Eine Schlüsselfigur hat sich in den letzten Monaten als Hauptangriffsziel von René Benko und seinen Verteidigern herauskristallisiert. Nicht nur in den Haftverhandlungen, sondern auch in zahlreichen schriftlichen Eingaben der Anwälte. News erklärt die Hintergründe.
Monatelang kämpfte Arthur A. hinter den Kulissen gegen den drohenden Kollaps des Signa-Imperiums. Er versuchte mit zunehmender Verzweiflung, die immer größer werdenden Löcher mit frischem Geld zu stopfen. Doch die vielen benötigten Millionen kamen nicht mehr. Heute ist Arthur A. nicht nur eine frühere Schlüsselfigur auf dem Benko-Schachbrett, sondern auch der Schlüsselzeuge der Ermittlungsbehörden – er steht dementsprechend im Visier von René Benko und seinem Verteidigerteam.
Denn Arthur A.s Aussagen vor den Ermittlern bringen Benkos Sicht deutlich ins Wanken, wie sich aus zahlreichen News vorliegenden Ermittlungsakten im Rahmen seiner Vernehmungen und einer Vielzahl der Eingaben durch Benkos Verteidiger ergibt. Nicht zuletzt fußen die Beschlüsse der Haftrichterin zur Verlängerung der Untersuchungshaft auf A.s Einschätzungen. Im Kern: Die mögliche weitere Tatbegehung durch Benko. Womöglich in den von ihm gegründeten Stiftungen. Für René Benko gilt die Unschuldsvermutung.
Schattenwelten
Was als einfache Position im Controlling begann, entwickelte sich in wenigen Jahren zu einer Rolle im innersten Machtzentrum des Signa-Imperiums. Schritt für Schritt übernahm Arthur A. die Verantwortung für noch größere Finanzströme. Er arbeitete immer enger mit der Signa-Führung zusammen und erhielt bald direkte Anweisungen von Benko persönlich – zu jeder Tages- und Nachtzeit. Dabei ging es nicht nur um den Signa-Teil. Auch für die Abwicklung von Zahlungen im Schattenreich, insbesondere der Laura Privatstiftung, zeichnete A. verantwortlich.
Damit nahm A. eine delikate Position als Schnittstelle zwischen den verschiedenen Welten ein. Sein Insiderwissen stellte er nach dem Insolvenzreigen in den vergangenen Monaten auch den Insolvenzverwaltern und Ermittlungsbehörden zur Verfügung. So hatte Benko laut A. „den ganz klaren Informationsvorteil“: „Er hat den Stiftungsvorständen während der Stiftungssitzungen auch ganz klar gesagt, was zu tun ist. Davor und danach war das auch so. Das wurde von den Stiftungsvorständen so umgesetzt und hingenommen.“
„Benko hatte immer den Daumen drauf“
Vor den Ermittlern der Soko Signa und den Staatsanwälten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft beschreibt A. als Schlüsselzeuge ein System permanenter Geldknappheit, in dem Zahlungen fast immer in letzter Minute organisiert wurden.
„René Benko hat sich um die Finanzbeschaffung gekümmert – es war ausschließlich er, der das gemacht bzw. entschieden hat. Das sah so aus, dass René Benko die Entscheidung über die Finanzbeschaffung getroffen hat und organisiert hat, woher das Geld kam. In weiterer Folge hat er Manuel Pirolt angewiesen, das dann in dieser Weise durchzuführen. René Benko hat immer bis zum Schluss den Daumen drauf gehabt und hat zu 99 % kurz vor knapp dann die Entscheidung getroffen, woher das Geld kommen soll. Mit kurz vor knapp meine ich, dass es beispielsweise schon zwei Wochen vorher ein gewisses Thema gegeben hat, dass es ein gewisses Zahlungsziel gegeben hat. Wenn wir beispielsweise an einem Dienstag etwas zu zahlen hatten, dann war es so, dass um 15:45 Uhr das Geld noch nicht am entsprechenden Konto war, sondern es musste zuerst oftmals über mehrere Gesellschaften organisiert werden, damit fristgerecht die Zahlung erfolgen konnte.“
Diese Vorgehensweise sei kein Einzelfall, sondern fester Bestandteil der Unternehmenskultur gewesen. „Dieser Vorgang war eigentlich schon Geschäftspraxis und nicht nur erst gegen Ende üblich. Da ich im Wesentlichen im Laufe meines Berufslebens für die Signa gearbeitet habe, kannte ich es nur so, dass alles recht kurzfristig bezahlt wurde. Ich kannte es nicht anders – es war Kultur dort.“
„Danach war man dann wieder pleite“
Bereits im Sommer 2022 erkannte Chef-Controller A., dass die Situation für die Signa aus seiner Sicht akut zu werden schien und dringender Finanzbedarf bestand: „Für mich war das Richtung Sommer 2022 erkennbar. Ich habe da gesehen, dass wir einen sehr hohen Liquiditätsbedarf hatten für das Thema Selfridges und Darlehensrückführungen an die Banken und Gesellschafter.“
Mit einem Beispiel untermauert A. den dramatischen Mangel an Liquidität innerhalb der Signa-Gruppe im Rahmen einer Befragung vor den Soko-Ermittlern: „Es gab ein Darlehen der Ameria Invest (Anm.: ein gewichtiger Liechtensteiner Investor der Signa Holding) am 03.08.2022 mit einer Laufzeit von 3 Wochen über € 200 Mio. und einer Gebühr von € 5 Mio. Wenn man den Jahreszins auf die Laufzeit betrachtet hätte, dann lag der bei deutlich über 70 %. Dieses Darlehen wurde zum Teil für die Kapitalerhöhung bei der Signa Prime Selection AG verwendet, die wiederum mit diesem Geld den Erwerb der Selfridges-Immobilie bezahlt hat. Mit dem Restbetrag hat die Signa Holding GmbH das Retail Geschäft von Selfridges in Großbritannien erworben. Danach war man dann wieder pleite.“
Ich habe ihm meine Bedenken geäußert, dass es sich dabei um kein wirtschaftliches Handeln handelt.
Laut A. versuchte er, Benko in weiterer Folge auf die laut seiner Perspektive prekäre Lage der Signa persönlich aufmerksam zu machen: „Im August 2022 – aufgrund des Ameria Darlehens – habe ich auch ein Gespräch mit Hr. Benko geführt. Ich habe ihm meine Bedenken geäußert, dass es sich dabei um kein wirtschaftliches Handeln handelt. René Benko hat mir dann entgegnet, dass wir das Geld im Retail Bereich um ein Vielfaches hereinbringen werden.“
Doch es kam anders – und die Skepsis von Chefcontroller Arthur A. wuchs: „Ein weiteres Zeichen für eine angespannte Erwartungslage und Liquidität der Signa Holding war auch, dass die bereits beschlossenen Dividendenzahlungen an die Gesellschafter für das Geschäftsjahr 2021 iHv € 250 Mio. nicht ausgezahlt werden konnten.“
Schlüsselzeuge
Heute ist Arthur A. eine der gewichtigsten Stimmen in der Aufarbeitung der Causa Benko. Ein Zeuge, der die internen Abläufe minutiös beschreiben kann und den rechtlich relevanten Einblick in ein System erlaubt, das von Improvisation, kurzfristiger Finanzbeschaffung und intransparenten Strukturen geprägt war.
Arthur A.s Aussagen dürften für die Ermittlungsbehörden ein hohes Gewicht haben – und: sie stellen für Benkos Verteidigung ein massives Problem dar. Denn der frühere Chef-Controller war über Jahre hinweg in nahezu alle relevanten und millionenschweren Finanztransaktionen involviert. Er saß an der Schnittstelle zwischen den Gesellschaften, den Stiftungen und Benko selbst.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 30+31/25 erschienen.