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2nd Opinion: Hitze, Klimadebatte und öffentliche Empörung – Warum ernsthafte Gespräche kaum noch möglich sind

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Michael Fleischhacker

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Die jüngste Hitzewelle hat die Diskussion um den Klimawandel, seine Auswirkungen und den richtigen Umgang mit ihnen neu angefacht. Unter den neuen Bedingungen von Öffentlichkeit hat eine ernsthafte gesellschaftliche Verständigung über die großen Themen der Gegenwart nicht die geringste Chance.

Diese Woche ist es sehr heiß, manche mögen das, und für viele ist es sehr unangenehm, vor allem für Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen mit Kreislaufproblemen zu tun und keine Möglichkeit haben, ihre Wohnräume zu kühlen. Dass es immer mehr Tage mit immer höheren Temperaturen gibt, hat ganz sicher mit der globalen Erwärmung zu tun, über deren Gründe wir vieles wissen und vieles nicht. Die größte Schwierigkeit für die Forschung besteht darin, den genauen Interaktionszusammenhang zwischen den natürlichen und den anthropogenen, also menschengemachten, Anteilen an dieser Erwärmung zu beschreiben.

Das macht es schwierig, einzelne Ereignisse zweifelsfrei einzelnen Ursachen zuzuweisen und Maßnahmen zu definieren, deren Wirkung präzise vorhergesagt werden kann. Als gesichert gilt, dass die Reduktion der Verbrennung fossiler Energiequellen von großer Bedeutung ist. Ebenfalls als gesichert gilt, dass es nicht möglich ist, durch CO2-Reduktion in einem bestimmten Gebiet die Auswirkungen des Klimawandels in ebendiesem Gebiet zu beeinflussen, weil es sich bei den beschriebenen Phänomenen – Hitzewellen etc. – um regionale Auswirkungen des globalen CO2-Eintrags und anderer globaler, teils „natürlicher“ Phänomene handelt, über deren genaue Wechselwirkungen die Forschung noch nicht zu endgültigen Ergebnissen gekommen ist.

Umsteigen, Forschen, Schützen

Einigermaßen nüchtern betrachtet könnte man von diesem Wissensstand ausgehend zum Schluss kommen, dass drei Dinge besonders wichtig sind: Überall dort, wo es möglich ist (es ist bei Weitem nicht überall möglich), die Nutzung fossiler Energiequellen durch erneuerbare Energiequellen, also Wasser, Wind und Sonne, zu ersetzen, die Forschung im Bereich der Interaktion zwischen natürlichen (Sonnenzyklen, Wolken, Wasserdampf) und anthropogenen Einflussfaktoren weiter zu intensivieren, und die Auswirkungen der unbestreitbaren Erwärmung, an der die Verbrennung fossiler Rohstoffe einen unbestreitbaren Anteil hat, vor allem dort einzudämmen, wo sie vulnerable Gruppen und Personen treffen, also Alte, Kranke und Arme.

Besonders schwierig ist in solchen Situationen der Umgang mit möglichen Paradoxien. Das hat sich angedeutet, als im vergangenen Jahr eine der wenigen plausiblen Erklärungen für den Anstieg der Meerestemperaturen in manchen Regionen darin bestand, dass die Verschärfung der Umweltauflagen für die Schifffahrt dazu führte, dass die Sonneneinstrahlung auf weniger Hindernisse stieß. Dass mühsam durchgesetzte Umweltschutzmaßnahmen einen Beitrag zum Großproblem unseres Ökosystems leisten könnten, wäre eine bittere Erkenntnis, die verständlicherweise von vielen schwer zu akzeptieren ist.

Es wäre also günstig, wenn man in der öffentlichen Debatte in der Lage wäre, Unsicherheiten auszuhalten und mit Paradoxien produktiv umzugehen. Die handelsüblichen Diskussionspraktiken hingegen, in denen die Negierung der Tatsachen („Es ist heiß, weil es Sommer ist, im Sommer war es immer heiß“) und die moralische Empörung der Bessermenschen („Ich hab’ euch immer gesagt, dass wir verbrennen, jetzt ist es so weit“) dominieren, werden weiterhin wenig bringen – außer der Befriedigung, es wieder einmal allen ordentlich reingesagt zu haben.

Diese Debatte bringt nichts – außer der Befriedigung, es wieder einmal allen ordentlich reingesagt zu haben

Ich habe nicht den Eindruck, dass die Bereitschaft, sich mit diesem so ernsten Thema auch ernsthaft auseinanderzusetzen, besonders stark ausgeprägt ist, es scheint eher darum zu gehen, sich Aufmerksamkeit zu sichern, indem man immer „edgy“ bleibt. Mein liebstes aktuelles Beispiel ist die von mir besonders als Cartoonistin sehr geschätzte Schriftstellerin Stefanie Sargnagel, die dieser Tage postete: „diese schlagzeilen sommer sonne pur eisessen juhu badewetter bei 36 grad im juni gibt mir das gefühl von lauter wahnsinnigen umgeben zu sein. mir macht ja die hitze nix aus. früher wars auch manchmal heiß. menschen sind nicht mehr sicher in ihren eigenen wohnungen, ihr heisl.“ Abgesehen davon, dass es meiner Meinung nach gemäß den altwienerischen Sprachregeln „heisln“ heißen müsste, erscheint mir dieser Zugang auch inhaltlich etwas unterkomplex.

Der Theorie des fallenden Kulturguts folgend, ergänzte eine Posterin in einer fast sommerlich-blümeranten Form der logischen Willkür: „Wahrscheinlich haben diese ,juhu Badewetter‘-Sager ja nur Eltern oder Großeltern, welche schon älter sind, diese Hitze weniger vertragen und hoffen, dass diese Eltern/Großeltern durch die Hitze schneller abkratzen, damit man sich nicht womöglich einmal um diese kümmern muss?“

Ich halte es für problematisch, Klima- und Sozialwissenschaften auf diese Art und ohne Kenntnis grammatikalischer Grundregeln zu verknüpfen, auch wenn ich der doch steilen These, dass die Eltern und Großeltern von Sommerenthusiasten tendenziell eher zu den Älteren gehören, etwas abgewinnen kann. Vor allem aber fürchte ich, dass inzwischen eigentlich jeder Versuch, sich über die großen und ernsten Fragen der Gegenwart innerhalb der neuen Formen medialer Öffentlichkeit zu verständigen, einfach nur zum Scheitern verurteilt ist.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 27/25 erschienen.

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