Das europäische Parlament: Aufgaben, Funktionen und Befugnisse

Das EU-Parlament ist fast so alt wie der europäische Einigungsprozess selbst. Doch die Aufgaben, mit denen es betraut ist, sind vielen Menschen immer noch unbekannt. Wir liefern einen Überblick über eine vielschichtige Institution.

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EU-Parlament in Straßburg © Bild: iStockphoto.com

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EU-Parlament in Straßburg
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Was ist das Europäische Parlament?

Das EU-Parlament ist das Parlament der Europäischen Union. Gegründet wurde es im Jahr 1952, im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle uns Stahl (EGKS), einer Vorgängerorganisation der EU. Damals kamen knapp unter 80 Abgeordnete zu den Sitzungen zusammen. Heute sind es über 700. Hier zeigt sich ein nicht nur quantitativer, sondern auch qualitativer Bedeutungszuwachs dieses Gremiums für das innere Gefüge der EU im Laufe der Jahrzehnte. Denn zu Beginn handelte es sich bei dem Parlament um ein reines Kontrollgremium, ohne jegliche Befugnisse. Seit den ersten direkten Wahlen zum EU-Parlament im Jahr 1979 kam es zu einer schrittweisen Ausweitung dieser Befugnisse, für welche die dortigen Abgeordneten auch immer wieder kämpften.

Wie wird das Europäische Parlament gewählt?

Die Abgeordneten zum EU-Parlament werden im Rahmen sogenannter Europawahlen gewählt. Wahlberechtigt sind alle volljährigen Bürger:innen der EU-Mitgliedsstaaten. Die ersten Europawahlen wurden 1979 durchgeführt, die jüngsten fanden 2019 statt. Jeder EU-Mitgliedsstaat führt eigene Europawahlen durch, um zu bestimmen, welche Abgeordneten aus dem jeweiligen Mitgliedsstaat ins EU-Parlament entsendet werden. Die Anzahl der zu wählenden Abgeordneten hängt von der Größe des jeweiligen EU-Mitgliedsstaates ab. Die Bundesrepublik Deutschland schickt als größter Staat die meisten Abgeordneten, Stand 2020 sind es 96 Abgeordnete. Kleine Staaten wie Zypern oder Luxemburg stellen nur sechs Abgeordnete. Österreich stellt 19 EU-Parlamentarier:innen.

Wie lange dauert eine Legislaturperiode?

Seit 1979 dauert eine Wahlperiode der EU-Parlaments fünf Jahre.

Wo hat das Europäische Parlament seinen Sitz?

Das Europäische Parlament hat seinen Sitz in Straßburg. Dort finden jährlich zwölf Plenarsitzungen statt, die jeweils vier Tage andauern. Die Fraktionen und Ausschüsse des EU-Parlaments tagen in Brüssel. Auch dort finden sechs mal im Jahr Sitzungen des EU-Parlaments statt, die aber nur zwei Tage dauern. Sowohl in Straßburg als auch in Brüssel befinden sich somit feste Tagungsorte des EU-Parlaments, mit Plenarsälen, Fraktionsräumlichkeiten, Büros und sonstiger Infrastruktur. Allein in Brüssel ist die Infrastruktur des EU-Parlaments auf 18 Gebäude mit einer Gesamtfläche von 600.000 Quadratmetern verteilt.

Das Gebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel.
© iStockphoto.com Das Gebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel

Laut einem Bericht des Europäischen Rechnungshofes aus dem Jahr 2018 geht der andauernde Pendelverkehr zwischen Brüssel und Straßburg richtig ins Geld: 114 Millionen Euro kostet der von Kritikern und Kritikerinnen als "Wanderzirkus" bezeichnete regelmäßige Umzug von EU-Parlamentariern und -Parlamentarierinnen und deren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen pro Jahr. Ein ökologischer Fußabdruck wird so auch erzeugt, in Form eines jährlichen vom EU-Parlament verursachten CO2-Ausstoßes von 19.000 Tonnen. Eine Mehrheit der EU-Abgeordneten wünscht sich einen einzigen ständigen Sitz für das EU-Parlament und ein Ende der Dauerreisebewegung. Alle Versuche, sich auf einen Sitz zu einigen, sind jedoch bislang EU-intern gescheitert. Somit bleibt es bei Straßburg und Brüssel.

Welche Aufgaben und Funktionen hat das Europäische Parlament?

Die Kompetenzen des EU-Parlaments wurden im Laufe der Jahrzehnte stetig ausgeweitet. Ein Schlüsselmoment war der Vertrag von Maastricht im Jahr 1992. Seitdem können Entwürfe für neue europäische Gesetze nicht mehr gegen den Willen des EU-Parlaments beschlossen werden. Die Abgeordneten erfüllen somit einerseits Kontrollfunktionen und andererseits legislative Aufgaben im Gesetzgebungsprozess. Allerdings kann das EU-Parlament keine eigenen Gesetzesentwürfe entwerfen und initiieren. Nach wie vor existieren starke Einschränkungen: In den Bereichen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik hat das EU-Parlament kaum Mitspracherechte. Wesentlich stärker ist es an der Erstellung des Budgets der Europäischen Union beteiligt. Aufgabe des Parlaments ist außerdem die Kontrolle der Europäischen Kommission, deren Präsidentin oder Präsidenten das Parlament auch wählt. Das Vorschlagsrecht für dieses Amt liegt jedoch beim Europäischen Rat, dem Gremium der Staats- und Regierungschefs der EU.

Wie sieht die Arbeitsweise der Mitgliedsstaaten aus?

Im EU-Parlament treffen Hunderte Abgeordnete aus allen Mitgliedsstaaten der EU aufeinander. Sie gehören rund 200 verschiedenen, in den Herkunftsländern der Abgeordneten aktiven Parteien an. Im EU-Parlament haben sich diese in verschiedenen europäischen Fraktionen zusammengeschlossen und organisiert (siehe dazu "Welche Parteien sind vertreten?"). Hinzu kommen sogenannte nationale Delegationen. In ihnen organisieren sich die Angehörigen der Parteien aus den jeweiligen Ländern. Daneben gibt es eine umfassende Ausschussarbeit. Sie tagen ein bis zwei Wochen pro Monat. Zu den Aufgaben der Ausschüsse gehört unter anderem, Gesetzesvorschläge der EU-Kommission im Detail zu begutachten. Derzeit gibt es 23 Ausschüsse, darunter der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, der Haushaltsausschuss oder der Rechtsausschuss. Daneben können auch Untersuchungs- oder Sonderausschüsse eingerichtet werden.

Welche Parteien sind vertreten?

Die derzeit größte Fraktion wird von der Europäischen Volkspartei (EVP) mit 176 Abgeordneten gestellt. Hier sind Mitglieder der allermeisten europäischen konservativen und christdemokratischen Parteien organisiert, also auch jene aus der österreichischen ÖVP oder der deutschen CDU/CSU. Die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, kurz S&D, folgt an zweiter Stelle mit 145 Abgeordneten. Daneben gibt es noch weitere Fraktionen, etwa Renew Europe, die politische Heimat der NEOS, oder die Rechtsaußen-Fraktion Identität & Demokratie, an welcher auch die FPÖ beteiligt ist. Parteien links der Sozialdemokratie sind ebenso in einer eigenen Fraktion organisiert - Die Linke im Europäischen Parlament - wie auch die europäischen Grünen. Immerhin 42 Abgeordnete gehören keiner Fraktion an.

Wer sind die österreichischen Abgeordneten?

Österreich stellt insgesamt 19 Abgeordnete. Sieben davon gehören zur EVP, fünf zur Sozialdemokratie. FPÖ und Grüne stellen jeweils drei Abgeordnete und NEOS hat eine Abgeordnete als Teil der Renew-Fraktion. Bekannte Namen sind unter anderem Andreas Schieder von der SPÖ oder Harald Vilimsky von der FPÖ. Die Homepage des Europaparlaments bietet eine hilfreiche Suchfunktion, die es ermöglicht, Abgeordnete anhand unterschiedlichster Suchfilter zu finden.

Wie sieht die Sitzordnung im EU-Parlament aus?

Geleitet werden die Sitzungen von der Parlamentspräsidentin Roberta Metsola oder einer ihrer 14 Stellvertreter:innen. Sie sitzt gemeinsam mit dem aus EU-Beamten und -Beamtinnen bestehenden Generalsekretariat den halbkreisförmig angeordneten Fraktionen sowie Vertretern und Vertreterinnen der EU-Kommission und des Rates der Europäischen Union gegenüber. Eine interaktive Ansicht gibt es hier.

Sitzungssaal des EU-Parlaments in Straßburg.
© imago images/Future Image Sitzungssaal des EU-Parlaments in Straßburg

Wie wird der/die EU-Parlamentspräsident:in gewählt?

Die EU-Parlamentspräsidentin wird für eine Dauer von zweieinhalb Jahren, also einer halben Legislaturperiode, durch die Abgeordneten des EU-Parlaments gewählt. Derzeit teilen sich die stimmenstärksten Fraktionen der EVP und der Sozialdemokraten das Amt untereinander auf. Der Posten wird somit zwischen den beiden Fraktionen rotiert.

Wie verhalten sich EU-Parlament und EU-Kommission zueinander?

Die Europäische Kommission fungiert als Exekutive der Europäischen Union. Aufgabe des EU-Parlaments ist es, deren Arbeit zu kontrollieren. Das EU-Parlament hat das Recht, die Kommission anzunehmen oder abzulehnen. Vor ihrer Wahl durch das EU-Parlament müssen sich mögliche neue Kommissionsmitglieder einer Anhörung durch das EU-Parlament stellen. Die Kommission ist dem Parlament außerdem berichtverpflichtet.