Mehrheit bleibt rechts der Mitte

Man könnte glauben, Österreich sei nach links gekippt: In der Stadt Salzburg gibt es ein tiefrot-rotes Duell um das Bürgermeister-Amt. Bei einer Stichwahl an diesem Sonntag fällt die Entscheidung zwischen Kay-Michael Dankl (KPÖ Plus) und Bernhard Auinger (SPÖ).

von Politische Analyse - Mehrheit bleibt rechts der Mitte © Bild: Privat

ANALYSE

Und überhaupt: Laut einer Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts "Gallup" unterstützen sehr viele Menschen Forderungen, die Linke bis hinauf zu SPÖ-Chef Andreas Babler erheben oder die diesen nahekommen. Eine Auswahl: 84 Prozent sind für Mietpreisobergrenzen, 73 Prozent für eine Reichensteuer, 57 Prozent für eine "30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich".

Das wirft Fragen auf: Warum liegt die SPÖ auf Bundesebene nicht vorne? Warum würden es die Kommunisten kaum in den Nationalrat schaffen? Die Antwort ist einfach: Der Ausgang der Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen in der Festspielstadt steht nicht für einen generellen Linksruck.

Das verdeutlicht schon ein Blick auf zusammengefasste Ergebnisse der jüngsten Kommunalwahlen in Salzburg insgesamt: In der Landeshauptstadt erreichten SPÖ, KPÖ und Grüne rund 60 Prozent, in den übrigen Gemeinden, wo drei Mal mehr Wahlberechtigte leben, taten dies ÖVP und FPÖ. In der Stadt ist Dankl zudem nicht auf so viel Zuspruch gestoßen, weil er Kommunist ist, sondern weil das keine Rolle gespielt hat. Im Zentrum stand sein Engagement für Menschen, die sich Wohnen nicht mehr leisten können.

Zweitens: Die erwähnte Umfrage hat außerdem gezeigt, dass Linke mit weiteren Positionen, die gemeinhin ebenfalls ihnen zugeordnet werden, vom Boden- bis zum Neusiedlersee alles in allem klar in der Minderheit sind. Eine Erhöhung des Arbeitslosengelds wird nur von 37 Prozent unterstützt, sichere Fluchtwege nach Europa oder ein Wahlrecht für nicht-österreichische Staatsangehörige würden gerade einmal 27 Prozent begrüßen. Das ist nach dem Geschmack der FPÖ, aber auch der ÖVP. Es entspricht ihnen weitgehend und ist bei bundesweiten Urnengängen bisher meist entscheidender gewesen als eine Reichensteuer.

Schlimmer für Babler: Er bekommt diese Stimmungslage schon jetzt, Monate vor der Nationalratswahl im September, zu spüren. Und zwar durch Parteifreunde, die nervös werden und ihn dazu drängen, ihr gerecht zu werden. Es sind nicht zufällig Ländervertreter wie der Tiroler Georg Dornauer oder der Burgenländer Hans Peter Doskozil, der sogar auf eine Obergrenze für Asylwerber drängt – es sind Genossen, die aus ihren Erfahrungen fernab größerer Städte schlussfolgern, dass man mit "zu" linken Positionen verloren ist.

BERICHT

Förderungen weiter stark steigend

Ein Spielraum für eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, Staatsausgaben nehmen weiter zu. Zum Beispiel jene für Förderungen. Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat einst angekündigt, Kürzungen vorzunehmen. Es war ein zentraler Punkt seines Wahlprogramms 2017 und sollte dazu beitragen, dass eine umfassende, nachhaltige Entlastung finanziert werden kann.

Die Bilanz ist ernüchternd: Die Förderungen des Bundes sind bis 2019 nicht zurückgegangen. Sie haben vielmehr weiter zugenommen. 2020 kam die Coronakrise,
in der die Kurve, die ihre Entwicklung darstellt, so stark nach oben ging wie noch nie. Das allerdings entsprach dem "Koste es, was es wolle"-Zugang und wurde in
Kauf genommen.

Plus auch ohne Krisenhilfen

Allein: Der Budgetdienst des Parlaments berichtet, dass in den vergangenen Jahren auch "nicht krisenbedingte Förderungen" gestiegen sind. Rechnet man Coronahilfen und Antiteuerungsmaßnahmen heraus, bleibt noch immer ein Plus. Nämlich von 24,8 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf ganze 30,9 Milliarden Euro 2022, dem letzten Jahr, das die Experten unter die Lupe genommen haben. Erklärbar ist das unter anderem dadurch, dass für Umwelt, Klima, Mobilität sowie Wissenschaft und Forschung mehr Mittel zur Verfügung gestellt wurden.

Von einer Kürzung von Förderungen zu reden, ist politisch einfacher als sie durchzusetzen. Ein erheblicher Teil fließt in die Landwirtschaft, und protestierende Bauern können unangenehm werden, wie man in Deutschland oder Frankreich sieht. Ein weiterer, sehr, sehr großer Teil entfällt auf indirekte Förderungen, die überhaupt tabu sind. Damit gemeint sind etwa die reduzierten Umsatzsteuersätze für Lebensmittel, Mieten und andere Dinge. Sie allein hatten 2022 ein Volumen von 6,8 Milliarden Euro.

ZAHL

Vom fehlenden Gespür für die Sorgen einer Masse

Nicht nur gefühlt zählt die Teuerung zu den größten Problemen, die die Menschen in Österreich sehen. Umfrageergebnisse bestätigen es. Bemerkbar macht es sich vor allem durch steigende Wohnkosten, die vielen Menschen zu schaffen machen.

Der Anteil der Haushalte, die eine schwere Wohnkostenbelastung wahrnehmen, hat in den vergangenen zwei Jahren stark zugenommen. Bis Anfang 2022 handelte es sich laut Statistik Austria um 13, 14 Prozent. Seit Sommer 2022, als zunächst die Energiepreise explodiert waren, sind es mehr als 20 Prozent. Umgekehrt ist der Anteil all jener eingebrochen, die keine Belastung sehen.

Umso bemerkenswerter ist, dass eine bestimmende Partei wie die ÖVP dem zumindest in der Stadt Salzburg nicht gerecht geworden ist. Dass sie das Thema Kay-Michael Dankl (KPÖ Plus) überlassen und ihm so geholfen hat, bei Kommunalwahlen zu triumphieren: Wie konnte ihr das passieren? Hauptgrund: Die ÖVP ist noch immer eine Klientelpartei. Sie konzentriert sich eher auf die Anliegen der ländlichen Bevölkerung, von Hauseigentümern und Erwerbstätigen. Das rächt sich hier, trägt dazu bei, dass sie Sorgen relevanter Gruppen übersieht, die nicht zu ihrer Kernklientel zählen: Unter einer schweren Wohnkostenbelastung leiden vor allem Stadtbewohner (27 Prozent), Mieter (30) und Arbeitslose (49 Prozent).

Das sind auch die Gruppen, bei denen grundsätzlich überdurchschnittlich viele mit einer Überbelastung konfrontiert sind.

© News Zum Vergrößern klicken

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at