Leonore Gewessler:
"Scheitern ist keine Option"

Je öfter die Grünen der ÖVP nachgeben, desto genauer wird geschaut, ob Ministerin Leonore Gewessler im Klimaschutz die Werte ihrer Partei hochhält. Im Interview spricht sie über grüne Investitionen, das Regierungsklima und darüber, was sie in der Politik hält.

von Leonore Gewessler © Bild: News/Matt Observe

Als Infrastrukturministerin sieht man sie oft bei Spatenstichen zuletzt in Wien für die U Bahn Linie U5. Nun sagt Stadtrat Peter Hanke, das 365 Euro Ticket sei bis 2022 gesichert. Und dann? Das ist doch ein Kernstück Ihres 1-2-3-Tickets.
Es gibt die große Unterstützung aus Wien für dieses Projekt. Wien war ja Vorreiter, dann folgten Vorarlberg, Salzburg und Tirol, die gesagt haben, sie wollen mit einem günstigen Ticket die Öffi-Nutzung so einfach wie möglich machen. Wir werden mit der österreichweiten Stufe des 1-2-3-Klimatickets noch heuer starten. Angesichts der Tatsache, dass ein Österreich-Ticket seit 15 Jahren in diversen Regierungsprogrammen steht, freut es mich, dass wir die Menschen nicht länger warten lassen.

Wann folgen die Stufen für ein und zwei Bundesländer?
Wir arbeiten parallel dazu an den Modellen für die Bundesländer, weil das Ticket gemeinsam mit dem Infrastruktur- und Angebotsausbau die Grundlage für einen attraktiven öffentlichen Verkehr in Österreich ist. Der Verkehr ist nach wie vor unser Sorgenkind im Klimaschutz. Daher ist es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der öffentliche Verkehr die bequemste und leistbarste Art der Mobilität wird.

Warum geht das nicht schneller?
Es ist ein bissl komplizierter als das Österreich-Ticket, weil die Bundesländer unterschiedliche Tarifsysteme haben, und wir müssen nun eines entwickeln, das mit Unterstützung des Bundes in ganz Österreich funktioniert. Bis zum Ende der Legislaturperiode stehen alle Stufen, und bis dahin ist das Österreich-Ticket für viele Pendler jetzt schon eine deutliche Vergünstigung.

Lesen Sie hier: Warum auch Österreich zu Klimasündern zählt

»Durch die Pandemie wird so viel Rad gefahren und zu Fuß gegangen wie nie zuvor«

In Wien ist der Anteil der Öffi-Nutzer am Verkehr in der Pandemie von 38 auf 27 Prozent gesunken. Auch die Bahn hatte weniger Fahrgäste. Wie bekommt man die zurück in die Öffis?
Die Pandemie hatte große Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten. Es wird so viel Rad gefahren und zu Fuß gegangen wie noch nie zuvor. Aber es ist unsere Aufgabe, dass wir das Vertrauen in den öffentlichen Verkehr auf dem hohen Niveau halten, das wir vor der Krise hatten. Er ist das Rückgrat der Mobilitätswende. Daher wollen wir mit einem gestärkten Netz aus der Krise hervorgehen und setzen auf Infrastrukturausbau, gutes Taktangebot und leistbare Tickets. Mein Ziel ist, dass wir die Grundmobilität der Menschen mit öffentlichem Verkehr decken und man sich dann, wann man es braucht, ein Auto dazu organisiert.

Früher hat man Linien stillgelegt, weil es zu wenig Fahrgäste gab, heute baut man, obwohl es noch keine Fahrgäste gibt?
Im Wissen, dass gerade im Verkehr gilt: Das Angebot schafft die Nachfrage.

Das war bisher das Argument gegen neue Straßen.
Es gilt für alle Verkehrsträger. Deshalb ist ja auch so wichtig, dass wir uns überlegen, welche Infrastruktur wir brauchen. Mein Lieblingsbeispiel ist Vorarlberg. Dort hat man enorm ins Angebot investiert und selbst in kleinen Orten im Bregenzerwald gibt es Busbahnhöfe mit Taktfahrplan. Das wird gut angenommen. Für unser Ziel Klimaneutralität bis 2040 spielt der öffentliche Verkehr eine tragende Rolle.

Die Regierung hat das Budget für Radwege deutlich erhöht, in diversen Koalitionsprogrammen gibt es Bekenntnisse zum Ausbau. Und kaum gibt es einen neuen Radweg, herrscht "blankes Entsetzen", wie ein Bezirksblatt in Wien schrieb, und man prüft, ob da nicht doch ein paar Parkplätze hinpassen. Alles nur Lippenbekenntnisse?
Wir sehen, dass immer mehr Menschen das Rad entdecken, und haben die Förderbudgets erhöht, damit Radfahren sicher und bequem möglich ist. Wenn man über den österreichischen Tellerrand schaut: Brüssel, Paris, London setzen sich massiv für die neue Verteilung des öffentlichen Raums ein, weil es Lebensqualität für die Menschen vor Ort bringt. Aber jede Neuverteilung führt zu Emotionen. Denken wir zurück an die Umgestaltung der Mariahilfer Straße, heute will man sich gar nicht vorstellen, dass sie anders sein könnte. Man sieht, welchen Effekt es hat, wenn man Platz hat und sich das Tempo am Menschen orientiert.

Sie haben ein Rekordbudget für den Klimaschutz, trotzdem gibt es laufend Zweifel, dass die Grünen sich in diesem Bereich gegen die ÖVP durchsetzen können.
Da würde ich einfach einen Blick zurück wagen in das Jahr 2020. Neben der Pandemie hatten wir auch das wärmste Jahr der Messgeschichte in Europa. Die Klimakrise hat keine Pause gemacht. Ich bin in die Politik gegangen, um etwas dagegen zu tun. Das ist kein Sprint, das ist ein Marathon. Wir haben mit dem größten Klimabudget, das Österreich je gesehen hat, Schwungmasse für viele konkrete Veränderungen: Photovoltaik auf den Dächern, ökologische Heizungen statt Öl und Gas, das größte Bahnausbauprojekt, das es je gegeben hat.

Zuletzt gab es Krach zwischen ÖVP und Grünen. Es gab zwei Misstrauensanträge gegen ÖVP-Minister, denen Ihre Partei nicht zugestimmt hat. Ihr Parteikollege Johannes Rauch meint, das habe die Grünen gestärkt. Geht jetzt mehr?
Die letzten Wochen haben sehr deutlich gezeigt, warum die Grünen diese Verantwortung übernommen haben. Ja, es ist nicht immer leicht, es gibt Auseinandersetzungen, die man führen muss. Aber am Ende geht es darum, Österreich besser zu machen. Saubere Umwelt, saubere Politik: deswegen sind wir da.

Auch interessant: Asylpolitik: Sind die Grünen auf verlorenem Posten?

Ihre Wählerinnen und Wähler sehen das anders. Die Grünen liegen in Umfragen nur im einstelligen Bereich.
Die Regierungsbeteiligung ist genauso wie der Klimaschutz kein Sprint. Wir haben uns ein Arbeitsprogramm vorgenommen und sind in einer Ausnahmesituation mit Pandemie und wirtschaftlichen Herausforderungen. Genau deswegen ist es wichtig, dass die Grünen da sind, um diesen Moment so zu nutzen, dass er in Österreich etwas verändert. Beim Weg aus der Krise ist es enorm wichtig, die Weichen so zu stellen, dass man nicht in alte Muster zurückfällt, sondern in Richtung Klimaschutz geht. Es ist gut, dass unsere Wählerinnen und Wähler kritisch darauf schauen. Ich bin überzeugt, dass es sich auszahlt.

Viele dieser Menschen sind sauer, weil die Grünen nach der Abschiebung von Schülerinnen in dieser Koalition bleiben. Und sie sagen: Wenn beim Klimaschutz auch nichts weitergeht, hat die Regierungsbeteiligung keinen Sinn. Müssen Sie mehr leisten als andere grüne Minister?
Wir haben alle große Aufgaben übernommen. Der Klimaschutz ist die historische Aufgabe der Grünen, deswegen bin ich in die Politik gegangen. Das ist die Motivation, warum ich jeden Tag hier sitze und kämpfe.

Und wenn früher oder später gewählt wird, wird genug erreicht sein, damit die Grün-Wählerinnen und -Wähler zufrieden sind?
Ich schaue zufrieden aufs erste Jahr zurück. Mir ist bewusst, dass die Aufgabe riesig ist. Österreich ist auf Aufholjagd. Wir stehen beim CO2-Ausstoß, wo wir vor 30 Jahren gestanden sind, das ist eine richtig große Aufgabe, daran etwas zu ändern. Daher müssen viele Dinge gleichzeitig passieren. Im Kampf gegen die Klimakrise ist Scheitern keine Option. Da ist die einzige Lösung Handeln.

Ein Leuchtturmprojekt der Grünen ist die CO2-Bepreisung durch eine ökosoziale Steuerreform. Was wird man davon merken?
Bei einer ökosozialen Steuerreform geht es darum, dass jene, die sich klimafreundlich verhalten, einen Vorteil haben und klimaschädliches Verhalten einen gerechten Preis bekommt. Wir haben einige Schritte schon auf den Weg gebracht, etwa die Reform der NoVA, wo wir genau nach diesem Muster vorgegangen sind. Emissionsfreie Autos zahlen keine NoVA, besondere CO2-Schleudern wie SUV oder die Riesengeländewagen, die lustigerweise im ersten Bezirk besonders hohe Zulassungszahlen haben, zahlen einen gerechten Preis. Nach diesem Muster wird es weitere Schritte der Steuerreform geben. Wir schauen uns auch gerade an, was das beste Modell beim sozialen und regionalen Ausgleich ist. Wenn CO2 einen Preis kriegt, was wird auf der anderen Seite für den Einzelnen günstiger?

Lässt sich dieses Modell der CO2-Bepreisung bis zum täglichen Einkauf herunterdeklinieren? Äpfel aus Österreich sind steuerlich günstiger als spanischer Spargel im Winter?
Zuerst geht es uns um die großen Energieträger: Erneuerbare versus Erdöl und Erdgas. Aber wir haben mit Landwirtschaftsministerin Köstinger auch schon einen Anlauf gemacht, wie man regionalem, biologischem Einkaufen einen Vorteil verschaffen kann, etwa durch einen CO2-Bonus beim Transport. Man muss sich die Dinge kreativ anschauen.

In die Steuerreform fällt auch eine Ökologisierung der Pendlerpauschale, die die Zersiedelung fördert. In Deutschland diskutieren die Grünen mutig in einem Wahljahr über Einfamilienhäuser im Grünen. Wie sehen Sie das?
Wie wir bauen, wie wir wohnen, wie wir unsere Gemeinden entwickeln, hat einen großen Einfluss auf den Boden- und Energieverbrauch und auf die Mobilität. Hab ich dort öffentlichen Verkehr oder nicht? Daher ist ein großes Thema bei mir, aber auch bei meiner Kollegin Köstinger, die für den Bodenschutz zuständig ist, wie wir diese Probleme in der Raumordnung besser abbilden können.

Weil ein Haus am Waldrand schön ist, aber Folgewirkungen hat? Vom Bodenverbrauch bis zu den nötigen Zufahrten und Kanal und Stromzuleitungen.
Gerade das Thema Bodenverbrauch ist vielen Menschen in Österreich ein riesiges Anliegen. Österreich ist Europameister im Zubetonieren, dafür müssen wir eine Lösung finden. In meinem Bereich schauen wir uns etwa mit den ÖBB an, ob es Liegenschaften in den Städten gibt, wo man nachverdichten kann, ohne dass neuer Boden dabei verbraucht wird, etwa bei alten Güterbahnhöfen, die man nicht mehr benötigt. Das ist auch eine große Aufgabe für die Bundesländer, die für die Raumplanung zuständig sind.

Die sollen den Gemeinden sagen: "Baut zentrumsnah und nicht den Supermarkt auf der grünen Wiese"?
Ja, ich komme aus einer kleinen Gemeinde und habe miterlebt, was es für den Ortskern heißt, wenn der Nahversorger an die Peripherie wandert.

»Den Europameistertitel im Zubetonieren muss Österreich nicht behalten«

Hat es Sinn, wenn die Bundesregierung mit Ländern und Gemeinden Zielvorgaben fixiert, damit nicht mehr jedes Jahr 0,5 Prozent der Ackerfläche zubetoniert werden?
Das ist tatsächlich eine große Sorge: Wenn wir das Thema nicht in den Griff bekommen, wie sichern wir dann in Zukunft die Lebensmittelversorgung und die vielen Funktionen, die die Natur für uns hat? Saubere Luft, sauberes Wasser. Daher wird die Regierung heuer einen Bodenschutzgipfel machen, um zu diskutieren, welche Instrumente wir brauchen, denn den Europameistertitel im Zubetonieren müssen wir nicht behalten.

Ist der Bodenverbrauch ein Kriterium, wenn es um das "Hinausinvestieren aus der Krise" geht?
Es geht um ein ökologisches Rausinvestieren, das haben wir schon mit dem Konjunkturpaket im letzten Jahr gezeigt. Mein Lieblingsbeispiel ist die Investitionsprämie. Wie können wir Investitionen in der Realwirtschaft ankurbeln, die Wirtschaft unterstützen, Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig zum Klimaschutz beitragen? Wir machen das, indem Digitalisierung und ökologische Projekte die doppelte Prämie bekommen, fossile Infrastruktur ist hingegen von Förderungen ausgeschlossen. Das hat es in Österreich noch nie gegeben.

Heißt in der Praxis?
Investitionen in einen neuen Gasheizkessel in einem Betrieb oder in einen fossilen Fuhrpark werden nicht gefördert.

Der Anschluss an die Fernwärme oder eine Photovoltaikanlage ...
... hingegen mit 14 Prozent. Das ist ein wirkliches Erfolgsprojekt. Wir haben 1,1 Milliarden Euro allein in der Ökologisierung, die Hälfte der Anträge ist von Kleinunternehmen. Wir lösen damit Investitionen von fast acht Milliarden Euro aus. Ich habe als Umweltaktivistin jahrelang die Klimaschutzmilliarde gefordert. Jetzt haben wir sie im ersten Regierungsjahr nicht nur im Budget, sondern auch dafür gesorgt, dass jedes einzelne Programm - vom Schulausbau über die Sanierungsoffensive bis zur Investitionsprämie - ein starkes ökologisches Gewicht hat.

Als ökologische Investition in die Infrastruktur hat Graz dieser Tage Pläne für den Bau einer U Bahn präsentiert. Verkehrsexperten meinen allerdings, die 3,3 Milliarden Euro wären besser in einen Ausbau des Straßenbahnnetzes investiert. Wie gehen Sie an eine solche Förderanfrage dann heran?
Ich kenne die Pläne noch nicht im Detail. Was die Grazer und uns eint, ist, dass wir rasch für Verbesserungen sorgen müssen. Deshalb liegt der Fokus stark auf Projekten, die bereits in Diskussion sind: etwa die bessere Vernetzung des Straßenbahnnetzes der Stadt mit dem Umland. Hier müssen wir rasch Verbesserungen im Angebot und in der Infrastruktur umsetzen. Dass man sich darüber hinaus Gedanken macht, wie der Ballungsraum Graz in 15 Jahren aussieht, wie wir da eine Mobilitätswende schaffen, ist gut. Dazu gibt es verschiedene Ideen, die U-Bahn ist nur eine davon.

Ein ganz anderes Verkehrsmittel, aber auch die Frage nach dessen Notwendigkeit: die Luftfahrt und das Schicksal der Austrian. Im Herbst hat News berichtet, sie verbrenne ein bis zwei Millionen pro Tag. Reichen da die Staatshilfen und muss Österreich überhaupt eine Fluglinie haben?
Die Frage der Zukunft der Luftfahrt stellt sich ganz massiv. Und sie hat sich schon vor Corona gestellt, weil es Entwicklungen gab, die sowohl hinsichtlich der sozialen Rechte der Mitarbeiter als auch des Klimaschutzes kontraproduktiv waren. Dumpingpreise für Tickets, um für ein paar Stunden Einkaufen zu fliegen, das ist eine Entwicklung, die weder uns als Gesellschaft noch dem Klima guttut. Also: Wie schaffen wir es, die Luftfahrt zukunfts- und klimafit zu machen, und was heißt das für die Luftfahrtindustrie? Wir werden viele Reisen auf der Kurz- und Mittelstrecke auf die Bahnverlagern müssen. Wie schafft man es, da besser zu kooperieren? Das waren alles Fragen, die wir rund um die AUA intensiv diskutiert haben. Für mich war klar, Staatshilfe kann es nur geben, wenn es starke ökologische Bedingungen dazugibt. Und die haben wir, etwa in der Frage des CO2-Ausstoßes, der Lärmemissionen und der Frage, wie man mit Dumpingtickets umgeht. Wie schafft man es hier zu mehr Kostenwahrheit hinsichtlich der CO2-Emissionen bis hin zum Ausbau der Alternativen. Die Kurzstrecke Wien-Salzburg ist bereits eingestellt, weitere werden folgen, und es gibt große Investitionen in die Nachtzüge. Die Frage nach der AUA lässt sich also nur im Gesamtpaket beantworten. Auch der Stopp der dritten Piste am Flughafen Wien ist vor diesem Hintergrund zu sehen.

Der Sie wohl gefreut hat.
Das ist im Sinne dieser Entwicklung und der Notwendigkeiten des Klimaschutzes eine gute Entscheidung.

Dennoch investiert der Staat in die Austrian?
Wir haben damals wirklich alle Optionen durchgedacht. Aber was wäre die Alternative gewesen? Die AUA geht in Konkurs, die Billig Airlines übernehmenden Flughafen Wien, die wie sie nicht müde werden, mir auszurichten - für Klimathemen und andere wichtige Fragen kein Ohr haben. Dann hätten die Aasgeier übernommen.

Ähnlich umstritten und geografisch ganz nah ist der Lobautunnel. Die Grünen in Wien waren immer dagegen. Die Autobahngesellschaft Asfinag gehört zu Ihrem Ministerium. Wie soll es mit dem Tunnel weitergehen?
Der Lobautunnel ist noch mitten in unzähligen Verfahren. Und in die werde ich mich im Sinne des Rechtsstaats nicht einmischen. Ganz unabhängig davon kommen wir damit zurück zum Thema, welche Infrastruktur wir für ein Mobilitätssystem brauchen, das den Bedürfnissen der Menschen und der Wirtschaft, aber auch den Notwendigkeiten des Klimaschutzes gerecht wird. Dieses Thema gehen wir mit einem Mobilitätsmasterplan an, indem wir Infrastruktur viel stärker vernetzt denken und planen wollen. Bisher liefen die Planungen für Schiene und Straße nebeneinander, nun wollen wir die Verkehrsträger besser vernetzen, damit wir mehr auf den öffentlichen Verkehr verlagern können. Da hat nicht nur die Bahn einen Auftrag, sondern auch die Autobahngesellschaft muss sich überlegen, wie sie zu klimafreundlicher Mobilität beitragen kann.

»Das Waldviertel braucht Mobilität, Anbindung, Entwicklung, Lebensqualität. Und eine Autobahn bietet das nicht«

Und die Entscheidung lautet dann: besser keine Autobahn, so wie im Waldviertel?
Das war eine spannende Diskussion: Was braucht die Region? Sie braucht Mobilität, Anbindung, Entwicklung, Lebensqualität. Und eine Autobahn - das war das Ergebnis der Prüfung - bietet das nicht. Aber die Frage gilt auch dem Bestand. Wie baut man an den Autobahnen E-Infrastruktur aus, wie kann man durch Vernetzung den Güterverkehr dekarbonisieren? Da gibt es viel zu tun.

Noch einmal zum Koalitionsklima: Wo sind eigentlich die roten Linien, wo Sie sagen: "So geht es nicht weiter"? Die Abschiebung von Kindern und die Hausdurchsuchung beim Finanzminister waren es offenbar nicht.
Was die Abschiebung betrifft: Da geht es um Wiener Mädel, die hier ihr Zuhause haben, und ich hätte mir von Herzen gewünscht, dass wir hier eine andere Lösung finden. Wir haben intensiv daran gearbeitet, aber es ist nicht gelungen. Wir haben gewusst, dass die ÖVP und wir hier unterschiedliche Positionen haben. Und es geht darum, jeden Tag darum zu ringen, dass wir gute Lösungen finden. Werner Kogler hat mit der Kommission für das Kindeswohl da ja auch einen Schritt gesetzt. Das darf man nicht aus dem Blick verlieren, wir sind in dieser Regierung, um Dinge zu verbessern.

Solange man irgendwelche Maßnahmen präsentieren kann, ist die Daseinsberechtigung von Türkis-Grün da?
Die misst sich an den Resultaten. Wir haben gewusst, dass es nicht einfach wird, und bringen trotzdem viel gemeinsam auf den Weg. Von der Informationsfreiheit bis zu Parteienfinanzierung bis zur Entpolitisierung der Weisungsspitze bei der Staatsanwaltschaft, etwas, das die Grünen seit 20 Jahren forcieren - all das hat in den letzten Wochen Schwung gewonnen.

Das heißt, eine rote Linie kann man nicht definieren?
Ich bin in die Politik gegangen, um etwas zu verändern. Solange das möglich ist, werde ich das auch tun.

Der Beitrag dazu ist ursprünglich in der Printausgabe von News erschienen (Nr. 8/2021).