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Klaus-Michael Kühne: Wie der reichste Deutsche in die Fänge René Benkos geriet

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Klaus-Michael Kühne

©Ingo Wagner / dpa / picturedesk.com

Eine News-Recherche mit Konsequenzen: Es sind nur ein paar kurze Nachrichten, doch sie lesen sich wie ein Lehrstück aus dem System Benko. Wie sich der mittlerweile in U-Haft sitzende Tiroler René Benko in das persönliche Umfeld des reichsten Deutschen, Klaus-Michael Kühne, einführen ließ. Und wie ein Berater dafür eine Provision in Millionenhöhe kassierte.

Der Türöffner

Wenn Martin Wittig in die Tasten klopft, passiert etwas. So auch an diesem 6. Februar 2019. Wittig wendet sich an Benko: „Hallo René, zu dem Kühne-Approach habe ich jetzt den Background … organisiere ich ein Kennenlernen. Kühne wäre daran interessiert.“

So beginnt jener Kontakt, der die nächste Stufe im Netzwerk von René Benko markieren sollte. Wittig, früher Top-Berater und Partner bei Roland Berger, heute Honorarkonsul Deutschlands in der Schweiz und Mitglied des Verwaltungsrats der Kühne + Nagel International AG, kennt die Spielregeln in Kühnes Welt; er weiß, wie damit Türen geöffnet werden können.

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Martin Wittig

 © IMAGO / photothek

In einer News und Krone vorliegenden E-Mail an Kühne, Logistik-Titan und HSV-Gönner, legt Wittig noch etwas drauf: Er stellt Benko nicht nur als „tollen Unternehmer“ und „spannenden Menschen“ vor, sondern betont auch, es handle sich um „Herrn René Benko, der ein Freund ist“. Zugleich setzt er den für Kühne wohl entscheidenden Punkt: Das mögliche gemeinsame Interesse für Immobilienprojekte in Hamburg. Für Benko der perfekte Aufhänger.

Er schlägt Treffen in Wien, Berlin oder Zürich vor – Kühne lädt schließlich in sein Schindellegi-Domizil in die Schweiz. Chauffeur inklusive.

Kurze Zeit später steht der erste persönliche Termin. Das Abendessen in Schindellegi, hoch über dem Zürichsee. Vorab noch eine kurze Nachricht von Wittig: „Magst Du noch telefonieren, bevor Du Kühne siehst. Gibt vielleicht ein paar Sachen, die Du wissen solltest.“ Der Abend verläuft scheinbar glänzend. Kurz darauf jubelt Wittig aus dem Flugzeug: „Fliege grad mit KMK (Anm.: Klaus-Michael Kühne) nach Mallorca. Voll des Lobes! Hast offensichtlich einen super Job gemacht!“

Denn Benko hat Eindruck hinterlassen. Das Vieraugengespräch zählt regelmäßig zu den echten kommunikativen Stärken des einstigen Finanzberaters René Benko, der nach dem Schulabbruch kurz vor der Matura beim umstrittenen Finanzvertrieb AWD in die Schule gegangen ist.

Millionen-Provision

Der Erfolg wird rasch in einen Vertrag gegossen – und legt einen möglichen Konflikt verschiedener Interessenlagen offen. Martin Wittig sitzt zu diesem Zeitpunkt auf zwei Stühlen: als Verwaltungsrat der Kühne + Nagel International AG auf der Seite von Klaus-Michael Kühne, zugleich aber als Berater von René Benko auf der anderen.

Ein News und Krone vorliegendes Schreiben der Signa Financial Services AG an Wittig hält die Abmachung fest: „Wie bereits angekündigt, erhalten Sie als Anlage zu diesem Schreiben einen auf Sie bzw. die mcw Management Services AG individuell angepassten Vertrag … Ich bitte Sie, zwei Exemplare davon zu unterschreiben, damit wir ein schriftlich fixiertes Vertragsverhältnis miteinander haben.“

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Geheimer Vertrag: Über eine Schweizer Signa-Firma wurde der diskrete Deal eingefädelt.

 © NEWS Magazin

Auch die Zahlungsmodalitäten sind präzise geregelt: „Die Fälligkeit erfolgt zu zwei Dritteln jetzt und das letzte Drittel zum Jahresultimo 2020 … Den Betrag der jetzigen Fälligkeit (CHF 1.060.000 zzgl. MwSt.) sollten Sie bis spätestens Dienstag, eingehend auf Ihrem Konto bei der UBS, erhalten.“

Wittigs mcw Management Services AG fakturiert schließlich exakt 1,59 Millionen Schweizer Franken plus Mehrwertsteuer – umgerechnet 1.712.430 Euro. Der Rechnungstext klingt nüchtern, hat es aber in sich: „Im Zusammenhang mit der erfolgreichen Vermittlung (Erwerb von Aktien der SIGNA Prime Selection AG) der Kühne Immobilia AW GmbH erlaube ich mir Ihnen vereinbarungsgemäß in Rechnung zu stellen …“

Benko erreicht sein Ziel: Deutschlands reichsten Unternehmer in sein intransparentes Imperium zu ziehen. Kühne investiert über seine Holding schlussendlich eine halbe Milliarde in Signa Prime. Für Wittig bleibt ein Honorar, das nicht nur eine ordentliche Höhe hat, sondern eben auch Fragen aufwirft.

Der Bruch

Am 1. Dezember 2022 kommt es im Hamburger Luxushotel The Fontenay zum Eklat. Nur wenige Minuten nach Beginn des Gesprächs erhebt sich Kühne plötzlich vom gedeckten Tisch. Eiskalt lässt er Benko sitzen.

Benko reagiert unmittelbar. Um 13:22 Uhr schreibt er an Kühne mit der Betreffzeile „bin ratlos“:

Lieber Herr Kühne, offen gesagt bin ich ratlos! Ich bin heute extra nach Hamburg gekommen … Natürlich habe ich auch Details zu Ihren Fragen von Sonntag mitgebracht. Ich würde gerne die Möglichkeit haben, mit Ihnen persönlich zu reden, auch wenn es nur eine Stunde nach Ihrem Mittagessen ist. Danke. Ihr René Benko.

Kurze Zeit später, um 13:50 Uhr, legt er nach:

Hallo Herr Kühne! Eine kurze persönliche Aussprache mit Ihnen wäre mir sehr wichtig – ich bin noch bei Ihnen im Hotel. Es reichen auch 10 Minuten. Ich kann nicht nachvollziehen, was da schief gelaufen ist. Herzliche Grüße, Ihr René Benko.

Um 14:11 Uhr folgt Kühnes Antwort – in Kopie auch an seine engsten Mitarbeiter und eine Kanzlei:

Sehr geehrter Herr Benko, es tut mir leid – das Vertrauen ist zerstört, und ich habe Herrn Gernandt gebeten, Ihnen meinen Wunsch nach Rückabwicklung unserer Beteiligung an der Signa Prime Selection AG anzuzeigen. Formal muss das der Verwaltungsrat der Kühne Holding AG beschließen, den ich hiermit von meinem Wunsch in Kenntnis setze und um kurzfristigen Vollzug bitten möchte. Mit freundlichen Grüßen, Klaus-Michael Kühne.

Damit endet eine Partnerschaft, die auf einer Millionen-Provision gebaut war. Kühne läutet damit den Anfang vom Ende der Signa ein.

„Ganove“

Nur wenige Monate nach dem Bruch beginnt das Konzernkonglomerat Signa zu wanken. Ende 2023 folgt die Insolvenz – die größte in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Seit Anfang 2025 sitzt René Benko in Untersuchungshaft. Im Oktober startet der erste Prozess wegen betrügerischer Krida – der Auftakt zu einem langen juristischen Nachspiel.

Für Klaus-Michael Kühne bedeutet das Signa-Investment einen Verlust in dreistelliger Millionenhöhe. Im Mai 2025 zieht er Bilanz: mit offenem Visier, ohne Rücksicht auf diplomatische Formulierungen. Gegenüber der deutschen Zeitung Die Welt sagt er: „Ich bin einem Ganoven ersten Ranges auf den Leim gegangen. Ich habe sein Geflecht an Unternehmen nicht durchschaut.“

Sofortiger Rücktritt

Ein Sprecher von Kühne + Nagel betont auf News-Anfrage, dass weder „Herr Kühne noch die Kühne Holding AG“ bis dato von diesem Vorgang Kenntnis hatten. Martin Wittig wiederum erklärt, er bedauere es zutiefst, insbesondere mit Blick auf die späteren Entwicklungen, Herrn Kühne nicht informiert zu haben. Für diesen Vertrauensbruch sei er bereit, die Konsequenzen tragen – und mit sofortiger Wirkung von seinen Mandaten bei der Kühne + Nagel International AG sowie bei Aenova zurückzutreten.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 36/2025 erschienen.

Causa René Benko

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