Thomas Schmid: Ex-ÖBAG-Chef, Chat-Schreiber - und bald Kronzeuge?

Seit Ende 2019 kennt man in ganz Österreich Thomas Schmid. Schmid war bis 2021 Vorstand der ÖBAG und Ex-Generalsekretär im Finanzministerium. Bekannt wurde er aber vor allem für seine Nachrichten in den ÖVP-Chats. Lange schwieg Schmid zu der Causa - inzwischen sagte er detailliert aus, strebt Kronzeugenstatus an - und belastet Ex-Kanzler Sebastian Kurz schwer. Die Aussage vor dem ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss verweigerte er aber.

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Porträt - Thomas Schmid: Ex-ÖBAG-Chef, Chat-Schreiber - und bald Kronzeuge? © Bild: Trend Wolfgang Wolak
  • Name: Thomas Schmid
  • Geboren: 30. Oktober 1975
  • Wohnort: Amsterdam, Niederlande
  • Sternzeichen: Skorpion
  • Beruf: 2019-2021 Vorstand der ÖBAG

Für Thomas Schmid begann 2019 zunächst gut. Ende März wird der ÖVP-nahe, 45 Jahre alte Tiroler 2019 Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG, der Nachfolgegesellschaft von ÖBIB und ÖIAG, welche die Staatsbeteiligungen an wichtigen Unternehmen verwaltet. Allerdings beschlagnahmte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft am 12. November des selben Jahres sein Handy beschlagnahmte und stellte zahlreiche gelöschte Nachrichten wieder her. Ein Schicksalsmoment für Schmid (und die ÖVP). Schmid kam ab diesem Zeitpunkt aus den Schlagzeilen nicht mehr heraus, lösten seine Nachrichten doch gleich mehrere Verfahren der WKSta aus. Im Juni 2021 legte er seinen Posten bei der ÖBAG zurück, nachdem der Druck zu groß geworden war - und ging zunächst "auf Tauchstation".

Die Vorwürfe der WKSta an Thomas Schmid

Aus Sicht der WKStA soll Schmid ab 2016 in seiner damaligen Funktion als Kabinettschef und Generalsekretär im Finanzministerium eine zentrale Rolle bei der Gestaltung und Abwicklung von Inseraten-und Medienkooperationsvereinbarungen mit den Medienmachern Wolfgang und Helmuth Fellner gespielt haben, die "aus sachfremden und nicht im Interesse des Finanzministeriums gelegenen Gründen" abgeschlossen wurden, wie die Behörde in ihrer gegen Ex-Ministerin Karmasin gerichteten Festnahmeanordnung festhielt. Die vom Finanzministerium und damit dem Steuerzahler finanzierten und in der Tageszeitung "Österreich" erschienenen Anzeigen und Umfragen mit einem Auftragsvolumen von zumindest 1,16 Mio. Euro hätten ausschließlich dem persönlichen Fortkommen des späteren ÖVP-Obmanns und Bundeskanzlers Sebastian Kurz gedient, vermutet die WKStA.

Die WKStA geht davon aus, Schmid habe hinsichtlich der von den Ermittlungen betroffenen Veröffentlichungen "als Mittelsmann vorgegebene redaktionelle Inhalte" lanciert, nämlich insbesondere für Kurz und die ÖVP günstige Umfrageergebnisse. Diese sollen "zu vorgegebenen Zeitpunkten" und "teilweise mit einer die Interessen von Sebastian Kurz und der Gruppe seiner Vertrauten fördernden Kommentierung durch Wolfgang Fellner" erschienen sein, beschrieb die WKStA in ihrer 44-seitigen Karmasin-Festnahmeanordnung die Verdachtslage. Es gilt die Unschuldsvermutung.

»Wir haben Dinge gemacht, die nicht in Ordnung waren«

Oktober 2022: Thomas Schmid packt aus und will Kronzeuge werden

Doch Schmid selbst bestätigte Vorgänge wie die beschriebenen. Im Oktober 2022 wurde bekannt, dass er - bereits im April 2022 mit dem Wunsch nach Kronzeugenstatus an die Korruptionsstaatsanwaltschaft herangetreten sei (formell wurde der Antrag noch nicht gestellt). Doch seitdem wurde Schmid 15 Mal einvernommen, wie am 18. Oktober 2022 bekannt wurde. Er beginnt seine Aussagen, die der APA und anderen Medien vorliegen, damit, dass er einen Wandel in sich selbst durchgemacht habe. "Nach meinem Ausscheiden aus der ÖBAG habe ich beschlossen einen neuen Weg zu gehen und einen Schlussstrich zu machen. Ich habe begonnen die ganze Sache aufzuarbeiten. Wir haben Dinge gemacht, die nicht in Ordnung waren", sagt Schmid

Von Kurz unter Druck gesetzt "die ganze Schuld auf mich zu nehmen"

Das Umdenken sei auch darauf zurückzuführen, dass er das Gefühl gehabt habe, benutzt zu werden, so Schmid. Kurz habe ihn nach seinem Ausscheiden aus der ÖBAG und den Hausdurchsuchungen im Oktober 2021 unter Druck gesetzt, "die ganze Schuld auf mich zu nehmen" und ihn, Kurz, schriftlich zu entlasten und ihm alle Chats und das Backup zu übergeben.

Schmids Aussagen: Kurz schwer belastet

In den Stellungnahmen belastet Schmid den ehemaligen Kanzler Sebastian Kurz schwer. Kurz habe zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchungen im Oktober 2021 von ihm verlangt, dass er ihn schriftlich entlastet und ihm alle Chats aushändigt. Kurz habe sehr insistiert, und er sei deswegen auf Tauchstation gegangen, so Schmid.

»Ich habe Kurz und die ÖVP aus dem BMF heraus gefördert, die Ressourcen des BMF genutzt, um das Fortkommen der ÖVP unter Sebastian Kurz zu unterstützen«

Es folgen weitere brisante Aussagen: "Ich habe Kurz und die ÖVP aus dem BMF heraus gefördert, die Ressourcen des BMF genutzt, um das Fortkommen der ÖVP unter Sebastian Kurz zu unterstützen. Dies umfasst Personal im Kabinett, Personalbesetzungen, 'wordings', Berechnungen, Vorbereitungen für Verhandlungen einer neuen Regierung, Personalbesetzungen und dies auch manchmal am Minister vorbei für Sebastian Kurz und seine Zwecke."

Schmid laut Protokoll weiter: "Im Wissen, dass Inserate des BMF nicht zu Wahlkampfzwecken der ÖVP geschaltet oder bezahlt werden dürfen, hat das BMF rund um den Wahlkampf 2017 Inserate in allen Medien geschaltet." Der Sprecher von Kurz habe ihm gesagt, dass die Inserate des BMF "auf Kurz zu buchen" seien. Damit habe der Sprecher gemeint, dass Kurz vorgeben könne, welche Themen und welche mediale Berichterstattung als Gegenleistung dafür in der Mediengruppe "Österreich" platziert würden. "Als ich noch im BMF gearbeitet habe, war es so, dass ich im Bundeskanzleramt bekannt geben und 'einmelden' musste, welches Werbebudget und welche und welche Inseratenbudgets das BMF verwendet hat."

»Es ist dann im Sinne von Mag. Sobotka erledigt worden.«

Auch Wolfgang Sobotka soll interveniert haben

Schmid sagt weiters aus, dass Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bei ihm interveniert habe, Steuerprüfungen bei der "Alios-Mock-Stiftung oder beim Alios-Mock-Institut" sowie bei der "Erwin-Pröll-Stiftung" abzustellen. "Es ist dann im Sinne von Mag. Sobotka erledigt worden."

Beinschab-Tool: Schmid will Verantwortung übernehmen

Zur Umfrage-Affäre rund um das sogenannte Beinschab-Tool schreibt Schmid: "Ich werde für dieses Faktum die Verantwortung übernehmen und werde voll umfassend aussagen. Die im Akt dargestellte Verdachtslage trifft im Wesentlichen zu." Nichts davon gewusst haben soll Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), denn: "Das ist etwas, das Kurz und ich ausgemacht haben." Er sei "schon nervös geworden", als etwa Vertraute von Kurz, wie Stefan Steiner und Gerald Fleischmann ihn in Zusammenhang mit dem Beinschab-Tool angerufen hatten.

Auf die Frage, warum Kurz in weiterer Folge trotz des guten Verhältnisses zueinander nicht direkt an ihn wegen der Umfragen herangetreten ist, antwortet Schmid: "Es haben da sicher Sicherheitsgedanken mitgespielt, dass Kurz nicht direkt mit mir kommuniziert hat, sondern die Administration und die Besprechungen durch seine engsten Mitarbeiter durchführen hat lassen."

Die Idee zum "Beinschab-Tool" habe er erstmals mit Kurz zu dessen Zeit als Außenminister, also jedenfalls vor März 2016 besprochen. Kurz sei davon fasziniert gewesen, dass diverse Akteure unter dem damaligen SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann eng mit der Meinungsforscherin Sophie Karmasin zusammengearbeitet hätten, was ihnen Einfluss auf Umfrageergebnisse ermöglicht hätte.

Nicht in "Projekt Ballhausplatz" involviert

Am "Projekt Ballhausplatz" sei er nicht beteiligt gewesen, gab Schmid zu Protokoll. Steiner und Fleischmann hätten ihn aber wiederholt wegen Inseraten oder Umfragen kontaktiert. Als er dann im Nachhinein vom "Projekt Ballhausplatz" erfahren habe, habe das dann Sinn ergeben und sich der Eindruck erhärtet, "dass sie ihren Plan Punkt für Punkt abgearbeitet haben".

Thomas Schmid und René Benko

Schmids Aussagen zogen zudem weitere Ermittlungen nach sich: So bestätigte die WKSta weitere Hausdurchsuchungen am 18. Oktober 2022. Darunter befand sich René Benkos Signa Holding. Es geht um Bestechung, Amtsmissbrauch und Untreue. Demnach soll im Zeitraum 2016 bis 2018 ein "österreichischer Unternehmer" dem damaligen Finanz-Generalsekretär Schmid für die parteiische Unterstützung im Steuerprüfungsverfahren seines Konzerns einen Vorteil, nämlich eine gut bezahlte Führungsposition in diesem Konzern, angeboten haben, damit es zu keiner oder einer möglichst geringen Abgabenfestsetzung kommt.

Das Casag-Verfahren: Im Casag-Verfahren sind alle Ermittlungsstränge zusammengefasst, die sich aus dem Ibiza-Video ergeben haben. Darunter etwa die Casinos-Ermittlungen oder auch die Ermittlungen zum sogenannten "Beinschab-Tool" bzw. der Inseratenaffäre. Die WKStA führt in diesem Zusammenhang gegen rund 45 Beschuldigte (natürliche Personen und Verbände) Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue, der falschen Beweisaussage, des Missbrauchs der Amtsgewalt, der Bestechlichkeit, der Bestechung und der Verletzung des Amtsgeheimnisses in unterschiedlichen Beteiligungsformen.

Thomas Schmid im U-Ausschuss

Nach mehrmaligem Ignorieren von Ladungen war Thomas Schmid am 3. November 2022 als Auskunftsperson im ÖVP-U-Ausschuss erscheinen. Allerdings verweigerte er hier wegen der strafrechtlichen Ermittlungen die Aussage.

Hier ein Live-Blog dazu:


Thomas Schmid: Seine Karriere

Thomas Schmid erklomm die Karriereleiter einst in der Volkspartei. Der offiziell parteilose Doppel-Magister - er ist Jurist und Politikwissenschafter - war schon Büroleiter von Ex-Bundeskanzler und -ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel und in den Jahren 2004/2005 auch einmal Pressesprecher von Karl Heinz Grasser, als dieser Finanzminister war. Auch für die ÖVP-Minister Michael Spindelegger (Äußeres) und Elisabeth Gehrer (Unterricht) übernahm er wie auch für den ÖVP-Abgeordneten zum Europäischen Parlament, Paul Rübig, die Tätigkeit des Sprechers. Begonnen hat dieser Karriereabschnitt im ÖVP-Parlamentsklub.

Spindelegger, als dessen Adlatus Schmid jahrelang galt, machte diesen Ende 2013 als Finanzminister schließlich zum Kabinettschef im Finanzministerium. Unter dem späteren Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) wurde Schmid zum Generalsekretär des BMF bestellt.

Schon als das Gesetz zur Umfirmierung der ÖBIB zur ÖBAG in Begutachtung ging, schrieben Medien, Schmid gelte als fix für den Sessel des Geschäftsführers. "Die dafür relevanten Entscheidungsträger in der ÖVP haben ihr Okay gegeben", schrieb das Magazin "Trend" Ende September 2018. Schon damals mutmaßte das Magazin, dass sich Schmid bereits akribisch auf die Geschäftsführerarbeit vorbereitet hätte.

Thomas Schmid und seine Chatnachrichten

Schmids Abstsieg begann mit einer Hausdurchsuchung der WKStA rund um die Ermittlungen um die Vorstandsbestellung des FPÖ-Manns Peter Sidlo bei den Casinos Austria. Schmid ist einer von einem guten Dutzend prominenter Beschuldigter. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.

Schmid soll auch für seine Schwester 2017 privat in einen Steuerakt geschaut haben. Abseits der strafrechtlichen Ermittlungen geben Schmids Chats auch ein Einblick, wie in Österreich wichtige Funktionen bestellt werden. Der Casinos-Generaldirektorin Bettina Glatz-Kremsner etwa schrieb er: "Du wirst dort CEO!" und setzte nach: "Das MUSS klappen".

»Kriegst eh alles, was du willst«

"Kriegst eh alles, was du willst"

Sich selbst hatte Schmid in der türkis-blauen Regierungszeit die ÖBAG zurechtgezimmert. Wie die öffentlich gewordenen Nachrichten mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dem damaligen Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) hervorgeht, wurde die Staatsholding, die ein Vermögen von über 26 Milliarden Euro verwaltet, nach Schmids Wünschen gestaltet. Kurz versicherte ihm: "Kriegst eh alles, was du willst." Blümel berichtete ihm: "Schmid AG fertig".

"Betriebsrat. Weg damit."

Im Juni 2021 waren neue Chats von Schmid bekannt geworden, deren Inhalt für heftige Kritik der Opposition sorgte. Laut den in mehreren Medien veröffentlichten Protokollen hatte Schmid mit einer Vertrauten unter anderem darüber diskutiert, in seiner neuen Funktion den Betriebsrat "abdrehen" zu wollen ("Und Betriebsrat. Weg damit."). "Das können wir nicht einfach so machen", soll ihm diese ausgerichtet haben, man müsse "auch andere Ideologien verstehen". Schmids Reaktion: "Andere Ideologien. Fu** that."

"Ab Kairo gibt es Schlauchboote"

Auch über Flüchtlinge wurde den Berichten nach "gescherzt": Nach der Buchung eines Fluges nach Addis Abeba soll seine Assistentin Schmid gefragt haben, ob er auch einen Rückflug brauche. Auf seine Frage, ob sie ihn dort lassen möchte, soll sie geantwortet haben: "Ab Kairo gibt es Schlauchboote." Nachdem sie Schmid dann etwas später die Buchung bestätigt hatte, soll er zurückgefragt haben: "Mit den Flüchtlingen? Smiley."

Medienscheu

Medien gegenüber zeigte sich sThomas Schmid stets auf das äußerste zurückhaltend. Er ging diesen aus dem Weg und schickte lieber einen Prokuristen vor, wenn es um Sachfragen ging. Auch in den Chats zeigt sich, dass es oft darum ging, eine Öffentlichkeit möglichst nicht stattfinden zu lassen.