Über Jahrzehnte steht ein Mann im Sold der Signa Holding, den intern so gut wie keiner kannte. Eine Recherche über diskrete Deals und geheime Verträge.
Es ist Ende Oktober 2023. Das Signa-Konstrukt liegt in Trümmern. Letzte Versuche, doch noch Geldgeber für Hochrisikoinvestments zu finden, sind zum Scheitern verurteilt. Jetzt werden die Geschäftsführer der Signa Holding, Marcus Mühlberger und Christoph Stadlhuber, aktiv. Mitarbeiter sollen abgebaut, Kündigungen müssen ausgesprochen werden. Also werden Mitarbeiterlisten durchforstet. Da taucht ein Name auf, den offenbar kein Signa-Mitarbeiter wirklich auf dem Schirm hatte.
Roland B. steht scheinbar seit über 20 Jahren im Sold der Signa Holding. Doch was genau war seine Aufgabe? Wo hielt er sich auf?
Als die Kündigungswelle im Herbst 2023 anrollt, gerät auch der Name Roland B. in den Fokus. Doch die Zustellung seiner Kündigung verläuft nicht wie vorgesehen. Am 3. November 2023 schreibt eine Mitarbeiterin an die beiden Geschäftsführer Mühlberger und Stadlhuber sowie den Chef-Controller der Signa: „Ich habe auf das Mail mit der Kündigung leider keine Lesebestätigung erhalten. Auch wurde er leider bei seiner Adresse nicht angetroffen bei der Übergabe der Kündigung.“ Bereits wenige Tage zuvor, am 30. Oktober 2023, hatte Roland B. die Kündigung offiziell erhalten – zumindest auf elektronischem Weg. Von Marcus Mühlberger, der als rechte Hand René Benkos gilt.
„Koste es was es wolle“
Doch Roland B. will die Kündigung nicht akzeptieren. Stattdessen wendet er sich laut Recherchen von News und Krone direkt an René Benko – einen Mann, der ihn offenbar besser kennt als jeder andere an der Signa-Spitze. Am Abend des 1. November 2023, kurz nach 21 Uhr, verfasst B. eine E-Mail an Benko. „Hallo René“, schreibt er. „Vorweg einmal gehe ich nach wie vor davon aus, dass die ganze Sache auf einem Irrtum beruht.“ Schnell werden seine Worte schärfer: „Trotzdem finde ich es eine Frechheit, wie du mit mir umgehst!“
B. erinnert Benko an gemeinsame Zeiten und eine offenbar lange gemeinsame Zusammenarbeit: „Ich war und bin immer loyal, habe immer sofort geliefert, wenn du etwas gebraucht hast und das war nicht wenig. Und da ging’s damals für dich um alles, vergiss das nicht! Auch habe ich dir immer, bis heute, den Rücken freigehalten. Speziell beim KK jun.!“ Dann fügt er hinzu: „Nächstes Jahr kennen wir uns 25 Jahre René. Und jetzt 2,5 Jahre bevor unsere Vereinbarungen auslaufen, wo es nur mehr um eine, speziell für dich, lächerlich geringe Summe geht, willst du einen Krieg mit mir beginnen? Wozu?“ Am Ende warnt er: „Daher kannst du dir sicher sein, sollte das Ganze eine geplante Aktion sein, von dem ich ja wie gesagt nach wie vor nicht ausgehe, werde ich mir das sicher nicht gefallen lassen! Koste es was es wolle!“
Und Benko? Er antwortet knapp: „Hallo Roland, ich melde mich verlässlich bei Dir spätestens bis morgen Freitag. Sorry für den Irrtum.“ Doch dieser vermeintliche Irrtum wird rasch von den Ereignissen überholt. Kurz darauf wird Roland B. im Zuge der Insolvenz der Signa Holding selbst zum Gläubiger des Unternehmens.
Doch wer ist dieser Roland B., der hinter den Kulissen offenbar mehr Bedeutung hatte, als vielen bewusst war? Recherchen von News und Krone zeigen erstmals, dass B. ein enger Vertrauensmann von René Benkos erstem großen Förderer war – dem Tankstellen-Erben Karl Kovarik. Damit erklärt sich auch das Kürzel „KK.jun.“ in seiner Nachricht an Benko, mit dem der Sohn von Kovarik gemeint sein dürfte.
Mit Goldkettchen über den Gardasee
Die Verbindung reicht bis in die frühen Tage der Signa-Gründung zurück. Damals, als der Tankstellen-Erbe Karl Kovarik mit Goldkettchen und der junge René Benko mit einem Speedboot über den Gardasee jagten und sich nach gemeinsamen nächtlichen Abenteuern bei Pasta stärkten. Dank Kovariks finanziellem Treibstoff nahm Benkos Geschäft erst richtig Fahrt auf. Mittendrin: Roland B. Er fungierte als eine Art Büroleiter des älteren Kovarik, koordinierte Termine, übermittelte Verträge und übernahm nach Kovariks Tod eine Schlüsselrolle bei der Abwicklung der Signa-Beteiligungen mit der Kovarik Stiftung. Denn laut vorliegenden vertraulichen Dokumenten soll Kovarik zahlreiche persönliche Bürgschaften und Haftungen für Signa-Kredite bei Banken unterzeichnet haben – eine für Benko überlebenswichtige Absicherung. Ohne Kovariks Kapital wäre damals wenig gelaufen.
Nach dem Erfolg mit dem Kaufhaus Tyrol wagte Benko den Sprung in den Wiener Immobilienmarkt. An seiner Seite: stets Roland B., der sich später besonders auch um den jungen Kovarik kümmerte. Die Verbindung zwischen Benko und B. war eng und vertraulich, was auch durch persönliche Nachrichten belegt wird, in denen etwa Gesundheitsprobleme des alten „Karli“ erwähnt und dringende Kontaktaufnahmen angeregt wurden. Recherchen in den letzten Monaten zeigen nun, dass es schließlich sogar zu einem geheimen Vertrag zwischen dem Kovarik-Erben Kovarik jun. und der Stiftung mit Benko beziehungsweise der Signa gekommen sein dürfte, in dem man auf gegenseitige Ansprüche verzichten sollte – zum damaligen Zeitpunkt womöglich ein sehr guter Deal für Benko.


Ordentliches Gehalt: Im Jahr 2013 sollte Roland B. stattliche monatliche Bezüge erhalten.
© NEWS MagazinAußendienstmitarbeiter
Und so kam es, dass der Signa-Mann Roland B., den nahezu niemand kannte, offiziell jahrelang als Außendienstmitarbeiter der Signa Holding geführt wurde. Zumindest legt dies eine Bestätigung nahe, die offenbar für den Steuerberater von Roland B. ausgestellt wurde. Darin heißt es: „Hiermit betätigen wir, dass Sie in unserem Geschäftsbereich Immobilien zu mind. 80 % im Außendienst tätig sind und dabei in direktem Kontakt zu unseren Kunden stehen. Diese Tätigkeit umfasst die Betreuung der Kunden in den Phasen der Geschäftsanbahnung und der Anbotstellung bis hin zu einem allfälligen Geschäftsabschluss.“
Die Privatdarlehen
Somit konnte Roland B. offenbar über Jahre hinweg sein monatliches Signa-Gehalt beziehen, ohne tatsächlich physische Präsenz zu zeigen. Doch die Verbindung zu René Benko ging noch deutlich tiefer, wie geheime Darlehensvereinbarungen belegen.


Demnach stellte Benko B. ab 2016 mehrere Tranchen eines Darlehens in Gesamthöhe von 700.000 Euro zur Verfügung – zu einem vergleichsweise geringen Zinssatz von nur einem Prozent jährlich. Erst mit einer Laufzeit bis 2026, die später auf unbestimmte Zeit verlängert wurde.
Besonders bemerkenswert ist eine Klausel in einem weiteren vertraulichen Vertrag: Im Fall von René Benkos Tod sollte der dann noch offene Darlehensbetrag, der erst am Ende der vertraglichen Laufzeit fällig sein soll, nicht mehr eingefordert, sondern als private Schenkung von Benko an B. behandelt werden. Ob diese geheime Absprache noch länger gilt?
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 32/25 erschienen.
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