News Logo
ABO

René Benko: Der Angeklagte

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
13 min
Artikelbild

Benkos Anwalt. Norbert Wess verteidigt den gefallenen Immobilienjongleur in den kommenden Prozessen.

©GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Am 14. Oktober 2025 beginnt der erste Prozess. Damit fällt der Startschuss für eine ganze Serie künftiger Verfahren gegen den gestürzten Immobilienjongleur René Benko. News gibt den Überblick.

Der Dienstag, der René Benko bevorsteht, ist nicht vergleichbar mit jenen, die er in den vergangenen Monaten hinter den hohen Mauern zubrachte. Die Tage, an denen er sich Seite an Seite mit seinem Anwalt durch Aktenberge kämpfte, sind vorbei. Bereits eine Woche zuvor gingen für ihn In der Wickenburggasse im 8. Wiener Bezirk die schweren Eisentore der Justizanstalt auf. Ein blauer Gefängnisbus rollte heraus. Er brachte Benko gen Westen, in die alte Heimat – doch nicht über die gewohnte Route. Über dem deutschen Eck liegt die unsichtbare Gefahr des Europäischen Haftbefehls, ein Schwert, das an der Grenze niederfahren könnte.

Also wich der Konvoi aus, schlug den Schleichweg durchs Pinzgau ein, vorbei an dunklen Hängen und engen Tälern, hinein in eine Landschaft, die selbst wie eine Kulisse des Schicksals auf ihn wirken musste. Am Ende dieser Fahrt wartete Innsbruck. Dort öffnet sich das Tor zu einem neuen Kapitel: Unter grellem Kameralicht, bedrängt vom Ansturm der Medien, tritt René Benko zum ersten Mal in den Gerichtssaal – nicht mehr als der Strippenzieher im Hintergrund, sondern als Angeklagter, gezwungen, sich für mutmaßlich kriminelles Handeln zu verantworten. Ein Auftakt, der den Beginn einer ganzen Prozess-Serie markieren dürfte – und den Sturz des einstigen Immobilien-Jongleurs endgültig besiegeln könnte. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Ziegelstadel

Die Nächte vor dem Prozess verbringt René Benko im ‚Ziegelstadel‘, wie die Innsbrucker ihre Justizanstalt nennen. Hinter den grauen Mauern wartet er auf den Morgen – und teilt sich das Dach mit einem weiteren prominenten Insassen: Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Am Dienstagmorgen wird René Benko von dort in die Innsbrucker Maximilianstraße gebracht.

Vor dem dortigen Landesgericht ist bereits alles vorbereitet: Absperrgitter, Kamerateams, ein dichtes Polizeiaufgebot. Ziel ist kein altehrwürdiger Bau, sondern ein grauer Klotz aus den 1970er-Jahren – das Landesgericht Innsbruck. Dort, in dieser eher nüchternen Kulisse, wird Benko erstmals vor einem Schöffengericht stehen.

Die erste Anklage

Im ersten Akt der Causa Signa richtet sich der Blick auf die Insolvenz René Benkos als Einzelunternehmer. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft ihm vor, Gläubiger bewusst um ihre Ansprüche gebracht zu haben, indem er Vermögenswerte zur Seite schaffte, während die Pleite bereits unausweichlich war.

Zwei Vorgänge stehen dabei im Zentrum: Zum einen eine Miet- und Betriebskostenvorauszahlung von rund 360.000 Euro für die „alte“ Villa der Benkos hoch oben auf der Innsbrucker Hungerburg – ein Schritt, den die Anklage als weder wirtschaftlich noch sachlich vertretbar bezeichnet. Zum anderen eine Schenkung über 300.000 Euro an seine Mutter. Deklariert als „Rückführung Darlehen“. Beide Transaktionen erfolgten in einer Phase, in der sich die finanziellen Schwierigkeiten längst abzeichneten und der Konkurs laut Experten nur noch eine Frage der Zeit gewesen sein dürfte. Zusammengerechnet ergibt sich laut Anklageschrift so ein Schaden von etwa 660.000 Euro. Der Strafrahmen dafür ist nicht ohne: ein bis zehn Jahre.

Blurred image background
Download von www.picturedesk.com am 30.06.2025 (12:09).  25 January 2020, Austria, Kitzbühel: The businessman Rene Benko and his wife Natalie come to the Kitz Race Party 2020, which took place on the evening of the men's downhill race on the Streif at the Kitz Race Club. Photo: Felix Hörhager/dpa - 20200125_PD15509 - Rechteinfo: Rights Managed (RM)

Ehefrau. In das Immobilien-Portfolio seiner Frau Nathalie Benko wurden viele Millionen über die Stiftung investiert.

 © Felix Hörhager / dpa / picturedesk.com

Und doch ist dies nur ein Teil am Rande des großen Signa-Komplexes, in dem sich das Schicksal des einstigen Immobilienjongleurs nun erstmals vor Gericht entscheidet. Eine weitere rechtskräftige Anklage dürfte bereits unmittelbar bevorstehen – diesmal gegen René Benko und seine Frau. Aufgrund der Einsprüche der beiden wird sie jedoch an anderen Tagen verhandelt werden, sollte das Oberlandesgericht der Staatsanwaltschaft folgen und die Anklage zulassen.

Die Chef-Ankläger

Für die Causa Signa – und damit auch für René Benko – ist die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zuständig. Seit Anfang 2024 ermittelt diese gemeinsam mit der eigens eingerichteten Sonderkommission ‚Soko Signa‘. Der Beginn verlief einigermaßen zäh: Die schiere Dimension des Falls lähmte zunächst die Arbeit, und vor allem die lange Spanne zwischen dem Zusammenbruch der wichtigsten Signa-Gesellschaften und der ersten Hausdurchsuchung sorgte in Ermittlerkreisen für Unmut. Mehr als ein halbes Jahr verging, ehe Ende Juni 2024 die lang erwartete Razzia stattfand. Handys, Datenträger und private Räumlichkeiten wurden durchsucht, umfangreiches Material gesichert.

Blurred image background
Download von www.picturedesk.com am 04.07.2025 (10:54).  *** SERVICEBILD *** ABD0015_20240625 - IGLS - ÖSTERREICH: ZU APA0114 VOM 25.6.2024 - In der Villa von René Benko im Innsbrucker Stadtteil Igls ist es heut zu einer Hausdurchsuchung gekommen. Im Bild: Beamte bei der Durchsuchung am Dienstag, 25. Juni 2024 in Igls. - FOTO: APA/MARKUS ANGERER - 20240625_PD1810 - Rechteinfo: Servicebild (SB) Bei diesem Bild ist PictureDesk ausschließlich technischer Dienstleister und stellt eine technische Bearbeitungsgebühr in Rechnung. PictureDesk ist weder Urheber noch Rechteinhaber. Die Nutzung liegt in alleiniger Verantwortung des Kunden. Nur für redaktionelle Nutzung!

60-Millionen-Villa. Bis zur Festnahme im Jänner 2025 bewohnte Benko diese Villa in Innsbruck Igls.

 © MARKUS ANGERER / APA / picturedesk.com

Währenddessen pflegte Benko im Sommer 2024 weiter seinen gewohnten Lebensstil. Österreichs prominentester Pleitier residierte damals weiter in der 60-Millionen-Villa in Innsbruck Igls, deren Monatsmiete von 238.500 Euro seine Mutter Ingeborg übernahm, und nutzte zusätzlich die Villa Ansaldi in Sirmione am Gardasee, im Eigentum einer diskreten Liechtensteiner Stiftung im Einflussbereich Benkos.

Dort wurde er im August mit Bodyguards und Bediensteten gesichtet – und schipperte obendrein persönlich am Steuer seines blauen Malibu-Sportboots über den Gardasee, als hätte es die Milliardenpleiten nie gegeben. Zu einem Zeitpunkt, als das Sportboot bereits vom Masseverwalter für die Gläubiger einkassiert und zur Versteigerung freigegeben war.

Monate später

Es verging erneut ein gutes halbes Jahr, ehe die Staatsanwälte dem bunten Treiben ein Ende setzten. Ende Jänner 2025 standen die Beamten schließlich vor Benkos Innsbrucker Büro und nahmen ihn fest. Die Entscheidung fiel offenbar nicht zuletzt deshalb, weil auch im nahen Ausland die Ermittlungen Fahrt aufgenommen hatten: In Deutschland wie in Italien arbeiteten Behörden längst auf Hochtouren. Die Mafia-Staatsanwälte in Italien stellten sogar einen Europäischen Haftbefehl aus – der in Österreich allerdings nicht vollstreckt werden sollte.

Blurred image background
Download von www.picturedesk.com am 10.06.2025 (10:05).  ABD0105_20190323 - ABU DHABI - VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE VAE: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der Tiroler Investor Rene Benko am Samstag, 23. März 2019, anl. einer Aufführung der Spanischen Hofreitschule in Abu Dhabi. - FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER - 20190322_PD15124 - Rechteinfo: Rights Managed (RM)

Enger Berater. Gemeinsam mit dem ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz bereiste René Benko den arabischen Raum auf Investorensuche.

 © Bild: HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

Kapazitätsproblem

In der Causa Signa wird in zahlreichen Strängen ermittelt – vom millionenschweren Geldkarussell bis hin zu Vermögensverschiebungen kurz vor dem Zusammenbruch des Konzerns. Und doch war es ein vermeintlich überschaubarer Sachverhalt, ein Schaden von gut 600.000 Euro, der als erster zur Anklage gebracht wurde.

Die großen, mutmaßlich ebenso strafrechtlich relevanten Taten, brauchen Zeit: Gutachten müssen beauftragt, ausgewertet und eingearbeitet werden, Zeugen vernommen, Datenberge durchsucht. Ob es sich dabei um ein Kapazitäts- oder ein Kompetenzproblem seitens der Ermittlungsbehörden handelt, ist eine Frage, die sich mit Blick auf die ersten Prozesse zunehmend stellt.

Hypo lässt grüßen

Ein gewisser Zeitdruck jedenfalls entstand durch die Untersuchungshaft. Ein dringender Tatverdacht und weiter bestehende Tatbegehungsgefahr wurden in mehreren Haftverhandlungen von der zuständigen Richterin bestätigt. Und doch weckt das Vorgehen auch Erinnerungen an vergangene Kriminalfälle wie die Hypo-Alpe-Adria-Affäre: Dort verfolgten die Staatsanwälte nicht etwa die Spur der verschwundenen Hunderten Millionen im In- und Ausland, sondern konzentrierten sich auf ein rasch anklagbares Delikt – die Untreue.

Es „reichte“ dem damaligen Staatsanwälte-Team in Klagenfurt, die mangelhafte Besicherung eines Bankkredits zu verfolgen. Am Ende stand als erste Verurteilung ein vermeintlich kleiner Fall – ein Kredit über zwei Millionen Euro in der Causa Styrian Spirit. Die verschwundenen Gelder aber wurden nicht gesucht, weil sie für den Schuldspruch nicht nötig waren. Den Geldempfängern dürfte diese Vorgehensweise nicht ganz unrecht gewesen sein.

Andere Länder zeigen, dass es auch anders geht. Die Staatsanwaltschaft München etwa bewies im Eurofighter-Komplex, dass es einen deutlich stärkeren Abschreckungseffekt hat, wenn konsequent die Spur des Geldes verfolgt wird – auch wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht eins zu eins vergleichbar sind.

Der Anwalt

Im Gerichtssaal wird René Benko nicht alleinstehen. Eng an seiner Seite: Norbert Wess. Der bekannte Strafrechtsexperte, seit Kurzem auch Honorarprofessor, zählt zu den gefragtesten Verteidigern des Landes, spezialisiert auf Wirt­schafts- und Korruptionsstrafrecht. Zu seinen Klienten zählen zentrale Figuren großer Wirtschaftsaffären – darunter Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser oder der frühere Commerzialbank-Chef Martin Pucher.

Wess versteht es nicht nur, Aktenberge zu durchdringen, sondern auch die Bühne der medialen Öffentlichkeit mit feinem Gespür zu bespielen. Näher kennengelernt haben sich Anwalt und Mandant im Umfeld des Chorherr-Prozesses, und schon im Sommer 2023 begann Wess, eine Verteidigungslinie für Benko zu entwerfen – damals noch im Zusammenhang mit den Aussagen von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid.

Blurred image background

Benkos Anwalt. Norbert Wess verteidigt den gefallenen Immobilienjongleur in den kommenden Prozessen.

 © GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

In den Monaten danach verbrachten Benko und Wess ungezählte Stunden in der Justizanstalt. Hinter Mauern und Gittern wurde an einer Verteidigungsstrategie geschmiedet, Schriftsätze verfasst, Enthaftungsanträge und Eingaben in Serie ausformuliert. Doch das Gericht blieb davon bisher unbeeindruckt – die Untersuchungshaft wurde immer wieder bestätigt.

Da René Benko selbst im Privatkonkurs steht, wird das Honorar für seinen Starverteidiger wohl von dritter Seite getragen. Zugleich heißt es, Wess habe mittlerweile das Mandat seiner Kanzlei für die Benko zugerechnete Laura Privatstiftung wieder abgetreten.

Die Zeugen

Die Zeugenliste ist auf den ersten Blick schmal, und doch birgt sie einiges an Brisanz: Laut Anklageschrift soll lediglich eine Handvoll geladen werden – dafür Namen mit enormer Tragweite. Neben Mutter und Schwester des Angeklagten wurden auch Schlüsselfiguren aus dem innersten Zirkel des Benko-Imperiums geladen. Allen voran Arthur A., der Mann über den Geldströmen, Herr der Zahlungsflüsse in der offiziellen Signa-Sphäre wie auch in den Schattenstrukturen.

Ebenso aufgerufen ist der ehemalige Finanzchef der Signa Prime und frühere Vorstand der Benko-Stiftung ‚Laura Privatstiftung‘, Manuel Pirolt. Und Marcus Mühlberger, bekannt als der Mann der vielen Unterschriften – ein Akteur, dessen Kürzel in zahllosen Dokumenten den Aufstieg wie den Fall des Immobilienreichs mitgeschrieben hat. Nun müssen sie vor dem Schöffengericht Rede und Antwort stehen. Als Zeugen unter Wahrheitspflicht.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 41/2025 erschienen.

Causa René Benko

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 20,63€
Ähnliche Artikel
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER