Stefan Prochaska
©Wolfgang Wolak / VGN Medien Holding / picturedesk.comDer Wiener Rechtsanwalt Stefan Prochaska pflegt enge Kontakte zu ausgewählten Journalisten – und bewegt sich in einem Umfeld, in dem auch ein Ex-Geheimagent und eine estnische Sicherheitsfirma auftauchen.
Sein Name taucht in der jüngsten Berichterstattung über René Benko kaum auf – und doch spielt er seit Jahren eine diskrete, aber offenbar immer noch einflussreiche Rolle im inneren Beraterkreis des gefallenen Immobilienjongleurs. Stefan Prochaska ist der Mann fürs Grobe. Wenn es kurz vor Prozessbeginn gilt, einen seltsamen Brief an den Insolvenzverwalter von Benkos persönlicher Pleite zu schicken, dann ist Prochaska zur Stelle.
Eine mehrseitige Strafanzeige gegen den Schlüsselzeugen Arthur A., den ehemaligen Chef-Controller im Signa-Reich, wenige Tage vor dessen Aussage? Ebenfalls Prochaska. Die Verbindung zwischen Anwalt und Mandant ist also alles andere als zerrissen – auch wenn selbst im einst engsten Umfeld bereits Zweifel an Prochaskas Methoden laut zu werden schienen.
„Forensik-Sache“
Rückblick. 8. August 2023. Die Signa Holding steht zu diesem Zeitpunkt längst am Abgrund. Das Geld ist versiegt, die Panik greifbar. Intern jagt eine Krisensitzung die nächste, während die Manager versuchen, immer neue Löcher zu stopfen.
Mitten in dieser finanziellen Implosion greift der Geschäftsführer der Signa Holding zur Tastatur. Die Mail von Marcus Mühlberger, einem Mann, der gerne etwas blaublütig wäre, geht an René Benko persönlich. Die Botschaft erreicht jedoch auch den Chef-Controller.
Der Ton: gereizt. Es geht um die sogenannten forensischen Leistungen von Anwalt Stefan Prochaska – und um die Frage, wofür die Signa Holding hier zahlen sollte. Mühlberger schreibt: „Hallo Arthur – siehe bitte unten. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich bei den Prochaska-Rechnungen einen Hals kriege. Die ganze Forensik-Sache – nicht von der Versicherung umfasst – beläuft sich bisher auf rund EUR 800.000. […]
René, darf ich da in deinem Namen nachforschen? Gerade bei der Forensik stoße ich auf Schweigen. Niemand will oder kann mir Auskunft geben – alles streng geheim. Wenn du aber Bescheid weißt und der Aufwand für dich angemessen ist, gib mir bitte kurz Bescheid – dann reg ich mich gleich wieder ab.“
Die Mail liest sich wie ein Blick durchs Schlüsselloch in den innersten Zirkel der Signa-Krise – und sie wirft Fragen auf: Warum waren die „forensischen Leistungen“ so teuer? Und was haben diese „forensischen Leistungen“ eigentlich beinhaltet?
Ominöse Leistungen
Doch Mühlbergers Unmut wächst weiter. Was zunächst wie ein Routineauftrag klang, entwickelt sich für den Signa-Manager scheinbar zum Fass ohne Boden. Rechnungen türmen sich, Antworten bleiben aus.
Wenige Wochen später, am 30. August 2023, greift er erneut zur Tastatur. Offenbar hat er bis dahin noch immer keine klare Vorstellung, worum es bei den ominösen forensischen Leistungen eigentlich geht. Diesmal schreibt er an eine größere Runde von Signa-Mitarbeitern. Der Betreff: schlicht „Forensik“:
„Gents – ist jemand von euch in Kontakt mit Stefan Prochaska in Bezug auf dieses Projekt? Bisher sind Kosten in Höhe von fast einer Million Euro aufgelaufen, und ich glaube nicht, dass wir wissen, wofür. Ich werde das Projekt nach Rücksprache vorerst stoppen.“
Nur wenige Stunden zuvor, gegen halb drei Uhr früh, hatte Mühlberger bereits selbst zum Handy gegriffen – diesmal direkt an Anwalt Stefan Prochaska. Der Ton ist zwar höflich, aber die Botschaft unmissverständlich: „Lieber Stefan – wir haben gerade erfahren, dass du bis Mitte September auf Urlaub bist. Planen wir also ein Treffen danach. Zum Thema Forensik: Ich bitte um einen Zwischenbericht zum 31.08.2023 und bis dahin bitte keine weiteren Aktivitäten mehr. Wir müssen erst gemeinsam erwägen, ob es sinnvoll ist, weiter Zeit und Geld zu investieren.“
Fremdleistungen
Dann wird es still. Wochenlang geschieht scheinbar nichts – und auch Rechnungen werden keine mehr bezahlt. Erst am 11. Oktober 2023 meldet sich Prochaska wieder, diesmal über seine Assistentin. Die Nachfrage bei Mühlberger enthält einen bemerkenswerten Hinweis:
„Bitte um Bekanntgabe, wann die offenen Forensik-Honorarnoten (siehe OP-Ausdruck) beglichen werden. 90 % der verrechneten Beträge entfallen auf Fremdleistungen. Die Subunternehmer sind bereits ungehalten.“ Ein Satz, der mehr verrät, als er wahrscheinlich sollte – und erstmals einen Einblick gewährt, dass weitere, externe Akteure offenbar in Prochaskas Forensik-Projekt eingebunden waren.
Doch die Fragen bleiben – und Mühlberger lässt das Thema nicht los. Knapp einen Monat später schreibt er erneut an eine Mitarbeiterin von Prochaska:
„Ich muss nochmals nachfassen. Wir wurden von unseren Beratern aufgefordert, alle Leistungsverzeichnisse zu den betreffenden Rechnungen einzuholen – vor allem auch sämtliche Details zu den Barauslagen. Diese müssen jeder Rechnung beiliegen, wenn es sich um eine Weiterverrechnung handelt. Da ich mir vorstellen kann, dass diese Unterlagen umfangreich sind, lassen wir sie gerne abholen.“
Offenbar will Mühlberger endlich wissen, wofür genau Hunderttausende Euro geflossen sind.
Spuren nach Estland
News und Krone liegen vertrauliche Abrechnungen der Kanzlei Stefan Prochaska vor. Sie geben nicht nur Einblick in das journalistische Kontaktnetzwerk des bekannten Wiener Wirtschaftsanwalts, sondern zeigen erstmals, dass offenbar neben dem israelischen Ex-Agenten, der auf den früheren Benko-Vertrauten Dieter Berninghaus angesetzt war, eine weitere Sicherheitsfirma in das Geschehen eingebunden war.
Auf einer der Honorarnoten an die Signa Holding taucht in der Leistungsübersicht der Name eines Mitarbeiters der Firma „Seitenberg“ auf – eines Sicherheitsunternehmens mit Standorten in Tallinn, Tiflis und Wien-Favoriten. Die Spur führt also direkt zurück nach Österreich.


Fragwürdige Fremdleistungen: Auf mehreren Rechnungen des Wiener Anwalts an die Signa Holding finden sich hohe fünfstellige Barauslagen.
© NEWS MagazinZielpersonen
Der „Managing Partner“ des Unternehmens, Kyrill L., ist seit Jahren auch gesellschaftsrechtlich mit Stefan Prochaska verbunden und offenbar selbst im Bereich „Private Security“ aktiv. In den Abrechnungen finden sich zudem zahlreiche Einträge unter dem Kürzel „SB“ – vermerkt sind Telefonate, Meetings und Abstimmungen, teils auch mit Benko persönlich.
Offenbar wurden über die hohen Barauslagen Leistungen der Sicherheitsfirma über Prochaskas Kanzlei an die Signa Holding weiterverrechnet. Ein diskretes Netzwerk mit scheinbar nur einem Ziel: Schwachstellen im Benko-System aufzuspüren – und jene Personen auszuleuchten, die sich zu intensiv mit der Signa-Gruppe beschäftigen. Auch Journalisten.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 44/2025 erschienen.







