Alles neu macht der Mai

Der Umbau der SPÖ beginnt. Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner wird so offen wie noch nie angezählt. Auch für die ÖVP wächst der Druck zu handeln.

von Politische Analyse - Alles neu macht der Mai © Bild: Privat

Analyse

Er gilt als Wunderkind, manche sprechen von einem "roten Kurz". Eine Karriere war vorprogrammiert. Leute, die ihm nahestehen, übertreiben gern, die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) habe ihm mehrfach zugeredet, wenn, dann in Wien politisch tätig zu werden, damit er ihr nicht gefährlich werden könne. Jetzt wird er Vorsitzender der niederösterreichischen SPÖ und wohl auch Mitglied von Mikl-Leitners Regierung. Die Rede ist von Sven Hergovich, der vom AMS kommt und, ganz Sozialdemokrat, wieder "die arbeitenden Menschen in den Vordergrund rücken" möchte.

Was er kann, muss er erst zeigen. Zunächst ist er ein Signal dafür, dass man in der SPÖ nach den Verlusten bei der Landtagswahl erkannt hat, dass es so nicht weitergehen kann: Türkise verlieren und Blaue gewinnen. Selbst bleibt man übrig. Das gilt mehr und mehr auch für die Bundesebene. Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner hat es nicht geschafft, eine Wendestimmung zu ihren Gunsten auszulösen. Sie hat Berater, die nicht in der Lage sind, große Strategien zu entwickeln, und tut sich selbst schwer, Botschaften, die überzeugen, unter die Leute zu bringen.

In der Partei geht die Sorge um, dass sie "noch heute" von sich aus hinschmeißen könnte. Immerhin sind mittlerweile auch Genossen von ihr abgerückt, auf die sie gesetzt hat. Ab Mai beziehungsweise nach den Landtagswahlen in Kärnten (Anfang März) und Salzburg (Ende April), die ungestört bleiben sollen, ist eine Neuaufstellung der Partei vorprogrammiert. Dann werde man personelle Entscheidungen treffen, so Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ).

Einfach wird das nicht. Maßgebend sind Vorstellungen des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig (SPÖ), der sich noch zurückhält. Der Burgenländer Hans Peter Doskozil bringt sich zwar als Spitzenkandidat ins Spiel. Er gilt vielen aber als unberechenbarer Einzelkämpfer. Im Übrigen kann er nach mehreren Operationen kaum länger reden.

Offen, was man überhaupt will

Zunächst müssen die Parteigranden aber ohnehin Grundsätzliches klären: Doskozil wäre auch ein Angebot an Wähler rechts der Mitte. Mit einem Typ Christian Kern dagegen würde man sich eher um Linke in den Städten bemühen. Was will man? Einen Tenor gibt es nicht.

Schwacher Trost für die SPÖ: Dass sie sich solchen Fragen annähert, sorgt in der ÖVP bereits für Nervosität. Dass Hergovich in St. Pölten den glücklosen Franz Schnabl ersetzt, könnte Debatten darüber befeuern, ob nicht auch Mikl-Leitner ausgetauscht gehört. Immerhin sind ihre Persönlichkeitswerte bescheiden, hat die Volkspartei fast zehn Prozentpunkte verloren. Und wenn die Roten im Bund mit einer neuen Vorsitzenden, einem neuen Vorsitzenden durchstarten sollten, hat man dort ebenfalls erhöhten Handlungsbedarf. Karl Nehammer hat die Volkspartei nur auf Platz drei stabilisiert. Das Kanzleramt wäre damit im Fall einer Nationalratswahl wohl verloren.

Zahl

Freiheitliche geboostert

Es erinnert an die Präsidentschaftswahlen 2016, die im Zeichen der Flüchtlingskrise standen: FPÖ-Kandidat Norbert Hofer, der es fast in die Hofburg brachte, räumte in ländlichen Regionen ab. Bei der niederösterreichischen Landtagswahl haben es seine Parteifreunde unter Führung von Udo Landbauer nun ebenfalls getan. In den westlichen Bezirken Melk, Gmünd, Zwettl, Amstetten und Scheibbs etwa legten sie um bis zu 14,5 Prozentpunkte zu. Das war weit mehr als landesweit (plus neuneinhalb). In Waidhofen an der Thaya erreichten sie den größten Stimmenanteil in einem Bezirk: 30,6 Prozent.

Dass die FPÖ in diesen Gegenden erfolgreicher ist als anderswo, mag verwundern: Der Anteil nicht österreichischer Staatsangehöriger ist meist sehr niedrig. Vielleicht ist es jedoch so: Wo keine Zuwanderer leben, bleibt Fremdes eher fremd und damit unter Umständen auch bedrohlich. Zweitens: In diesen Bezirken überwiegt zum Teil sogar Abwanderung. In Gmünd und Zwettl leben heute deutlich weniger Menschen als vor 20 Jahren. Technokraten sprechen von sterbenden Regionen.

Freiheitliche kommen hier mit einer Politik an, bei der es unterschwellig darum geht, dass alles schlechter wird. Und zwar wegen offener Grenzen oder der "Preisexplosion", die Landbauer im Wahlkampf ebenso gezielt angesprochen hat wie ein "korruptes ÖVP-System". Das stand dafür, dass Regierende nur in die eigenen Taschen wirtschaften und auf die Bevölkerung vergessen würden.

Außerdem: Besonders im Westen Niederösterreichs gibt es niedrige Corona-Impfraten, erfuhr die impfgegnerische Liste MFG vor einem Jahr großen Zuspruch. Bei der Gemeinderatswahl in Waidhofen an der Ybbs erreichte sie 17 Prozent. Das hat jetzt die FPÖ abgeholt – indem sie an das Thema erinnert und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) als "Mutter der Impfpflicht" bezeichnet hat.

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Bericht

Was Neos und Grüne bremst

Für ÖVP und SPÖ hätte es in Niederösterreich noch schlimmer kommen können. Ihr Glück im Unglück war, dass sie noch immer über eine recht treue Wählerschaft verfügen: Gut zwei Drittel haben ihnen wie schon vor fünf Jahren ihre Stimme gegeben. Bei den Freiheitlichen, die unterm Strich groß gewonnen haben, waren es auch nicht viel mehr.

Neos und Grüne können nur von einer solchen Stammwählerschaft träumen. Es ist nicht weit übertrieben, zu behaupten, dass sie bei jedem Urnengang von vorn beginnen und sich um eine neue Anhängerschaft bemühen müssen. Ein Scheitern ist dabei nicht ausgeschlossen: 2017 flogen die Grünen aus dem Nationalrat.

Bei der Wahl in Niederösterreich haben die Neos nun gerade einmal 46 Prozent ihrer Wähler aus dem Jahr 2018 halten können. Das zeigt eine Analyse, die das Sozialforschungsinstitut Sora für den ORF erstellt hat. Ein Fünftel ihrer Ex-Wähler hat sich in Richtung ÖVP, ein weiteres Fünftel in Richtung SPÖ und Grüne verabschiedet. Das sind Verluste, die die Kleinpartei erst wettmachen musste.

Gelungen ist den Neos mehr. Es ist jedoch ein Teil der Erklärung dafür, dass sie sich am Wahlabend mit einem Plus von eineinhalb Prozentpunkten auf 6,7 Prozent begnügen mussten und so ihr Wahlziel verfehlten, ein viertes Mandat zu erobern und Fraktionsstärke im Landtag zu erlangen.

Allein um sich halten zu können, müssen Neos, aber eben auch Grüne jedes Mal gut die Hälfte ihrer bisherigen Wähler durch neue ersetzen. Nicht zuletzt das macht ihnen zu schaffen.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at