 zum Bundeskanzler angelobt.

Voraussetzungen, um Kanzler:in zu werden

Um Kanzler:in werden zu können, muss man nicht dem Nationalrat angehören, jedoch die Anforderungen erfüllen, um in diesen gewählt werden zu können. Das heißt, potentielle Kanzler:innen müssen die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, am Wahltag ein Mindestalter von 18 Jahren erreicht haben und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sein (zum Beispiel durch eine mehr als fünfjährige Freiheitsstrafe). Das Mindestalter von 35 Jahren, wie beim Bundespräsidenten, gilt für eine:n Bundeskanzler:in nicht.

Wie lange dauert eine Amtsperiode?

Eine Amtsperiode dauert in Österreich fünf Jahre. Vor der Wahlrechtsreform im Jahre 2007 dauerte diese vier Jahre. Die Amtszeit eines Bundeskanzlers bzw. einer Bundeskanzlerin ist in Österreich – im Vergleich zum Bundespräsidenten – nicht beschränkt. Er oder sie kann beliebig oft wiedergewählt werden.

Wie viel verdient ein:e Bundeskanzler:in?

Die Gehälter österreichischer Politiker:innen sind öffentlich einsehbar. Ein:e Bundeskanzler:in verdient monatlich 23.440 Euro. Nach dem Bundespräsidenten (26.252 Euro) ist er oder sie das bestbezahlte Regierungsmitglied. Der Vizekanzler bezieht monatlich 20.627 Euro, ein:e Bundesminister:in 18.752 Euro.

Der österreichische Vizekanzler

Seit 7. Jänner 2020 ist der Grünen-Politiker Werner Kogler österreichischer Vizekanzler, also erster Stellvertreter von Bundeskanzler Karl Nehammer. Der am 20. November 1961 in Hartberg (Steiermark) geborene Kogler fungiert außerdem als Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport. Kogler saß erstmals 1999 für die Grünen im Nationalrat.

Liste aller Bundeskanzler:innen Österreichs

Karl Renner (SDAP, SPÖ)

*14.12.1870 Unter-Tannowitz (Dolní Dunajovice, Tschechische Republik)
1918 bis 1920 Staatskanzler der 1. Republik
1945 Staatskanzler der 2. Republik

Leopold Figl (ÖVP)

* 2.10.1902 Rust im Tullnerfeld (Niederösterreich)
1945 bis 1953 Bundeskanzler einer ÖVP-SPÖ-Koalition

Julius Raab (ÖVP)

* 29.11.1891 St. Pölten (Niederösterreich)
1953 bis 1961 Bundeskanzler einer ÖVP-SPÖ-Koalition

Alfons Gorbach (ÖVP)

* 2.9.1898 Imst (Tirol)
1961 bis 1964 Bundeskanzler einer ÖVP-SPÖ-Koalition

Josef Klaus (ÖVP)

* 15.8.1910 Mauthen (Kärnten)
1964 bis 1966 Bundeskanzler einer ÖVP-SPÖ-Koalition
1966 bis 1970 Bundeskanzler der ÖVP-Alleinregierung

Bruno Kreisky (SPÖ)

* 22.1.1911 Wien
1970 bis 1983 Bundeskanzler der SPÖ-Alleinregierung

Fred Sinowatz (SPÖ)

* 5.2.1929 Neufeld an der Leitha (Burgenland)
1983 bis 1986 Bundeskanzler einer SPÖ-FPÖ-Koalition

Franz Vranitzky (SPÖ)

* 4.10.1937 Wien
1986 bis 1987 Bundeskanzler einer SPÖ-FPÖ-Koalition
1987 bis 1997 Bundeskanzler einer SPÖ-ÖVP-Koalition

Viktor Klima (SPÖ)

* 4.6.1947 Wien
1997 bis 2000 Bundeskanzler einer SPÖ-ÖVP-Koalition

Wolfgang Schüssel (ÖVP)

* 7.6.1945 Wien
2000 bis 2005 Bundeskanzler einer ÖVP-FPÖ-Koalition
2005 bis 2007 Bundeskanzler einer ÖVP-BZÖ-Koalition

Alfred Gusenbauer (SPÖ)

* 8.2.1960 St. Pölten
2007 bis 2008 Bundeskanzler einer SPÖ-ÖVP-Koalition

Werner Faymann (SPÖ)

* 4.5.1960 Wien
2008 bis 2016 Bundeskanzler einer SPÖ-ÖVP-Koalition

Christian Kern (SPÖ)

* 4.1.1966 Wien
2016 bis 2017 Bundeskanzler einer SPÖ-ÖVP-Koalition

Sebastian Kurz (ÖVP)

* 27.8.1986 Wien
2017 bis 2019 Bundeskanzler einer ÖVP-FPÖ-Koalition
2019 Bundeskanzler einer ÖVP-geführten Übergangsregierung

Brigitte Bierlein (parteilos)

* 25.6.1949 in Wien
2019 bis 2020 Bundeskanzlerin einer von Bundespräsident Alexander Van der Bellen eingesetzten Übergangsregierung

Sebastian Kurz (ÖVP)

* 27.8.1986 Wien
2017 bis 2019 Bundeskanzler einer ÖVP-FPÖ-Koalition
2019 Bundeskanzler einer ÖVP-geführten Übergangsregierung
2020 bis 2021 Bundeskanzler einer Koalition ÖVP und Die Grünen

Alexander Schallenberg (ÖVP)

* 20.6.1969 Bern
2021 Bundeskanzler einer Koalition ÖVP und Die Grünen

Karl Nehammer (ÖVP)

* 18.10.1972 Wien
seit 2021 Bundeskanzler einer Koalition ÖVP und Die Grünen