"Wir haben nicht mehr
nur einen Strache"

Wirklich weg ist er nicht. Wirklich da aber auch nicht. Seit der Ibiza-Affäre, die Heinz-Christian Strache den Parteiobmann und Vizekanzler gekostet hat, fragt man sich, wie es mit dem einstigen Aushängeschild der FPÖ weitergehen könnte. Medienberater und Politikanalytiker Peter Plaikner erklärt im Interview mit news.at, was seit dem Auftauchen des Skandalvideos aus der öffentlichen Kommunikation von H.-C. Strache herauszulesen ist.

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Politik - "Wir haben nicht mehr
nur einen Strache"

Die tierliebe Ehefrau, ein paar Kühe und Schweinderl, ein Hunderl und die schöne Natur unseres Vaterlandes. Reichen aktuelle Facebook-Posts von Herrn Strache wie diese Ihrer Ansicht nach aus, um die Bevölkerung nach einer „b’soffenen Gschicht“ zu besänftigen?
Ich glaube, dass man diese aktuellen Bilder, die über Facebook kommen, nicht nur im aktuellen Gesamtzusammenhang sehen darf. Das allein würde natürlich nicht reichen. Wir haben es bis vor kurzem mit dem seit 2005 weitaus längst dienenden Parteiobmann Österreichs zu tun gehabt. In dieser Zeit hat er unter anderem zwei Imagefaktoren aufgebaut: Einmal den Underdog, der es wider alle Vorhersagen dann doch noch schafft. Das galt ursprünglich insbesondere im Wettbewerb mit Haider. Langfristig hat er es aber dann sogar bis zur Vizekanzlerschaft gebracht, die Haider verwehrt geblieben ist. In der Kernwählerschaft der FPÖ, die ihn seit fast eineinhalb Jahrzehnten begleitet, punktet Heinz-Christian Strache immer noch besonders stark – wie wir spätestens seit der EU-Wahl wissen.

Zum anderen bedient er auch noch wesentlich besser als Norbert Hofer und Herbert Kickl den Opfermythos in Sinne von „Ihr seid Opfer und ich bin euer Klassensprecher“. Das geht nicht so schnell verloren, das ist eine Klientel, der alles andere ziemlich wurscht ist. sonst wäre auch die Masse an Facebook-Fans, die Strache nach wie vor hat, nicht erklärbar.

Mit diesen Postings bedient er also seine treuen Fans?
Offenbar bedient er bei dem Potenzial, das die FPÖ überhaupt erreichen kann, eine Nische, die ohne ihn offen bleiben würde. Sonst könnte er ja dort nicht so punkten. Aus Sicht der Partei ist das zumindest bis zur Wahl geradezu eine ideale Situation. Man hat einerseits Kickl, der ideologisch die Hardliner bedient, dann Hofer, den Faserschmeichler, der die Öffnung der Partei symbolisiert. So werden schon zwei Lager bedient, und im Hintergrund eben Strache in der erwähnten Rolle. Müsste man eine Gesamtstrategie aus Parteisicht machen, wäre das gar nicht die schlechteste Option. Der entscheidende Punkt wird sein, die vorhandenen Konflikte zwischen diesen drei Exponenten möglichst verborgen zu halten, so dass sie nicht vor der Wahl aufbrechen.

Ist das nur eine Frage der Zeit?
Bisher gelingt das ganz gut, man kann aber annehmen, dass sowohl das Machtstreben von Kickl als auch von Hofer so stark ist, dass das nicht ewig funktionieren wird. Und Strache ist innerhalb dieser Dreier-Konstellation natürlich der Unberechenbarste, weil es am schwierigsten sein wird, eine für ihn befriedigende Lösung nach der Wahl zu finden. Obwohl die FPÖ letztlich auch mit dem Kalkül spielen könnte, dass er sich noch im Rennen für die Wiener Gemeinderatswahl befindet.

Wie sind die FPÖ-Postings zu bewerten, die Strache teilt?
Ich würde das losgelöst von Loyalitäts-Überlegungen betrachten. Im Grunde genommen versucht er, klassische FPÖ-Themen möglichst gut zu platzieren. Wie wirkungsvoll das sein kann, das weiß die FPÖ selbst am allerbesten. Erinnern wir uns zurück an das Posting, das Strache gegen Armin Wolf abgesetzt hat, in der Nacht von einem Rosenmontag auf einen Faschingsdienstag, das kam damals von seinem privaten Facebook-Account, der heute knapp 50.000 Abonnenten hat. Dort ein Posting, das genau einen Nerv trifft, unabhängig davon ob positiv oder negativ, kann letztlich die politische Agenda genauso stark bedienen wie von der Strache-Fanpage der FPÖ auf Facebook.

»Letztlich haben wir ja nicht mehr nur einen Strache«

Die Nicht-Steuerbarkeit von Strache ist zwar dadurch deutlich abgemindert, dass er jetzt laut Eigeneinschätzung als Redakteur arbeitet, einen Beruf, dessen Vertreter er zuvor noch als die größten Huren bezeichnet hatte. Aber er kann immer noch durch seine eigene Seite viel erreichen. Allein seine persönliche Facebook-Seite hat halb so viele Abonnenten wie die offizielle Fanpage von Pamela Rendi-Wagner. Letztlich haben wir ja nicht mehr nur einen Strache, sondern das Ping-Pong mit seiner Frau Philippa, das auch nicht zu unterschätzen ist. Er kann indirekt im Wahlkampf immer präsent sein, er verschwindet nicht aus der Öffentlichkeit.

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Parteichef Hofer ist in den Sommergesprächen sichtlich auf Distanz zu Strache gegangen. Man habe sich seit Wochen nicht gesehen. Kommuniziert die FPÖ das richtig?
Das hat er jetzt in einem Sommergespräch gesagt: Nehmen wir einmal an, dass in so einem Gespräch die Publikumsverteilung ungefähr so ist, wie es letztlich auch bei der Nationalratswahl sein dürfte. Dann heißt das, er hat es laut derzeitigen Umfragen ungefähr mit 20 Prozent FPÖ-Wählern zu tun. In einem solchen Gespräch muss er auch starke Signale für die anderen 80 Prozent geben, das hat er mit dieser Aussage durchaus getan.

Ich bin mir nicht sicher, ob er jetzt auf einer FPÖ-Wahlveranstaltung solche Äußerungen machen würde und bin mir noch weniger sicher, ob er in kleinerem FPÖ-Kreis ähnliche Äußerungen machen würde. Ich denke, die Mehrgleisigkeit, teilweise auch Widersprüchlichkeit der Aussagen von FPÖ-Exponenten ist dem Wählerpotenzial, das die Partei anspricht, wurscht. Auch wenn es ihr auffällt, ist es ihr nicht so wichtig, weil für sie anderes mehr zählt.

Eine Taktik bewusster Mehrgleisigkeit also?
Ich glaube schon. Diese Mehrgleisigkeit wird ja allein schon durch die Spitzenkandidatur Hofer mit Kickl klar. Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung sind das ja klare Gegenpole.

»Man stelle sich im Gegensatz dazu einmal vor, die ÖVP müsste ohne Sebastian Kurz antreten«

Glauben Sie, dass Strache mit seinem Verhalten der FPÖ eher nützt oder eher schadet?
Man muss sich eigentlich nur überlegen, was die Alternative wäre: Man würde überhaupt nichts von ihm hören. Das böte dann natürlich zuhauf Raum für Mythenbildungen, für noch mehr Opferstatus. Ich glaube nicht, dass Strache – selbst wenn er selbst kein Wort mehr sagen würde – kein Thema mehr wäre. Er würde sowohl von seinen Gegnern als auch von seinen Freunden thematisiert werden.

Doch Strache nimmt es ohnehin proaktiv selbst in die Hand. Und ich glaube, dass das der Partei mehr nutzt, weil er eine Nische bedient, die weder ein Hofer noch ein Kickl noch irgend ein Anderer in der Partei bedienen kann. Das zeigt letztlich auch, dass die Spitzenpersonaldecke der FPÖ besser ist als viele geglaubt haben. Man stelle sich im Gegensatz dazu einmal vor, die ÖVP müsste ohne Sebastian Kurz antreten.

Unmittelbar nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos und einer TV-Verlautbarung der Reue ist von Strache über Facebook dieses rebellische „Jetzt erst recht“ aufgetaucht und im Anschluss daran eine brachiale Medien-Offensive. Ein plötzlicher Sinneswandel?
Um das einschätzen zu können, müsste man wirklich persönlich engen Kontakt zu ihm pflegen, was ich nicht tue. Ich sehe ja letztlich auch nur, was in die Öffentlichkeit gelangt. Strache hat damals urplötzlich wieder die gesamtösterreichische Öffentlichkeit bekommen, das sollte man nicht unterschätzen. Das war in einer absoluten „Tote-Hosen-Zeit“, an einem langen Wochenende, und im Grunde genommen haben alle mitgespielt.

Am ehesten hat er meiner Meinung nach ausprobiert, wie weit er in der klassischen, herkömmlichen Medienlandschaft kommt und wie sehr er sich ausschließlich auf seine Social-Media-Möglichkeiten konzentrieren sollte. Die Antwort ist klar: Strache ist offenbar immer noch ein Name, dem man zuhauf auch unkritisch eine Plattform gibt, auch in den herkömmlichen Medien. Klar ist, dass er dadurch einfach ein Mitspieler bleibt.

»Solange seine Beziehung zu Philippa hält, hat er eigentlich immer einen informellen Kontakt in die Bundespolitik.«

Welche Rolle spielt das Image von Frau Strache bei der Rehabilitation von Herrn Strache?
Grundsätzlich ist es natürlich der Austausch, der sich bietet. Allein das Thema Tiere zieht schon in der Breite, nicht umsonst macht auch eine Kronen Zeitung sehr viel mit diesem Thema. Andererseits hilft ihr umgekehrt seine Erfahrung natürlich sehr.

Dieser Austausch ist nicht zu unterschätzen und vor allem hat er letztlich, solange seine Beziehung zu Philippa hält, eigentlich immer einen informellen Kontakt in die Bundespolitik.

Wer profitiert mehr vom anderen?
Das ist wechselseitig. Ich glaube nicht, dass Philippa Strache ohne ihren Mann in die Position gekommen wäre, in der sie jetzt ist. Andererseits ist sie so etwas wie seine Rückversicherung, falls allfällige andere Pläne für ihn nicht so wie gewünscht ausgehen. Manchmal erinnert es ein wenig - ohne die Hintergründe zu vergleichen - an das Auftreten der Clintons.

Hillary wollte noch mehr werden, aber man wusste nicht, wie sehr es ihr schadet oder nutzt, dass Ex-Präsident Bill mit dabei ist, der im Zuge der Lewinsky-Affäre ja auch nicht mehr ausschließlich positiv beleumundet war. Die Straches sind im Duo jedenfalls stärker als sie es einzeln wären. Das war auch durchaus schon vor der Ibiza-Affäre so, nun wird es mit in der Öffentlichkeit geradezu vertauschten Rollen noch deutlicher.

Beim Ibiza-Video ist es ja nicht geblieben. Es gab die Hausdurchsuchung in der Causa Casinos und nach den Verteidigungsversuchen dazu gab es zuletzt Verwirrspiele um einen neuen Job für Herrn Strache. Ist es nur ein taktisches Manöver, ob Strache in der Politik bleibt oder nicht?
Wir wissen natürlich nicht, ob er hinsichtlich Job etwas in der Hinterhand hat. Grundsätzlich ist es so, dass Spitzenpolitiker, auch wenn sie jetzt nicht so schlecht beleumundet sind wie er, letztlich ein großes Job-Problem haben, wenn sie die Politik verlassen. Das gilt für alle Parteien, und das gilt vollkommen unabhängig davon, wie sie aus der Politik ausscheiden. Wir hatten einen Ex-Bundeskanzler Klima, der ging nach Südamerika, weil er in Österreich nicht Besseres gefunden hat.

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Wir hatten einen Ex-Bundeskanzler Gusenbauer, bei dem hieß es „Versorgungsjob“, als er in die AK Niederösterreich gewechselt ist, also hat er sich dann als blendend bezahlter Berater selbständig gemacht. Da hieß es dann, das dürfe ein Sozialdemokrat nicht machen. Am ehesten gelingt es aus meiner Beobachtung noch der ÖVP, diskret und dezent die ihren auch in einem zweiten Leben danach unterzubringen.

Diese mangelnde Durchlässigkeit zwischen Politik und Privatwirtschaft in Österreich ist aus meiner Sicht vollkommen unabhängig vom Fall Strache ein Fehler. Denn beide Bereiche könnten von Erfahrung und Expertise im jeweils anderen stark profitieren. Doch wenn man heute in die Politik geht, ist man so punziert, dass man sich ganz schwer tut, danach etwas anderes zu finden. Das wird im Übrigen auch für Sebastian Kurz nicht einfach sein, weil man davon ausgehen kann, dass er nicht sein Leben lang in der Politik verbringen wird. Für Strache wird es aufgrund der Ibiza-Punze natürlich besonders schwer, einen guten Job in der Privatwirtschaft zu bekommen..

»Der Fall Strache taugt letztlich allenfalls dazu, erstaunt die massenhafte politische Unbildung zu beklagen«

Wie lässt es sich erklären, dass ein Politiker nach all diesen Vorfällen immer noch im Spiel ist?
Der Fall Strache taugt letztlich allenfalls dazu, erstaunt die Öffentlichkeit zu betrachten, und erstaunt die massenhafte politische Unbildung zu beklagen. Im Grunde genommen lässt es Schlimmstes für die Demokratie befürchten, wenn solche Dinge einfach so durchgehen. Ich glaube, dass den Leuten, die eine politische Wiederkehr von Strache als in Ordnung empfinden, einfach ein ganz grundlegendes Verständnis für demokratische Mindest-Standards fehlt.

Zur Person: Peter Plaikner, geboren 1960, ist Medienberater, Politikanalytiker und war von 2006 bis 2018 auch Lehrgangsmanager für politische Kommunikation an der Donau-Uni Krems.