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Vor 40 Jahren wurde um die Hainburger Au gekämpft. Vor 35 Jahren einigte man sich auf ein FCKW-Verbot zum Schutz der Ozonschicht. Wo sind heute die Erfolgsprojekte im Umwelt- und Klimaschutz? Es gibt sie, sagen Experten, man müsse nur tun.

Vierzig Jahre ist es her, genau war es am 7. Mai 1984, da schlüpfte Othmar Karas in ein für einen Politiker ungewöhnliches Outfit. Verkleidet als Kormoran trat er bei einer Pressekonferenz für den Erhalt der Auwälder und gegen den Bau eines Donaukraftwerks östlich von Wien ein. Mit dem jungen ÖVP-Mann am Podium saßen die Umweltaktivistin Freda Meissner-Blau als Laufkäfer und der Publizist Günther Nenning als Auhirsch (beide damals der SPÖ zugerechnet), der Schriftsteller Peter Turrini als Rotbauchunke, der Ökologe Bernd Lötsch als Schwarzhirsch und der Wiener ÖVP-Stadtrat Jörg Mauthe als Schwarzstorch. Die bunte Schar brachte mit diesem Auftritt das Thema und das Konrad-Lorenz-Volksbegehren für den Schutz der Au in die Medien. Doch die damalige SPÖ-FPÖ-Regierung blieb bei ihren Kraftwerksplänen und setzte auf Härte. Wenige Monate später besetzten Aktivisten die Au und zwangen die auffahrenden Bagger zum Umdrehen. Heute erstreckt sich zwischen Wien und Hainburg der Nationalpark Donau-Auen. Nicht einmal hartgesottene Leugner des Klimawandels würden seinen Sinn anzweifeln.

"Diesen Tag vergesse ich nie", sagt Karas heute. Als Obmann der Jungen ÖVP sei es ihm darum gegangen, Zukunftsthemen wie den Umweltschutz über parteipolitische Grenzen hinaus zu denken und außer Streit zu stellen. Bei nächtlichen Treffen im Wiener Glacisbeisl heckten Jugendorganisationen, Hochschülerschaft, Wissenschaftler und der Journalistengewerkschafter Nenning den Auftritt der Tiere aus. "Die ÖH hat dann die Kostüme gemacht", erinnert sich Karas. Der junge Rote Josef Cap machte nach einem Gespräch mit SPÖ-Chef Bruno Kreisky einen Rückzieher, dafür saß der damalige Sekretär der Sozialistischen Jugend, Alfred Gusenbauer, hinter Karas am Podium. Nach der Pressekonferenz setzten sich die Protagonisten in ihren Tierkostümen in bereitstehende Fiaker, fuhren begleitet von je einem Notar durch die Wiener Innenstadt und sammelten Unterschriften für das Volksbegehren. "Wir waren davon überzeugt, dass es richtig ist, miteinander an einem Strang zu ziehen", sagt Karas.

Noch einen Jahrestag gibt es in der Geschichte der Klimapolitik für heuer zu verzeichnen: Vor 35 Jahren, 1989, trat das Montreal-Protokoll in Kraft, mit dem sich die Staatengemeinschaft zu ihrer Verpflichtung bekennt, "geeignete Maßnahmen zu treffen, um die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor schädlichen Auswirkungen zu schützen, die durch menschliche Tätigkeiten, welche die Ozonschicht verändern oder wahrscheinlich verändern, verursacht werden oder wahrscheinlich verursacht werden". Ist kompliziert formuliert, doch daraus folgten klare gemeinsame Maßnahmen wie das FCKW-Verbot und die Einführung der Katalysatoren bei Dieselfahrzeugen. Das Ozonloch schließt sich. Auch eine Erfolgsgeschichte. Und wo sind die Erfolgsgeschichten der Gegenwart? Gibt es Klimamaßnahmen, die die Allgemeinheit wenig schmerzen, die aber wirken?

Wie die Natur dem Klima hilft

"Ja, es gibt sie, die Maßnahmen, die einfach gehen, nicht weh tun und einen Mehrwert für Bevölkerung, Natur und Klima haben", sagt Hanna Simons vom WWF, "das Gebot der Stunde sind dabei die Wiederherstellung und der Schutz von Naturräumen." Simons erklärt das am Beispiel von Flussrenaturierungen. Dabei werden Uferregulierungen, nicht mehr benötigte Wehre oder nicht mehr betriebene Kraftwerkseinrichtungen zurückgebaut und entfernt. Altarme, die in der Vergangenheit vom Fluss abgetrennt wurden, werden frei gemacht. Das Wasser kann fließen wie früher, die natürlichen Ufer, Auwälder und die angrenzenden Flächen können Hochwasser aufnehmen – sie sind ein effizienterer Schutz als betonierte Flussrinnen. Der Boden speichert zudem das Wasser für spätere Dürre- und Hitzeperioden. Die so gewonnenen Naturräume sind Lebensraum für bedrohte Arten und Erholungsraum für die Menschen. Und sie bremsen die Klimakrise, indem sie CO2 speichern. Ein Gewinn für alle also.

Ja, es gibt sie, die Maßnahmen, die einfach gehen, nicht weh tun und einen Mehrwert für Bevölkerung und Natur haben

Hanna Simons, Leitung Natur- und Umweltschutz beim WWF

Möglich sind solche Rückbauten überall, wo Siedlungen nicht zu nah an den Fluss heranreichen. Interessenkonflikte könne es aber geben, erklärt Simons, etwa wegen Kraftwerksprojekten, wobei sie bei diesen die "Grenze zur Naturverträglichkeit bereits überschritten" sieht. Allerdings spielt die Wasserkraft eine wesentliche Rolle beim Umstieg auf erneuerbare Energien. Politisch ist die Renaturierung von Flüssen weitgehend unumstritten. Es gibt Fördermittel aus EU-Töpfen dafür.

Weiters auf der Liste der Klimamaßnahmen: die naturnahe Bewirtschaftung von Wäldern. "Kurzfristig macht die Forstwirtschaft zwar mehr Profit mit Fichtenmonokulturen, aber in Zukunft sind gesunde Mischwälder auch ökonomisch sinnvoll, weil sie gesünder und widerstandsfähiger sind", sagt Simons. Zudem speichert der Mischwald mehr CO2 und Wasser.

Zu schützende Naturräume sind auch Moore und Gletscher, sie sind so abgelegen, dass ihr Schutz kaum Nachteile für Menschen bringt. Hier verweist Simons allerdings auf ein "Hainburg" der Gegenwart: Im Tiroler Platzertal ist ein Pumpspeicherkraftwerk mit einer 120 Meter hohen Staumauer geplant. "Das ist nicht mehr zeitgemäß", sagt sie. Stattdessen sollten bestehende Kraftwerke modernisiert und effizienter gemacht werden.

Wo die Politik bremst

Höchst wirksam wäre das auf EU-Ebene geplante Renaturierungsgesetz. Der Entwurf sieht vor, 20 Prozent der Land- und Meeresflächen wiederherzustellen. Das EU-Parlament hatte den in den Verhandlungen schon abgeschwächten Entwurf der EU-Kommission bereits beschlossen, doch nun bremsen mehrere Mitgliedsländer im EU-Rat. "Das Renaturierungsgesetz wäre ein Meilenstein im Naturschutz", sagt Simons. Allerdings gebe es eine heftige Fake-News-Kampagne gegen das Gesetz. Dabei werden Zwangsenteignungen und eine Bedrohung der Souveränität der Bundesländer behauptet. Die Länder verhindern auch, dass Klimaministerin Leonore Gewessler dem Gesetz im Rat zustimmt.

Auf ein fehlendes Gesetz verweist auch der Wirtschaftswissenschaftler Karl Steininger, der das Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz leitet. Das Klimaschutzgesetz steht zwar im schwarz-grünen Regierungsprogramm, eine Einigung darauf ist allerdings nicht in Sicht. Dabei brächte es für alle Beteiligten, von der Politik bis zur Wirtschaft, eine bessere Planbarkeit und Verbindlichkeit auf dem Weg zu den Klimazielen, erklärt Steininger. "Das Klimaschutzgesetz wäre ein klares Signal für Unternehmen, wann wir wie viel weniger Emissionen haben wollen und wie wir Gesetze an dieses Ziel anpassen." Zudem bleiben auch die Bundesländer mit der Festlegung ihrer Klimaziele säumig, wenn vom Bund nichts kommt. Was dem Klimawissenschaftler zudem fehlt: "Ein gemeinsames Zukunftsbild, wie wir klimagerecht leben wollen, um dann gemeinsam loszuziehen.“ Die Bremser in beiden Fällen ortet Steininger in "Interessengruppen, die die Veränderung nicht wollen, weil sie zum Beispiel ein fossiles Businessmodell haben oder in der Agrarindustrie tätig sind."

Erfolg in kleinen Schritten

In den vergangenen Jahren seien allerdings auch wirksame Maßnahmen gesetzt worden, erklärt Steininger. Er verweist an erster Stelle auf das Klimaticket, das bereits stark in Anspruch genommen wird, und auf die national steigende neue CO2-Bepreisung mit Klimabonus, die zunehmend Verhalten verändern. Lob gibt es auch für das von Finanzminister Magnus Brunner angestoßene Green Budgeting, bei dem künftig alle Budgetposten der Ministerien auf ihre Klimaauswirkungen abgeklopft werden. Ebenso auf der Positiv-Seite: das milliardenschwere Transformationspaket für die Industrie, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz sowie das Erneuerbare-Wärme-Paket, das zwar ohne Zielvorgaben auskommen muss, aber mit hohen Förderungen zum Umstieg von Öl- und Gasheizungen auf klimafreundliche Raumwärme animiert. Die Auswirkungen dieses Ende 2023 beschlossenen Gesetzes seien in den CO2-Emissionszahlen Österreichs noch gar nicht ablesbar, erklärt Steininger, aber schon mit den bisherigen Schritten – etwa auch Elektromobilität und mehr Radverkehr – sei in zwei aufeinanderfolgen Jahren ein Minus von je über fünf Prozent bei den Emissionen gelungen.

Die aktuelle schwarz-grüne Regierung habe "in Klimafragen mehr weitergebracht als die Regierungen in zwei Jahrzehnten davor", sagt Steininger, fügt aber hinzu: "Ist es genug? Nein."

Es gäbe noch viele Schritte, die wirken können, zählt Simons auf: Begrünung von Städten, klimaverträgliche Raumplanung, eine verbindliche Obergrenze für den Bodenverbrauch, die Entsiegelung nicht mehr benötigter verbauter Flächen, Herkunftskennzeichnungen für Fleisch und eine Berichtspflicht über Lebensmittelverschwendung in der Gastronomie, die Senkung von Steuern auf gesunde, klimafreundliche Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte.

Der Wahlkampf lässt nicht mehr viel in diesem Bereich erwarten. Populismus ist eben auch in Klimafragen einfacher, als Lösungen anzubieten, meint Steininger. Othmar Karas sagt auf die Frage, ob ein gemeinsamer Auftritt von schwarzem Kormoran und rotem Auhirsch heute möglich wäre: "Für mich lebt der Geist von Hainburg weiter. Aber leider sind heute die Parteipolitisierung und gegenseitige Schuldzuweisungen stärker." Die Kostüme von damals sind heute im Museum.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 16/2024.

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