Benko und die Kurz-Millionen

Geldquelle arabischer Raum: Über welche Firma René Benko noch kurz vor der Pleite seiner Signa Holding 100 Millionen Dollar an Land zog.

von Ex-Bundeskanzler Kurz besuchte die Vereinigten Arabischen Emirate. © Bild: BKA/Dragan Tatic

Das Gerücht gibt es schon länger. Konkret: Seit den Hausdurchsuchungen bei der Signa Holding, durchgeführt am 18. Oktober 2022, vom Bundesamt für Korruptionsbekämpfung, kurz: BAK. Als die Kriminalisten an diesem Herbsttag die Büroräumlichkeiten der Signa Holding GmbH in Wien und in Innsbruck durchkämmten, soll sich Signa-Gründer René Benko im arabischen Raum aufgehalten haben. Zwischen Riad und Doha. Das allein wäre noch nicht verwunderlich. Das offizielle Bekanntwerden seiner prominenten Begleitung aber hätte durchaus damals schon für einen Überraschungsmoment gesorgt: Sebastian Kurz, einstiger türkis eingefärbter Bundesparteiobmann der bald wieder schwarzen ÖVP, bis Ende 2021 im Brotberuf Bundeskanzler der Republik Österreich.

Roadshows im Nahen Osten

Nun zeigen Belege erstmals, wie intensiv die Arbeitsbeziehung zwischen Sebastian Kurz und René Benko im Spätherbst 2022 wirklich war. Denn tatsächlich handelte es sich bei der schon damals in gewissen Wiener Zirkeln kolportierten Überlieferung um mehr als nur eine Verschwörungstheorie einstiger politischer Kurz- Widersacher. Es ist Fakt: René Benko und Sebastian Kurz waren am 18. Oktober 2022 tatsächlich gemeinsam im arabischen Raum unterwegs, um unter anderem einen 100 Millionen Dollar schweren Deal für Benkos bereits nach Liquidität lechzender Signa-Gruppe auf den Weg zu bringen. Mehr noch: News-Recherchen zufolge ist das seit Jahren als freundschaftlich geltende Verhältnis zwischen dem heute 37-jährigen Polit-Pensionisten Sebastian Kurz und dem auf dem harten Boden der wirtschaftlichen Realität aufgeschlagenen 46-jährigen Immobilien-Überflieger René Benko wesentlich intensiver als bisher angenommen.

Sebastian Kurz hat nämlich nicht erst ab dem Jahr 2023 für seinen Tiroler Freund und Vertrauten lobbyiert, sondern spätestens im Jahr 2022 begonnen, auch gegen Provision Türen und Tore für Termine bei der Finanzelite im arabischen Raum zu öffnen. Und: Schon in den Jahren davor diente der Name des jungen österreichischen Regierungschefs dem mittlerweile höchst umstrittenen Finanzjongleur Benko als Ticket für den Eintritt in die Finanzwelt der multimilliardenschweren arabischen Staatsfonds. Nicht nur einmal soll René Benko persönlich -und bereits vor Jahren -bei Akquise-Gesprächen den Namen "meines Freundes Sebastian" ins Treffen geführt haben. Nicht nur einmal soll sich Benko laut News-Recherchen bei seinen diskreten Bohrungen nach arabischen Geldquellen auf zuvor bereits erfolgte Gespräche zwischen dem im arabischen Raum hofierten jungen österreichischen Kanzler und Machthabern aus dem Nahen Osten berufen haben.

Treffenz mit seiner Exzellenz

Während in Wien und Innsbruck die Räumlichkeiten der Signa Holding im Auftrag der Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) durchsucht wurden, waren "Mister René Benko" und der frühere "Prime Minister Sebastian Kurz" zu einem Meeting beim saudischen Staatsfonds Public Investment Fund (PIF) , im KAFD Tower, 61. Etage mit Blick über Riad, mit den folgenden PIF-Managern geladen:

  • Seine Exzellenz Yair Al-Rumayyan, 53, saudischer Manager und Gouverneur des Public Investment Fund (PIF), nebenbei Chairman des englischen Fußballklubs Newcastle United und des staatlichen Erdölunternehmens Aramco.
  • Turqi Alnowaiser, 46, der Chef der internationalen Beteiligungen beim PIF.
  • Ghaliah Al-Shammari, der "Head of Business Development" beim PIF.

Noch am Tag zuvor am 17. Oktober 2022 sollten Sebastian Kurz und René Benko den Wüstenstaat Katar besuchen, um sich in Doha mit Top-Vertretern des dortigen Staatsfonds Quatar Investment Authority (QIA) zu treffen. Nebenbei plante Kurz ein Mittagessen mit seiner Exzellenz Sheikh Mohammed Al Thani, seines Zeichen Außenminister des Emirats. - auch im Interesse seines Reisebegleiters Benko.

Wieder Wüste

Neben Doha und Riad gab es bei der Suche nach Investorengeldern im Oktober 2022 einen dritten wichtigen Schauplatz. Wieder Wüste. Diesmal die Vereinigten Arabischen Emirate. Der Finanzumschlagplatz Dubai. René Benko und Sebastian Kurz treffen gemeinsam Vertreter einer Gesellschaft namens AC Limited. Das Treffen war lange vorbereitet. Es gibt intensive Gespräche, denn Benko braucht viel Geld, um seine wichtigsten Gesellschaften, die damals, im Herbst 2022, bereits auf Milliardenverluste und massive Liquidationslöcher zusteuern, über Wasser zu halten und seinem Image vom Überflieger auf dem europäischen Immobilienmarkt weiterhin unter allen Umständen gerecht zu werden. Sebastian Kurz ist kurzerhand behilflich bei der Vermittlung eines 100 Millionen Dollar (umgerechnet 93 Millionen Euro) schweren Darlehensvertrags, der im Sommer 2023 Realität werden sollte. Am 23. Juni 2023 kommt es zu einem sogenannten "Facility Agreement" zwischen AC Limited aus Dubai und dreier Tochter-Gesellschaften aus dem für Außenstehende so gut wie undurchsichtige Benko-Reich: Die 100 Millionen Dollar werden auf drei Benko-Gesellschaften aufgeteilt. Nämlich auf drei Luxemburger Signa-Gesellschaften. Auf eine Hamburg Gänsemarktpassage Beteiligung s.a.r.l. Auf eine Berlin Nürnbergerstraße 50-55 Beteiligung s.a.r.l. Und auf eine SPS Fünfundsechzig s.a.r.l.

100 Millionen Dollar stellte die in Dubai ansässige AC Limited im Sommer 2023 der angeschlagenen Signa-Gruppe zur Verfügung.
© News

Offensichtlich ging es den arabischen Geldgebern damals um Sicherheiten. Sebastian Kurz sollte für die Vermittlung des Deals am 11. September 2023 eine Honorarnote über ein Prozent der Transaktionssumme stellen. An demselben Tag stellt der junge Altkanzler weitere Honorarnoten, in Summe über insgesamt 2,9 Millionen Euro brutto. Zuletzt fühlte sich Kurz von seinem Freund Benko über den Tisch gezogen, weil er laut "Kurier" nicht sein gesamtes Millionenhonorar erhalten haben soll.

Lange Beziehungspflege

Deutlich interessanter als die Frage, wie viele Benko-Provisions-Millionen ein erst Ende 2021 abgetretener Ex-Kanzler nach seinem unfreiwilligen Abgang vom Ballhausplatz für Vermittlungen im Jahr 2022 bereits einstreifen darf, erscheint für die breite Öffentlichkeit die Erkundung, auf welche Weise, wie intensiv -und vor allem - wie lange vorher die Beziehungen zu arabischen Geldgebern aufgebaut und gepflegt wurden. Immerhin hat der ebenfalls milliardenschwere Staatsfonds Mubadala aus Abu Dhabi über die Jahre rund mehr als 550 Millionen in den vermeintlichen Immobilien-Guru Benko gesteckt. Und Sebastian Kurz hatte den vorgeblichen Vorzeigeunternehmer René Benko, dessen Image nicht erst seit der jüngsten Pleite seiner Signa-Holding massiv gelitten hat, bei seinen Staatsreisen offenbar immer wieder mit im Gepäck gehabt.

Tatsache ist: Bereits im Jahr 2018 war René Benko im Schlepptau von Sebastian Kurz mit in den arabischen Raum gejettet. Dort traf der Tiroler unter anderem seine Exzellenz Khaldoon Al Mubarak, 48, unter anderem zum Abendessen mit "His Highness Scheich Mohamed". Man schickte einander gar Erinnerungsfotos der gemeinsamen Treffen mit Kanzler Kurz.

Im August 2018 intensiviert Benko laut News-Recherchen den Kontakt weiter. Es geht um eine Absichtserklärung für einen 10-Prozent-Einstieg von Khaldoons Mubadala Staatsfonds bei Benkos Signa Prime Selection AG. Benko lobt Khaldoons Mitarbeiter als "Spitzenklasse" und verweist erneut auf Kanzler Sebastian Kurz, der ihm - Benko -, gesagt habe, das er mit "His Highness Mohamed bin Zayed al Nahyan" über ein Joint Venture mit Signa gesprochen habe.

Im Feuer

Am Ende wird Khaldoons Mubadala Staatsfonds damals eine knappe Dreiviertel Milliarde in René Benkos Signa investieren. Das viele Geld scheint nun -angesichts der Pleite -im Feuer. Es wäre wahrlich wenig verwunderlich, würden sich die Türen nicht mehr so bereitwillig öffnen, wenn René Benko und Sebastian Kurz in turbulenten Signa-Zeiten wie diesen in den einst so bevorzugten arabischen Raum düsen. Für die arabischen Investoren des Jahres 2023 könnte im Fall des Zahlungsausfalls von Signa und eines Verlusts aus ihrem vom Ex-Kanzler vermittelten "Facility Agreement" vom 23. Juni 2023 allerdings folgende Frage eine brennende sein: Wie finanzmarod waren die Signa Gesellschaften, in die ihr Geld geflossen ist, im Sommer 2023 bereits? Wann wurde intern eigentlich begonnen, die ersten der mittlerweile fast reihenweise eröffneten Insolvenzen vorzubereiten?

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 51+52/2023 erschienen.