Analyse
Pamela Rendi-Wagner ist erledigt. Sie hat gekämpft wie eine Löwin, es reicht jedoch nicht: Laufend meldet irgendein Genosse Zweifel an ihren Fähigkeiten an oder meint jemand, dass ihr Vorgänger Christian Kern, der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig oder der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil besser geeignet wäre. Die Liste wird immer länger, zuletzt kamen Ex-ORF-Chef Alexander Wrabetz und – als Übergangslösung – die 2. Nationalratspräsidentin Doris Bures dazu. Problem für Rendi-Wagner: Sie muss ständig wiederholen, dass sie die Richtige sei. Das überlagert dann immer auch Inhalte, die sie vielleicht behandeln möchte.
In Wirklichkeit hat jedoch die SPÖ insgesamt ein größeres Problem: Seit sich Kern im Herbst 2018 mit dem Worten verabschiedet hat, dass das "ein Schlussstrich" für ihn als "Berufspolitiker" sei, verdrängt sie eine Richtungsentscheidung. Eine Folge davon waren Verluste bei der Nationalratswahl 2019 und jüngst auch dürftige Ergebnisse bei Landtagswahlen.
Zunächst hat man Wähler an die Grünen verloren und keine von Freiheitlichen zurückgeholt, die infolge der Ibiza-Affäre im freien Fall waren. Zuletzt hat man auch nicht von der Krise profitiert, in der sich die ÖVP seit dem Abgang von Sebastian Kurz befindet. Das tun mehr und mehr Freiheitliche, die sich erholt haben und in Umfragen davonziehen. Damit schließt sich ein Zeitfenster für die Sozialdemokratie: Vorübergehend schien eine Mehrheit für eine rot-pink-grüne Ampelkoalition möglich zu sein. Das ist vorbei. Natürlich, es kann sich wieder öffnen. Erfahrungsgemäß ist eine solche Gelegenheit in Österreich aber keine Selbstverständlichkeit.
Rendi-Wagners Rechnung ging nicht auf
Auf der anderen Seite entspricht das dem Zugang von Genossen, die eher zu einer rot-türkisen Regierung tendieren als zu einer Ampel. Und es wirkt fast schon wieder ausgleichend zwischen Strömungen, die entweder meinen, man müsste der FPÖ durch eine restriktive Migrationspolitik Konkurrenz machen oder sich um eine Mitte-Links-Mehrheit bemühen.
Dafür steht zum Beispiel Christian Kern. Er ist der letzte Parteivorsitzende, der – unter anderem mit dem "Plan A" – eine inhaltliche Neuausrichtung versucht hat. Damit machte er sich aber nicht nur Freunde. Im Gegenteil. 2018 gab er resigniert auf. Ob er noch einmal eine Chance erhält, ist daher fraglich. Auch wenn er sich mittlerweile mit Doskozil versöhnt hat, der selbst gerne übernehmen würde, dem sich vor allem aber Wiener Sozialdemokraten um Ludwig und Gewerkschafter in den Weg stellen.
Zahl
Ukraine-Krieg: Österreicher weniger besorgt
Ukraine-Krieg: Österreicher weniger besorgt
In Österreich fühlen sich durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine weniger Menschen bedroht als in den meisten anderen Mitgliedstaaten der EU. Das zeigen die Ergebnisse der jüngsten Eurobarometer-Befragung, die im Jänner und im Februar im Auftrag der Europäischen Kommission durchgeführt worden ist.
Hierzulande sind 61 Prozent der Meinung, dass die nationale Sicherheit gefährdet ist. Weniger sind es nur in Bulgarien (60). Sonst sind es überall mehr. In Polen, Litauen und Schweden handelt es sich um rund 90, in Portugal und Finnland um 85 Prozent – im Durchschnitt 76 Prozent.
Über die Gründe kann man nur spekulieren: Hängt es mit der Neutralität und der Überzeugung zusammen, dass man, wie schon seit Jahrzehnten, von Kriegen in jedem Fall verschont bleibt? Ist es das Gefühl, dass dem Land, umgeben von NATO-Staaten, schon nichts passieren wird? Oder wird zu wenig Bewusstseinsbildung im Sinne von Bundespräsident Van der Bellen betrieben, der einen Angriff auf Friede, Freiheit und Demokratie in ganz Europa sieht?
Dürftiger Wert für Regierung
Für die Regierung von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sind die Ergebnisse der Befragung nicht erfreulich: Nur gut die Hälfte der Österreicher ist zufrieden mit ihrer Antwort auf den Ukraine-Krieg. In Schweden und Finnland, die Russland näher liegen und nach wenigen Wochen einen NATO-Beitritt eingeleitet haben, handelt es sich um 80 bzw. 88 Prozent.
Bemerkenswert auch: Im europäischen Vergleich niedrig sind hierzulande die Anteile der Menschen, die die EU-Sanktionen gegen Russland unterstützen (69 Prozent) oder die die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine begrüßen (79 Prozent). In Polen, wo die meisten untergekommen sind, tun das 91 Prozent, in skandinavischen Ländern bis zu 97 Prozent.
Bericht
Wie die ÖVP verlieren lernt
Wie die ÖVP verlieren lernt
"Die Umfragen? Naja. Die Stimmung gut, die politische Situation nicht einfach", so Bundeskanzler Karl Nehammer vor Parteifreunden in Kärnten, wo am 5. März gewählt wird. Nehammers ÖVP droht die nächste Niederlage: Sie muss damit rechnen, ein Drittel ihres Stimmenanteils zu verlieren und bei zehn, elf Prozent zu landen. Zu einer Depression neigt sie deswegen aber nicht.
Sie lernt vielmehr, zu verlieren. Im September stürzte sie bei der Landtagswahl in Tirol um fast zehn Prozentpunkte auf knapp 35 Prozent ab. In Niederösterreich ging’s Ende Jänner nicht minder stark auf 39,9 Prozent runter. Jetzt folgen Kärnten und Ende April Salzburg, wo sie ebenfalls dezimiert werden könnte.
Spricht man Spitzenfunktionäre darauf an, reagieren sie schulterzuckend, als würde sich das alles nicht verhindern lassen. Begründung: Die ursprünglichen Wahlergebnisse würden aus der Zeit von Sebastian Kurz stammen, in der man überall von seiner Strahlkraft profitiert habe. Jetzt sei er weg, und da könne man nur verlieren. Erleichtert wird dieser Haltung, die sich auch schon auf die nächste Nationalratswahl bezieht, bei der die 37,5 Prozent aus dem Jahr 2019 nicht zu halten sein werden, freilich dadurch: Macht hat man bisher kaum abgeben müssen. Und auf Bundesebene könnten die Aussichten diesbezüglich übler sein: Als einzige Mittelpartei hat man aus heutiger Sicht mehrere Optionen für eine Fortsetzung der Regierungsbeteiligung – entweder ein Bündnis mit der SPÖ sowie allenfalls NEOS oder Grünen – oder ein solches mit den Freiheitlichen.
Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at