René Benko: Millionen für den jüngeren Altkanzler

René Benkos Signa-Gruppe hat sich nicht nur die Dienste des ehemaligen SPÖ-Vorsitzenden Alfred Gusenbauer gekauft. Mit Sebastian Kurz steht seit 2023 auch der türkise Altkanzler auf der Ex-Politiker-Payroll des Immobilienspekulanten.

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René Benko: Millionen für den jüngeren Altkanzler

Als News am 23. November die Millionenhonorare der Signa Holding für Alfred Gusenbauer publik machte, fiel nicht nur dem Altkanzler das sprichwörtliche Kipferl in den Kaffee. Immerhin hatte sich der mittlerweile 63-jährige Ex-SPÖ-Bundesvorsitzende nicht nur unmittelbar nach dem Abschied vom Ballhausplatz von René Benko persönlich einkaufen lassen, sondern im Juni 2022 gegenüber dem ORF-Wirtschaftsmagazin "Eco" behauptet, er sei bei Signa "kein Berater". Sondern nur: "Organ".

Diese Aussage ist interessant. Für welche Leistungen hat Alfred Gusenbauer denn dann diese mehr als sieben Millionen Euro an die Signa Holding in Rechnung gestellt? Für Gusenbauer möglicherweise ebenfalls ziemlich aufklärungswürdig ist aber seine Doppelrolle: In der Signa Holding hält neben Benkos Stiftungen auch der gute Gusenbauer-Freund Hans Peter Haselsteiner 14 Prozent der Anteile. Gusenbauer ist nun sowohl Haselsteiners als auch Benkos Aufsichtsrat. In Benkos verschachtelter Firmengruppe könnte Haselsteiner von ihm erwartet haben, dass Gusenbauer auf das bei Signa investierte Geld seiner Haselsteiner-Familienstiftung aufpasst. Nach dem Insolvenzantrag der Signa Holding am 29. November wird sich jedenfalls bald weisen, ob Gusenbauer seinen Auftrag im Haselsteiner'schen Sinne ausreichend erfüllt hat. Solch schwerwiegende finanzielle Themen wie jene bei der Signa können sogar eine echte Männerfreundschaft auf eine harte Probe stellen.

Aufregung am Stubenring

Schauplatzwechsel. In die Fichtegasse Nummer 9, Wiener Innenstadt. Dort, in einem mondänen Gründerzeithaus am Stubenring, der ehemaligen repräsentativen Zentrale des ÖAMTC, residiert im vierten Stock auf 200 Quadratmetern seit Anfang dieses Jahres ein anderer österreichischer Altkanzler. Dort hat Sebastian Kurz, 37, nach zehn Jahren Spitzenpolitik seine neuen beruflichen Zelte aufgeschlagen. Dort versammeln sich berufsbedingt nicht nur mehrere langjährige türkise Mitstreiter des einstigen Strahlemannes, sondern sogar ehemalige Regierungsmitglieder wie Gernot Blümel (Finanzen) oder Elisabeth Köstinger (Landwirtschaft und Tourismus), die an dieser noblen Adresse ebenfalls Büros haben, wie ein Politauskenner des "trend" bereits Anfang des Jahres 2023 unter dem Titel "Türkiser Bruderkrieg" enthüllte: "Ehemalige Spitzen-Türkise formieren sich neu um Sebastian Kurz", hieß es. Und: Diese würden "mit Kritik an den Nachfolgern in der Partei und Regierung" für gewisses Rumoren in der neuen, aus Sicht von Kurz womöglich nun wieder eher altbacken wirkenden ÖVP sorgen. Sogar den Pressesprecher von Kanzler Karl Nehammer nahm Neounternehmer Kurz an die Wiener Ringstraße mit. Auch sein ehemaliger Kabinettschef erhielt am neuen Ort einen Arbeitsplatz.

Und ebendort, im luxuriösen Kurz-Büro, Eingang in der Fichtegasse Nummer 9, mit seinen modernen Kunstwerken, den edlen Glaswänden und seiner Open-Door-Policy, schlug das Gusenbauer-Dossier in der letztwöchigen Ausgabe dieses Magazins regelrecht wie eine Bombe ein. Sebastian Kurz und seine auf politischen Sprengstoff sensibilisierten Mitarbeiter wussten sofort: Was Gusenbauer passierte, kann auch seinen Nachfolger ereilen. Vergangenheit, aber auch Gegenwart mit Benko. Die Frage, was in Österreich ein Bundeskanzler außer Dienst mit seinen nationalen und internationalen Kontakten kostet, kann tatsächlich auch Kurz gestellt werden. Auch Kurz hat Honorarnoten in bis zu siebenstelliger Euro-Höhe gelegt. An Benkos Signa-Gruppe, die nicht erst seit dem Insolvenzantrag der Konzernmutter als " Kartenhaus" bezeichnet wird.

Mit Benko in den Emiraten

Die Nähe zwischen René Benko und Sebastian Kurz wurde bereits in dem parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss thematisiert. Damals, im Herbst 2020 behauptete der Signa- Gründer nicht nur, dass kika/Leiner neu erblühen würde, sondern auch, dass er mit Sebastian Kurz keinen permanenten Austausch pflege. Laut News-Recherchen ist -jedenfalls mittlerweile - das Gegenteil der Fall. Zumindest seit dem plötzlichen Ausscheiden des bislang jüngsten Kanzlers aus der Regierung. Und vor allem im Jahr 2023, in dem sich die strauchelnde Signa-Gruppe offenbar mit einer Horde an Lobbyisten und Geldeinsammlern gegen den Untergang zu wehren versuchte.

Mit Kanzler Kurz war René Benko bereits in der Zeit der türkis-blauen Regierung in Abu Dhabi und in Kuwait unterwegs gewesen. Nicht nur den dortigen Herrschern stellte Kurz den 46-jährigen Tiroler vor, bekanntlich auch dem russischen Herrscher Wladimir Putin wurde Benko von Kurz als "René Benko, einer unserer erfolgreichsten Unternehmer" bekannt gemacht. Kurz öffnete für Benko die Welt der arabischen Staatsfonds. Kontakte wie diese hätten in den letzten Monaten das "Kartenhaus" Signa vor dem Einsturz retten sollen.

Sebastian Kurz und René Benko
© Helmut Fohringer / APA / picturedesk.com VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE. Sebastian Kurz hat bei einem Staatsbesuch auch den Immobilienspekulanten René Benko mit im Gepäck
© BKA/Dragan Tatic KUWAIT. Im März 2019 darf der Signa-Gründer dem Premierminister Scheich Dschabir al-Mubarak die Hand schütteln

Seit dem ersten gemeinsamen Reisetrip von Benko und Kurz in den Nahen Osten ist viel passiert. Bei René Benko und dessen Signa Holding waren vor etwas mehr als einem Jahr Hausdurchsuchungen, angeordnet von der Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Sebastian Kurz steht mittlerweile vor Gericht - konkret: vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien; er wird der falschen Zeugenaussage vor dem U-Ausschuss bezichtigt. Und: Er wird vom "Kronzeugen" Thomas Schmid, seinem einstigen Handlanger im Finanzministerium, schwer belastet. Kurz soll über Schmid teure Kampagnen auf Steuergeldkosten orchestriert haben. Eine ehemalige Meinungsforscherin hat sich den Korruptionsermittlern, wie Thomas Schmid, ebenfalls als "Kronzeugin" angedient - sie packte auch über die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin aus. Für Benko, Kurz, Karmasin und Co. gilt selbstredend die Unschuldsvermutung.

Hausdurchsuchungen

Ungefähr zu dem Zeitpunkt, als österreichische Kriminalisten und Staatsanwälte im Oktober 2022 die Büros der Signa Holding durchkämmten, hoben René Benko und Sebastian Kurz wieder einmal in Richtung arabischer Raum ab, um für die unter notorischen Liquiditätsproblemen leidende Signa-Gruppe frische Geldquellen zu erschließen. Man bohrte offenbar bei den Scheichs nach, die man wenige Jahre zuvor mit einem Lippizaner als Staatsgeschenk gütig stimmen hatte wollen. Man klopfte bei den Staatsfonds wie PIF oder Mubadala an, um dort frisches Kapital für das undurchsichtige Konzern-Konstrukt zu gewinnen, welches teilweise weder rechtzeitig Jahresabschlüsse beim Firmenbuch-Gericht hinterlegt hat, noch -im Gegensatz zu vergleichbaren Unternehmensgruppen -eine konsolidierte Konzernbilanz abliefert.

Anfangs ging es bei den Aktivitäten von Kurz und Benko nur um frisches Geld für die mittlerweile vom glatten Börsenparkett in die Insolvenz geschlitterte Signa Sports United. 2023 aber sollen Kurz und Benko mehrfach im Signa-Privatflieger gejettet sein, um das in Flammen stehende gesamte Kunstgebilde namens Signa Group of Companies vor dem kompletten Zusammenbruch zu bewahren. Von Tel Aviv bis Riad. Und tatsächlich: Einige dieser internationalen Kontaktvermittlungen -man könnte es, salopp formuliert, auch das Versilbern eines politisch erlangten Telefonbuches nennen -dürften in der Welt des René Benko auch ein richtig sattes Honorar für Sebastian Kurz und dessen SK Management GmbH gerechtfertigt haben. So viel war bei einer intensiven News-Recherche im engsten Kurz-Umfeld ohne Zweifel in Erfahrung zu bringen. Siehe Rechnungen.

Wo war die Leistung?

News hatte Einblick in Unterlagen über die Geschäftstätigkeiten zwischen René Benko und Sebastian Kurz und kann daher die Behauptung aufstellen: Ex-Kanzler Kurz hat der Signa-Gruppe allein im Jahr 2023 ein Millionenhonorar in Rechnung gestellt. Mehr noch: Zählt man die Honorarnoten von Alfred Gusenbauer und Sebastian Kurz, die über deren jeweilige Projektbzw. Managementgesellschaften gestellt wurden, zusammen, kommt man für zwei Ex-Kanzler auf Honorare in der jüngeren Vergangenheit von in Summe rund zehn Millionen Euro, Umsatzsteuer inklusive. Was hat Benko, der am Papier seit seiner strafrechtlichen Verurteilung wegen versuchter verbotener Intervention (2013) kein offi zieller Signa-Vertreter mehr war, bei gemeinsamen Reisen im Privatjet vom jüngeren Altkanzler als Gegenleistung erwartet? Was genau hat Sebastian Kurz, der - offenbar im Gegensatz zu Gusenbauer -über einen Gewerbeschein als Unternehmensberater verfügt, für das Vielfache einer jährlichen Kanzlergage geleistet?

Ein Sprecher von Sebastian Kurz zierte sich lange mit einer Antwort. Was passierte am Gardasee, wo Sebastian Kurz von Benkos Signa als ÖVP-Spitzenkandidat im Sommer 2017 zu einem exklusiven Sommerfest geladen war? Gab es dort womöglich vertrauliche Gespräche zum Kurz-Projekt namens Ballhausplatz, das der Vorbereitung der Nationalratswahlen im Herbst 2017 diente?

Der Kurz-Sprecher meinte nur: "Wie bereits bekannt, gab es keine Spenden von Benko oder der Signa an die Volkspartei." Und was sagt man zu den hohen Honorarnoten? Es habe einen Auftrag der Signa für die Vermittlung von finanzstarken Partnern gegeben. "Die gelegten Rechnungen sind bis heute großteils nicht beglichen."

Am Tag dieser Antwort stellte die Signa Holding einen Insolvenzantrag.

Das Schnäppchen

Die Beziehung zwischen René Benko und Sebastian Kurz verdient jedenfalls eine gesonderte Betrachtung, auch wenn die Geschichte bereits mehrfach das Licht der breiteren medialen Öffentlichkeit erblickt hat, auch zu Beginn dieser News-Serie. Kurz vor Weihnachten 2017 wird Kurz als Kanzler angelobt. In den Tagen danach schnappt sich René Benko über eine Privatstiftung das feine Leiner-Haus in der Wiener Mariahilfer Straße 10-18. Angeblich steht kika/Leiner bereits damals an der Kippe, weshalb über die Feiertage extra das in der Wiener Josefstadt für grundbücherliche Besicherungen zuständige Bezirksgericht aufsperren sollte, um den Deal für Chefverhandler René Benko zum Schnäppchenpreis von 60 Millionen Euro in trockene Tücher zu bringen. Dabei hatte es laut der von Dietrich Mateschitz gestifteten Rechercheplattform Addendum ein fundiertes Offert gegeben, das den damaligen Eigentümern des Hauses 90 Millionen hätte bringen können. Später wird offenbar, dass es zumindest einen dritten Interessenten gegeben hat, der über 70 Millionen Euro lockermachen hätte wollen. Sebastian Kurz ließ damals gegenüber der Mateschitz-Plattform jedenfalls ausrichten, die angeblich so besondere Behandlung für Benko sei lediglich seinem Verständnis von "serviceorientierter Verwaltung" geschuldet.

Die Wahrheit ist, in diesem Fall wohl ganz besonders, eine Tochter der Zeit. Schon im Juni 2018 ist kika/Leiner erneut in Schieflage. Nichts gesichert, alles offen. Sebastian Kurz bringt sich aktiv in die Verhandlungen ein und ermöglicht Benko die Übernahme der traditionellen Möbelkette.

»Zu wem halten wir???«

Gabi Spiegelfeld

»Wir sind für Rene Benko. Denke, der ist mit HBK abgestimmt«

Thomas Schmid

"Zu wem halten wir?"

Fast schon legendären Charakter besitzt ein Chat zwischen dem damaligen Kurz-Vertrauten und potenziellen Kronzeugen der Staatsanwaltschaft, Thomas Schmid, und der mit Kurz ebenfalls eng verbundenen Gabriela Spiegelfeld, die für das Team Kurz dereinst Spendengalas organisiert hat. Bei der kika/Leiner-Komplettübernahme durch Benko gab es mit Frank Alberts Supernova-Gruppe nämlich einen ernsthaft interessierten Mitbieter. Albert bringt Spiegelfeld offenbar in eine Art Gewissenskonflikt - er ist nämlich ÖVP-Spender.

Spiegelfeld: "Zu wem halten wir???" Schmid: "Wir sind für René Benko. Denke der ist mit HBK (Herr Bundeskanzler, Anm.) abgestimmt."

Der Herr "HBK" hieß damals: Sebastian Kurz.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 48/2023 erschienen.