Grüne unter Druck

SPÖ-Chef Andreas Babler mag für Werner Kogler und Co. ein potenzieller Bündnispartner sein. Zunächst überwiegt jedoch, dass er vor allem auch bedrohlich ist für sie.

von Politische Analyse - Grüne unter Druck © Bild: Privat

Analyse

Agnes Zauner war nach der sonntäglichen Pressestunde des ORF beeindruckt: Alles, was der Gast zum Thema Klimaschutz gesagt habe, sei "sehr hörenswert" gewesen, schrieb die Geschäftsführerin der Umweltschutzorganisation "Global 2000" auf Twitter. Das heißt etwas. Zu Gast war SPÖ-Chef Andreas Babler, und es ist ihm offenbar gelungen, die Neuausrichtung seiner Partei voranzutreiben; und zwar so, dass es auch für die Klimaexpertin glaubwürdig klang.

Sind die Roten die neuen Grünen? Vizekanzler Werner Kogler und Co. sind alarmiert: Klimaschutz ist bisher "ihr" Thema gewesen. Immerhin stellen sie mit Leonore Gewessler, die von "Global 2000" kommt, die zuständige Ministerin. Und immerhin wollte die SPÖ bisher wenig bis nichts davon wissen. Unter Babler ändert sich das jedoch: Er setzt auch hier Akzente, spricht sich für Tempo 100 auf der Autobahn aus und äußert sich kritisch zum Wiener Lobau-Tunnel.

Dass die Grünen damit einen Mitstreiter für ihre Anliegen gewonnen haben, ist das eine. Es bedeutet aber auch, dass es schwieriger werden könnte für sie, sich bei Wahlen zu behaupten. In Umfragen mögen sie rund zehn Prozent halten. Sicher ist in ihrem Fall jedoch wenig. Sie sind mit einer flexiblen Wählerschaft konfrontiert - und Babler hat das Potenzial, einen Teil davon zu überzeugen. Ein leidenschaftlicher Linker, der auch die Klimakrise sieht, kann ihnen ganz schön zusetzen. Das ist belegt: Bei der Salzburger Landtagswahl Ende April haben sie ein Drittel ihrer Anhänger an KPÖ-Star Kay-Michael Dankl verloren.

Was ihnen bei der Nationalratswahl vor vier Jahren geholfen hat, gilt im Übrigen nicht mehr so sehr. Damals konnten sie sich im Lichte der Ibiza-Affäre vor allem auch als Partei für Transparenz und Korruptionsbekämpfung behaupten. Als Regierungspartei tun sie sich schwer, sich diesbezüglich zu profilieren. Die ÖVP durchkreuzt das, wo sie kann, und die Neos bemühen sich, ihnen die Führungsrolle in diesem Bereich abzunehmen.

Seit geraumer Zeit steht abgesehen davon Soziales im Vordergrund: Sämtliche Befragungen zeigen, dass Antworten auf steigende Preise das sind, was für eine Mehrheit der Menschen in Österreich am dringlichsten ist. Lösungen hier werden grundsätzlich am ehesten Sozialdemokraten zugetraut. Entscheidend ist, ob sie liefern. Andreas Babler hat die Absicht, es zu tun. Wenn, dann kann er die SPÖ vor allem damit auf Platz eins führen. Das ist sein großes Ziel.

Der 50-Jährige mag darüber hinaus eine rot-grüne Koalition anstreben. Auch wenn keine Mehrheit dafür in Sicht ist, ist das eine zweischneidige Angelegenheit für die Grünen: Babler unterstreicht damit, dass ihre Inhalte auch die seinen sind. Bleibt die Frage: Was spricht dann noch dafür, nicht ihn, sondern sie zu wählen? Darauf, das herauszuarbeiten, kommt es ab sofort an für Kogler, Freundinnen und Freunde.

Zahl

Wie eine Gesellschaft nach rechts kippt

Die Zahlen wirken vielleicht harmlos: Bei der jüngsten Europabarometer-Erhebung, die im Auftrag des Europäischen Parlaments erstellt wurde, wurden Befragte gebeten, sich in einer Skala so zuzuordnen, dass ersichtlich wird, wo sie im politischen Spektrum stehen. Ergebnis in Österreich: Viele sehen sich in der Mitte, je fünf Prozent ganz links oder ganz rechts. Eindeutig rechtsextrem eingestellt dürften überhaupt nur zwei Prozent sein. Das ist einer Studie des Sozialforschungsinstituts SORA zu entnehmen, die sich speziell dieser Gruppe widmet. Allein: Rechtsextreme Einstellungsmuster würden auf eine sehr breite gesellschaftliche Toleranz stoßen, heißt es darin. Ein erheblicher Teil der Österreicherinnen und Österreicher könne diesbezüglichen Aussagen etwas abgewinnen.

SORA hat das unter dem Titel "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" untersucht: 39 Prozent stimmen der Behauptung sehr oder ziemlich zu, dass die meisten Langzeitarbeitslosen nicht wirklich daran interessiert seien, einen Job zu finden. Ähnlich viele finden, dass Asylwerberinnen und Asylwerber selbst bei kleinen Vergehen sofort abgeschoben werden sollten. 29 Prozent unterstützen die Aussage, dass Österreich durch "die vielen Muslim:innen in einem gefährlichen Maß überfremdet" sei. Und 24 Prozent glauben, dass diese Männer und Frauen nur zuwandern würden, "um unseren Sozialstaat auszunützen".

Viele Botschaften gelten schon als normal. Die Sozialforscher sprechen von einem "Gewöhnungseffekt" in einer Mehrheit der Gesellschaft. Kein Wunder: Das eine oder andere wird auch von Parlamentsparteien aufgegriffen. Das Stichwort "Überfremdung" findet sich beispielsweise immer wieder in freiheitlichen Aussendungen, Türkise haben schon einmal damit geworben, Zuwanderung ins Sozialsystem zu stoppen; als wäre eine solche die Regel. Bezeichnend: Kritische Auseinandersetzungen damit gibt es kaum noch.

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Bericht

Schützenhilfe für Van der Bellen

Vor acht Monaten hatte Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach Bekanntwerden neuer Details zu türkisen Affären genug. In einer Rede forderte er konsequente Korruptionsbekämpfung. Viel ist bisher nicht daraus geworden. Zwischenzeitlich hat jedoch die Staatengruppe des Europarats gegen Korruption (GRECO) einen Bericht vorgelegt, der weit über das hinausgeht, was auch nur diskutiert wird. Maßnahmen nämlich, die Personen betreffen, die immer wieder im Zentrum von Affären stehen: Neben Regierungsmitgliedern sind dies Kabinettsmitarbeiter sowie Generalsekretäre, die von Ministern bestellt werden und das jeweilige Ressort de facto führen. Als solcher bekannt geworden ist zum Beispiel Thomas Schmid. Er war im Finanzministerium tätig und bemühte sich, Sebastian Kurz (ÖVP) bei dessen Aufstieg zum Kanzler zu Diensten zu sein. Heute bewirbt er sich um einen Kronzeugenstatus.

GRECO meint, dass aufgrund der "jüngsten Skandale" die Zeit reif wäre, solche Leute vor ihrer Ernennung einer Integritätsprüfung zu unterziehen. Es sollte jedenfalls nicht länger Medien allein überlassen werden, "den Background" und die Fähigkeiten von Regierungsmitgliedern und anderen politischen Amtsträgern auszuleuchten - oder auch nicht. Gefragt wären im Übrigen öffentlich einsehbare Vermögenserklärungen. Außerdem schwebt den Korruptionsbekämpfern eine Meldepflicht für Kontakte mit Lobbyisten vor, inklusive Themen, die bei Treffen erörtert werden. Ihrer Ansicht nach wären das angemessene Antworten zur Widerherstellung des Vertrauens in die "politische Klasse".

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at