Familie statt Partei

Korruption begleitet Österreich seit der Gründung der Republik. Doch der Boden, auf dem beide gedeihen, hat sich verändert. Spielten früher Parteien tragende Rollen, gewannen mit Jörg Haider Freundeskreise an Bedeutung. Bis heute

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Korruption in Österreich - Familie statt Partei

Ich werde niemals akzeptieren, dass Sie mir Korruption oder strafrechtlich relevante Handlungen vorwerfen." Sebastian Kurz steht am Rednerpult und spricht zum Bundesrat. Neben ihm sitzen "seine" Ministerinnen Klaudia Tanner und Elisabeth Köstinger. Beide nicken. Zustimmung. Das war am 30. März.

Eineinhalb Monate später, am 17. Mai, ein ähnliches Bild. Wieder steht Kurz am Rednerpult. Dieses Mal vor dem Nationalrat und TV-Kameras. Wieder sitzen Tanner und Köstinger (sie verspätet sich) auf der Regierungsbank. Wieder: Nicken. Der Kanzler richtet sich an die Opposition und sagt: "Es geht nur noch darum, andere zu diffamieren und zu vernichten."

Doch seit März hat sich viel getan. Kurz wird inzwischen als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren wegen Falschaussage geführt. Der Verfassungsgerichtshof zwang ihn und Finanzminister Gernot Blümel, den Ibiza-U-Ausschuss mit bisher vorenthaltenen Akten zu beliefern. Und: Die "ÖBAG-Chats", SMS-Korrespondenzen zwischen Kurz, Blümel und ÖBAG-Vorstand Thomas Schmid offenbarten mutmaßlichen Postenschacher und ein fragwürdiges Verhältnis zur Macht. Dennoch: tosender Applaus von den ÖVP-Abgeordneten. Überall sonst sind eiserne Mienen zu sehen. Auch beim Koalitionspartner, den Grünen.

Der Grund, warum der türkise Teil der Bundesregierung so empfindlich auf Vorwürfe reagiert, die mit Korruption zu tun haben, hat mit seinem Wahlversprechen zu tun. Schließlich war man 2017 und 2019 mit dem Vorsatz angetreten, in der Politik einen neuen Stil zu etablieren. Gehören dazu auch mutmaßliche Falschaussagen, Freunderlwirtschaft und das Verständnis, das Lenken der Republik sei eine Art Familiengeschäft? Der Satz "Du bist Familie", mit dem Blümel Schmid die Zugehörigkeit zum engsten Kreis versicherte, ist inzwischen öffentliches Unkulturgut. Hatten Vorgängerregierungen mehr oder weniger dunkle Flecken am Revers? Oder hat sich im Lauf der Jahre eigentlich nichts daran geändert, dass es sich die politischen Spitzenvertreter des Landes schon immer im Hinterzimmer richteten, nur eben - siehe oben - in einem anderen Stil?

Korruption - Wie sich die tragenden Säulen der politischen Vetternwirtschaft im Laufe der Zeit verändern, lesen Sie im News Nr. 20/21

Kommentare

Postenschacher und Freunderlwirtschaft, sowie Parteizwang um etwas zu erreichen gab es schon unter Kreisky und wird nie enden! Immer alle vor der eigenen Tür den Mist wegkehren!

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