Seit Jänner 2025 sitzt René Benko in Untersuchungshaft. Seitdem versucht er – bislang vergeblich – wieder freizukommen. Zuletzt wurde seine U-Haft mit Beschluss vom 26. Juni 2025 erneut verlängert. Die erste Anklage steht unmittelbar bevor. Ein Überblick in mehreren Akten
Fünf Monate Untersuchungshaft – und kein Ende in Sicht. Am 26. Juni 2025 betritt René Benko kurz vor 13:00 Uhr einen Verhandlungssaal des Landesgerichts für Strafsachen Wien. Es ist seine fünfte Haftprüfung. Der einstige Immobilien-Jongleur sitzt in der Justizanstalt Josefstadt ein. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft ihm schweren Betrug und Untreue vor. Die Ermittlungen ziehen sich über mehrere Stränge, der Verdacht: ein komplexes System aus mutmaßlicher Täuschung, Kapitalverschiebung – und Verantwortung, die Benko nicht getragen haben will. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Benko kämpft. Gegen die Vorwürfe, gegen die Staatsanwaltschaft, gegen die Dauer seiner U-Haft. Und gegen die Technik. „Ich kann mich nicht mit einem historischen iPad verteidigen“, sagt er im Gerichtssaal. „Um mich verteidigen zu können, muss ich mich anhand von E-Mails und sonstigen Dokumenten fundierter äußern können.“ Das Gerät sei ihm am Montag zurückgegeben worden, doch: „auf dem Stand von vor zwei Wochen.“ Die Verhandlung nimmt mittlerweile einen routinierten Verlauf. Nachdem Benko auf seine persönliche Situation hingewiesen hat – er spricht davon, drei kleine Kinder zu haben und sich intensiv mit den Vorwürfen auseinandersetzen zu wollen –, folgt dennoch die Entscheidung der Richterin: Die Untersuchungshaft wird erneut verlängert. Aus ihrer Sicht wiegen die Verdachtsmomente zu schwer, und die Gefahr weiterer Taten sei nach wie vor zu hoch.
Doch was wird René Benko konkret vorgeworfen? News gibt einen Überblick.
Akt I: Die Goldene Nautilus
Es ist der 25. Dezember 2021. In Lech am Arlberg, zwischen Weihnachtsgeschenken und Kaminfeuer im Luxus-Chalet, funkelt an René Benkos Handgelenk eine Uhr, die nicht nur Zeit anzeigt, sondern auch Reichtum, Status repräsentiert und später: das Interesse der Ermittler weckt. Die Patek Philippe Nautilus, in Gold, Modell für Kenner, Luxusobjekt für Millionen. Damals soll sie bereits verschenkt gewesen sein. An seine Söhne. Sechs und elf Jahre alt. Genau einen Tag zuvor, an Heiligabend.
Knapp vier Jahre später, im Jänner 2025, stößt die „Soko Signa“ bei einer Razzia in Tirol auf einen Familienschatz: Elf Armbanduhren, vier Paar Manschettenknöpfe, 120.000 Euro in bar. Alles fein säuberlich in einem Verwandten-Tresor deponiert – nicht etwa bei Benko selbst, wie News dazu ausführlich berichtet hat. Offiziell, so erklärt er es der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, seien die Preziosen Weihnachtsgeschenke für seine Kinder gewesen. So auch die goldene Nautilus. „Verschenkt“, nicht versteckt.


Bessere Zeiten. Im Urlaub auf der Luxus-Yacht trägt Benko laut Soko Ermittlern die goldene Nautilus der Marke Patek Philippe.
© Beigestellt„Schutzbehauptungen“
Doch die Ermittler hegen massive Zweifel an dieser Darstellung. Fotos sollen ihre Sicht belegen: Benko trug die Uhr einfach weiter – Sommer 2022 auf einem Boot, Sommer 2023, als sein Signa-Imperium bereits in massive Schieflage geriet. Immer wieder blitzt sie an seinem Handgelenk auf, wie ein vergoldeter Schatten einer scheinbaren Erfolgslaufbahn.
„Als reine Schutzbehauptungen einzustufen“, notiert die Soko in ihrem 147 Seiten umfassenden Abschlussbericht kurz und bündig. Die nächste Etappe: Eine Teilanklage wegen des Verdachts auf betrügerische Krida. Ein notwendiger Vorhabensbericht der Ermittler dazu soll in den zuständigen Instanzen geprüft und bereits genehmigt worden sein. Der erste Prozess in Sachen Benko steht somit ante portas.
Akt II: „Das Geldkarussell“
Es sollte ein letzter Kraftakt sein, eine Art Befreiungsschlag im Sommer 2023: 350 Millionen Euro sollten die Signa Holding noch retten – ein letzter Kapitalschub, orchestriert von jenen Gesellschaftern, die noch an das Imperium glauben wollten. Auch René Benko wollte sich als treibende Kraft präsentieren: 35,35 Millionen Euro ließ er über die Familie Benko Privatstiftung (FBPS) beisteuern – ein symbolträchtiges Commitment in schwieriger Zeit.
Doch schon im Frühjahr 2024 brachten News-Recherchen diese Erzählung ins Wanken. Demnach könnte es sich bei der angeblichen Eigenleistung der Benko-Stiftung um ein zirkulär durch Signa-Gesellschaften geschleustes Kapital gehandelt haben – auf Umwegen zur Stiftung zurückgeführt und dort als „frisches Eigenkapital“ deklariert und an die Signa Holding transferiert. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) spricht inzwischen von einem komplexen Finanzierungstrick – einem Geldkarussell in Millionenhöhe.
Schlüsselzeugen
Zentral in dieser Affäre neben René Benko: Karin Fuhrmann, jahrelange Steuerberaterin der Signa und Vertraute Benkos. Sie saß im Stiftungsvorstand der Familie Benko Privatstiftung – und wurde im März 2025 dazu als Beschuldigte einvernommen. Die langjährige Vertrauensbeziehung ist seither zerschlagen. Fuhrmann wird mit der Aussage eines Schlüsselzeugen, dem einstigen Chef-Controller konfrontiert, der über Benko zu Protokoll gab: „René Benko hatte den ganz klaren Informationsvorteil. Er hat den Stiftungsvorständen während der Stiftungssitzungen auch ganz klar gesagt, was zu tun ist. Davor und danach war das auch so.“
Und seine Ex-Vertraute Fuhrmann bestätigte vor den Beamten: „Wie ich in meiner Stellungnahme vom 26.03.2025 festgehalten habe, war es so, dass Entscheidungen mit Blick auf die FBPS ausschließlich durch René Benko getroffen wurden und dieser auch für die FBPS auftrat.“
Zur konkreten Kapitalerhöhung im Juni 2023 schilderte Fuhrmann, sie habe sich früh bei Benko rückversichert: „Ich habe zum Hörer gegriffen und René Benko angerufen und ihn nach der Finanzierung gefragt und […] er sagte zu mir wortwörtlich: ‚Mach dir keine Sorgen. Das Geld wird bereitstehen‘.“
Dass die Stiftung dieses Geld selbst gar nicht hatte, war Fuhrmann offenbar bewusst: „Da habe ich ihn (Anm. Benko) auch aufmerksam gemacht, dass die FBPS das Geld selber nicht hat.“ Tatsächlich, so die Ermittler, kam es zu einer „Kaskade von Transaktionen“ – Geldflüsse durch mehrere Signa-Gesellschaften, die schlussendlich im Kapitaltopf der Signa Holding landen sollten.
Bemerkenswert ist auch Fuhrmanns Einlassung vor den Soko-Ermittlern zur Zahlungsfreigabe: „Ich konnte mich anfänglich gar nicht mehr erinnern […], ich bin dann ins CP-Web (Anm.: Signa-Buchhaltungstool) eingestiegen und habe die Zahlung freigegeben. Ich habe keine Rücksprache mit A. (Anm.: Signa-Chef-Controller) gehalten, weil ich ja die Rahmenvereinbarung kannte und für mich klar war, dass das unser Beitrag an der Kapitalerhöhung war.“
Vertragswerke
Später sollte noch ein weiterer Darlehensvertrag dazukommen. Fuhrmann: „In Rahmen dieser Vorbesprechung hat A. gesagt, dass die Dokumentation der Verträge, nämlich des Darlehensvertrags und des Stiftungsvorstandsbeschlusses, noch fehlen. In diesem Rahmen wurde eröffnet, dass die tatsächliche Darlehensgeberin die Laura Finance Holding GmbH sei.“
Zuvor war noch die Signa Development Selection als Geldgeberin genannt worden. Dass gleich zwei unterschiedliche Kreditverhältnisse aufgesetzt werden sollten, erklärte Fuhrmann so: „V. (Anm.: Rechtsanwalt der Stiftung) hat erklärt, dass die Kreditgewährung durch die SDS Beteiligung GmbH aus Kapitalerhaltungsgründen aus seiner Sicht juristisch nicht vertretbar sei [...]. Ich habe ihm geglaubt.“


Geldkarussell. Über mehrere Gesellschaften der Signa- und Laura-Gruppe wurden viele Millionen Euro im Kreis transferiert.
© BeigestelltBenkos Zweifel
René Benko selbst lässt die Aussagen Fuhrmanns nicht unwidersprochen. Er sieht sie als in keiner Weise nachvollziehbar an. In einer ausführlichen Stellungnahme seiner Anwälte vom 25. Juni 2025 stellt er klar, dass Fuhrmann nicht nur über alle Abläufe im Bilde war, sondern zentrale Dokumente selbst unterschrieben habe – etwa den Forderungseinlagevertrag über 195 Millionen Euro. In ihrer Funktion als Stiftungsvorständin.
Benko zweifelt darüber hinaus Fuhrmanns Erinnerungslücken: „Dass Mag. Karin Fuhrmann vor diesem Hintergrund den besagten Kreditvertrag als ein ,Schlüsseldokument‘ im gegenständlichen Ermittlungsverfahren jemals ,überhaupt vergessen‘ hat, ist nur schwer nachzuvollziehen.“
Die einst enge Verbindung – sie ist mittlerweile ein rechtlicher Schlagabtausch geworden. Auf der einen Seite eine zentrale Figur der Signa-Struktur, die ihre eigene Rolle kleinredet. Auf der anderen ein angeblicher Ex-Milliardär, der seinen damaligen Einfluss in überschaubaren Grenzen gesehen haben will. Für beide gilt die Unschuldsvermutung.


Enge Beraterin. Die Steuerexpertin Karin Fuhrmann stand mehr als ein Jahrzehnt an Benkos Seite. Diese Zeiten sind vorbei.
© Trend/Wolfgang WolakAkt III: „Villa Eden“
Die INGBE-Stiftung – benannt nach René Benkos Mutter Ingeborg – war nicht nur ein Speicher für Gold und Bargeld im verschwiegenen Fürstentum Liechtenstein. Sie ist mittlerweile auch im Fokus der Kriminalisten. So soll die liechtensteinische Stiftung im August 2023 sechs Luxusvillen am Gardasee aus dem Signa-Portfolio übernommen haben, konkret das Signa-Projekt „Villa Eden Gardone“. Im August 2023 spitzte sich die finanzielle Krise der Signa-Gruppe dramatisch zu. Am 17. August erhielt René Benko eine vernichtende Nachricht: Ein geplanter 400-Millionen-Euro-Deal mit einem koreanischen Investor platzte. Seine Reaktion gegenüber Finanzchef Manuel Pirolt war knapp, aber deutlich – ein einziges Wort: „FUCK“.
Brisante Transaktionen
Am darauffolgenden Tag, dem 18. August, folgten hochbrisante Transaktionen, die mittlerweile Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen sind. Die INGBE-Stiftung verkaufte ihre 578.905 Aktien der Signa Prime Selection AG an die Signa Holding GmbH – zu einem Preis von rund 80 Euro pro Aktie. Insgesamt floss dabei ein Betrag von 46.323.978,10 Euro. Bemerkenswert: Noch Ende 2021 war dieses Aktienpaket mit über 36 Millionen Euro bewertet worden. Der Verkauf fand zu einem Zeitpunkt statt, als sich die Signa Holding bereits in einer massiven finanziellen Schieflage befand. Die Benko-Stiftung erzielte dennoch einen beachtlichen Gewinn. Auf dem Papier.


Villen-Deal. Das hoch über dem Gardasee gelegene Luxus-Resort wurde noch im Sommer 2023 in eine Liechtensteiner Benko-Stiftung verschoben.
© BeigestelltDoch damit nicht genug. Ebenfalls am 18. August erwarb die INGBE-Stiftung von der Signa Holding deren Anteile an der luxuriösen Villa Eden am Gardasee – eine Immobilie, die einer luxemburgischen Tochtergesellschaft gehörte. Auch hier belief sich der Kaufpreis auf exakt 46.323.978,10 Euro. Der Vertrag sah vor, dass der Betrag mit offenen Forderungen verrechnet werden könne. Die Folge: Die Stiftung in Liechtenstein im Einflussbereich von René Benko sicherte sich somit wertvolle Luxusimmobilien, während sie gleichzeitig ihre Signa-Prime-Aktien an die bereits in Not befindliche Signa Holding übertrug.
Gericht: „Nicht plausibel“
Die Haftrichterin kommt in ihrem Beschluss zu einem klaren Befund: „Sohin besteht der dringende Verdacht, dass durch die Transaktion eine künstliche und wirtschaftlich nicht plausible Aufrechnungslage geschaffen wurde, wodurch die INGBE Stiftung […] ihr stark an Wert verlierendes Aktienpaket […] gegen die demgegenüber erheblich werthaltigere Beteiligung an einer Gesellschaft, die luxuriöse Immobilien hält, tauschte.“
Dabei wirft das Gericht auch einen kritischen Blick auf die Rolle Benkos: „Bemerkenswert ist insbesondere, dass eine Person, der bei den involvierten Vertragsparteien formal überhaupt keine Entscheidungsträgerfunktion zukommt, die Entscheidung über die wesentlichen Parameter treffen soll.“
Ein weiteres Indiz für Benkos Einfluss sind Wortprotokolle seiner Gespräche mit einem Schweizer Investor, einem späteren Käufer der Eden-Villen. Als dieser Benko wegen der Preisuntergrenze beim Verkauf einer der Villen kontaktiert, antwortet Benko zunächst, „er kriege“, um sich sofort zu korrigieren, dass „die Stiftung 50 Prozent der Miete bekomme.“ Und als er auf die Preisfrage angesprochen wird, sagt er, er müsse „erst einmal den Stiftungsvorstand fragen“ – und lacht dabei, wie es im Gerichtsbeschluss heißt, „äußerst höhnisch“.
Akt IV: „Benko war es nicht allein“
In geselligen Runden im einstigen Benko-Quartier hört man sie immer wieder: die vertraute Erzählung vom visionären Unternehmer – risikobereit, überambitioniert und am Ende gescheitert. Die Geschichte von Signa scheint sich auf diese einfache Formel herunterbrechen zu lassen. Doch diese Perspektive greift zu kurz und verzerrt das Bild. Ein Konzern von der Größenordnung Signas, mit Milliardenprojekten, internationalen Beteiligungen und einem undurchsichtigen Geflecht aus Stiftungen und Hunderten Gesellschaften, entsteht nicht durch das Wirken eines Einzelnen – und wird auch nicht allein von ihm in den Abgrund geführt.
Was sie einte: Sie alle verdienten Millionen – gemeinsam mit ihm
Hinter Benkos neureicher Fassade arbeitete ein hochprofessionelles Netzwerk aus Beratern: Steuerexperten, die Konstruktionen entwickelten, um Vermögen zu verschieben und ein konsistentes Gesamtbild in den Bilanzen zu vermeiden. Wirtschaftsprüfer, die das Zahlenwerk routiniert mit ihrem Siegel versahen. Und Anwälte, die zu jeder Tages- und Nachtzeit mit elegant formulierten Vertragswerken bereitstanden. Was sie einte: Sie alle verdienten Millionen – gemeinsam mit ihm.
Dieses Umfeld war kein Randphänomen im Benko-System, sondern ein tragendes Fundament. Es hielt zusammen, was längst instabil war. Dass dieser Teil bis heute kaum im Fokus steht, ist bemerkenswert. Vielleicht, weil viele der Beteiligten lieber im Schatten bleiben. Doch wer verstehen will, wie das Signa-System entstehen – und so lange überleben – konnte, muss den Blick über die Figur Benko hinaus weiten.
Auf einem Bauzaun vor einer verfallenen Signa-Baustelle in München steht: „Benko war es nicht allein.“
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 28+29/25 erschienen.
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