Straches große "Ibiza-Show":
14 neue Details

Wie der Ex-FPÖ-Chef um die Korruption tänzelte, Grenzen überschritt und beinahe die Falle enttarnte

Drei Monate nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos erscheint nun von jenen SZ-Journalisten, die alles an die Öffentlichkeit brachten, ein Buch über die „Ibiza-Affäre“. Darin finden sich tiefe Einblicke in das Zustandekommen der Geschichte aber auch in den Abend, der vor zwei Jahren auf Ibiza stattfand. Hier 14 Details, die so noch nicht oder bislang wenig bekannt waren:

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Das Buch zur Affäre - Straches große "Ibiza-Show":
14 neue Details

1. Straches Prahlereien

„Ich habe mich prahlerisch wie ein Teenager verhalten“ sagte Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in seiner Rücktrittsrede am 18. Mai. Und prahlerisch gab er sich auf jeden Fall an dem Abend auf Ibiza vor zwei Jahren, wie immer wieder zu lesen ist: Er sei der wichtigste Mann in der FPÖ, das gab der inzwischen Ex-Chef der Partei zu verstehen: „Du kannst davon ausgehen: Solange ich nicht tot bin, habe ich die nächsten 20 Jahre noch das Sagen“…“in welcher Position auch immer“, prahlt er gegenüber der vermeintlichen Oligarchen-Nichte.

» Straches Authentizität entlarvt ihn als notorischen Angeber«

Die Autoren, Frederik Obermaier und Bastian Obermayer, finden: „Strache wirkt sehr authentisch: Er wirkt so, als wäre er hier, mit seinem Freund Joschi, mehr bei sich als bei den meisten öffentlichen Auftritten, die wir uns zum Vergleich angesehen haben. Gut möglich, dass das Video gerade kein verzerrtes Bild seiner Persönlichkeit zeigt – sondern das echte. Straches Authentizität entlarvt ihn als notorischen Angeber, der bei so gut wie jedem Thema irgendwann auf sich selbst zu sprechen kommt, und darauf, wie schlau, beliebt, erfolgreich und wichtig er ist.“

Dazu interessant: Warum Strache über das Aufdecker-Buch erfreut ist

2. Die Oligarchen-Nichte

Die vermeintliche Oligarchen-Nichte trat unter dem Namen Aljona Markarowa auf, als angebliche Nichte von Igor Makarow, einem Ex-Radrennfahrer, der später als Gas-Zwischenhändler reich wurde. Doch: Igor Makarow ist ein Einzelkind!

Die Autoren lernen schlussendlich auch die Frau, die als „Oligarchennichte“ auftritt, kennen, können aber aus Quellenschutz nicht viel über sie verraten. Allerdings geben sie bekannt, dass diese für ihren Auftritt weder erpresst wurde, noch Geld bekam und dass sie wusste, worauf sie sich einlässt. Sie lasse außerdem ausrichten, dass sie es sich „wesentlich schwerer“ vorgestellt hatte und „erstaunt darüber war, wie leichtfertig Gudenus und Strache ihr Dinge anvertraut haben.“ Nach dem Treffen mit der Nichte seien überdies die Bedenken der Aufdecker geschrumpft, dass alles nur ein Fake sei.

In Straches Reaktion an die Journalisten sowie auch in seiner Rücktrittsrede, sprach der Ex-FPÖ-Chef dann jedoch von einer „Lettin“, nicht von einer Russin. Die Autoren mutmaßen, dass dies bewusst gewählt wurde, um sich vom „fragwürdigen russischen Geld“ zu distanzieren.

»Ist das nicht wirklich viel zu klischeehaft?«

3. Die Zweifel der Aufdecker an der Story

In einem zweiten Erzählstrang berichten die Journalisten detailreich, wie die ganze Geschichte zustande kam, vom ersten Kontakt der Quelle bis zur Veröffentlichung – und den Nachwirkungen. Dabei wurden sie immer wieder von Zweifeln gepackt, ob das denn alles überhaupt echt sei. „Ist das nicht wirklich viel zu klischeehaft?“ fragten sie sich noch zu Beginn. Die angebliche Russin erschien ihnen „ein wenig zu sehr dem Russinnenklischee“ zu entsprechen. Zudem dachten sie beim ersten Sichten des Videos noch, dass daraus nichts werden würde: „Es erscheint sinnlos. Der Ton ist miserabel“ schreiben sie. Neben dem Treffen mit der "Nichte" bestanden sie auch darauf, das ganze Video zu bekommen, um es selbst auswerten und überprüfen lassen zu können (was unter anderem auch durch einen Ohrenvergleich geschah).

4. Strache und die „schoarfe“ Russin

Immer wieder an dem Abend in Ibiza kommt zur Sprache, wie sehr Strache die vermeintliche Oligarchennichte gefällt. So umschmeichelt er sie an einer Stelle, indem er ihr sagt, sie wäre, sollte der "Krone"-Deal zusammenkommen „gewiss die schönste Medienbesitzerin Österreichs.“ Überhaupt gehöre sie dann „zu den zehn wichtigsten Frauen, nein Persönlichkeiten Österreichs.“

Zu einem späteren Zeitpunkt, als die Frau den Raum verlässt, fragt Strache Gudenus und den Begleiter der Frau nach ihrem Alter. Als diese mit „34 oder 35 antworten“, sagt Strache: „Unglaublich, sie schaut sehr jung aus. Die hat einen Sexappeal, bist du wahnsinnig. Unglaublich.“ Auch zu einem späteren Zeitpunkt entfährt es dem damaligen FPÖ-Chef noch einmal: „Bist du deppert, ist die schoarf“ und als es dann Zeit wird, aufzubrechen, schlägt Strache noch vor, „die hübsche Dame“ solle doch noch mitfahren in die Disko (wo die drei nach dem Abend auf der Finca die „Parteichefs, die in 10 Jahren übernehmen“ treffen wollen). Strache zum Abschied: „We make party now“.

»Sex? Klare Antwort: Nein, nichts davon stimmt.«

Jeglichen Gerüchten und Berichten, wonach es an diesem Abend zu sexuellen Handlungen gekommen sei, bzw. diese sogar im Video zu sehen seien, widersprechen die Autoren vehement. „Klare Antwort: Nein, nichts davon stimmt.“

5. Zum Thema Casinos/Glücksspiel

Erst vor kurzem gab es in den Häusern von Strache und Gudenus Hausdurchsuchungen im Zusammenhang mit einer Postenbesetzung des Vorstands bei den Casinos Austria. Doch schon vor zwei Jahren auf Ibiza kam Thema Glücksspiel zur Sprache. Ob man in Sachen Casinolizenzen nicht etwas machen könne, wird Strache von dem Begleiter der Russin gefragt. „Das ist verdammt schwer – aber das geht“, so Straches Antwort.

Und Strache erklärt seinen Plan: Er wolle, sobald er in der Regierung sei, ändern, dass die Casinos Austria AG Konzessionen für sämtliche zwölf Casinos in Österreich besäße. „Die Casinos Austria, die gehört…“ sagt er, gefolgt von einer Hals-abschneidende Geste. DIE FPÖ sei gegen das Monopol, das würde sie aufbrechen wollen und Lizenzen ausschreiben sowie „ein Gesetz machen, wo wir geordnete Spielcasinos zulassen.“ Die FPÖ wolle generell Dinge privatisieren, wo darin ein Vorteil gesehen würde und wenn die FPÖ in die Regierung käme, sei ohnehin sie „der Staat“ und dann gelte: „Wir bestimmen, was wir verkaufen und was nicht.“

6. Wie sich Strache den Wasserverkauf genau vorstellte

„Die Wassergeschichte kann nur so laufen, dass wir als Staat unser weißes Gold auf eine verstaatlichte Ebene führen, wo wir einen Betreiber engagieren, der das privatwirtschaftlich managt“, skizziert der Ex-FPÖ-Chef seine Pläne zum Verkauf des heimischen Wassers. Und dabei könne die Russin ins Spiel kommen. Als der Begleier nach einem „Überpreis“ (künstlich überteuerte, über dem Marktpreis vergebene Staatsaufträge an Privatfirmen) verlangt, winkt Strache jedoch ab: Das sei mit ihm nicht machbar, „wir wollen immer einen nachhaltigen Benefit für unser Land“, meint er.

7. Ein tänzerischer Abend

Sehr gut ist der von den Journalisten beschriebene „Tanz“ dieses Abends, den der Ex-FPÖ-Chef und seine Gegenspielerin an diesem Abend aufführen, zu "sehen". „Die Unterhaltung ist wie ein Tanz geworden, in dem die eine Seite immer wieder näher kommt und immer wieder mit neuen Offerten lockt“ und Strache im Gegenzug „zu Illegalem offenbar nicht ja sagen“, aber „die Russin und damit die Chance auf die Krone“ auch nicht verjagen wolle, beschreiben die Autoren den mehrstündigen Abend. So gehe es „hin und her, vor und zurück.“ Die Russin wurde im Verlauf des Abends zudem immer missgelaunter, da es bis auf wenige Ausnahmen keine konkreten Versprechungen im Gegenzug zu ihren geplanten Investments gab.

8. Vom Saubermann-Image zur Überschreitung der Grenzen

Strache wirke an dem Abend auf Ibiza „überzeugt in seiner Begeisterung über sich selbst: Dass er es immer geschafft habe, sauber zu bleiben. Korruption? Ich brauch den Scheiß nicht", schreiben die Autoren. Als Beleg für seine Sauberkeit erzählte der Ex-FPÖ-Chef auch eine Geschichte aus dem Jahr 2004: Damals sei er von Leuten angesprochen worden, die ihm 20 Millionen Euro geboten hätten, wenn er zu einem bestimmten Thema „die Goschn“ hielte. Dieses habe er natürlich abgelehnt, so Strache.

Der Begleiter der „Investorin“ schließt aus dieser Rede, dass in Punkto Gegengeschäfte somit nichts zu erwarten sei. Doch Strache lenkt ein: „Nein, das ist falsch“, meint Strache und führt aus, dass sie nur sagen müsse, welcher Geschäftszweig sie interessiere "und dann schauen wir uns an, was passt bei uns hinein.“

Er versucht es auch damit, indem er sagt, dass in Österreich die Macht „nicht über Korruption rennt“. Wenn seine Gesprächspartnerin also die „Krone“ kaufe, habe sie ein Imperium, das ihr wiederum auch andere Dinge ermögliche wie etwa, wenn sie ein Grundstück wolle, das der Stadt Wien gehöre. Dann würde sich der Bürgermeister nicht querstellen.

„Es scheint ein Kampf in ihm zu toben, Engelchen links, Teufelchen rechts“ beschreiben die Journalisten, wie Strache es während der Stunden auf der Finca wohl ergangen sein mag . Was ihn dann über die Grenzen der Legalität beförderte, sei laut Ansicht der Autoren „der mögliche Push vor den Wahlen“ durch den Kauf der „Kronen Zeitung“ gewesen.

Doch auch wenn es das war, was Strache unbedingt wollte, will er keine konkreten Zugeständnisse machen - und die Russin wird im Verluaf des Abends immer missmutiger. Bis Strache zu Gudenus sagt: „Du sagst ihr, wenn sie die Kronen Zeitung übernimmt, drei Wochen vor der Wahl und uns zu Platz eins bringt, dann können wir über alles reden.“ Das Teufelchen hat also gesiegt.

Offener in Zusagen als Strache gibt sich Johann Gudenus, der verspricht, im Falle einer FPÖ-Regierungsbeteiligung „die verdammte FMA“ (Finanzmarktaufsicht) abzuschaffen. Auch auf die Frage der Frau, ob es möglich wäre, alle öffentlichen Ausschreibungen zu bekommen, meint Gudenus: „Wir vergessen unsere Freunde nicht.“

»Es ist möglich, nur er sagt es nicht, verstehen sie? Wir sind zu hundert Prozent bereit zu helfen, egal, was kommt.«

Gudenus‘ Frau Tajana ist an diesem Abend mehr die Zuhörerin. Doch in einem Vier-Augen-Gespräch sagt sie der Russin, dass „prinzipiell alles möglich“ sei. Darauf angesprochen winkt ihr Mann jedoch ab: „Nicht böse sein. Das waren Frauengespräche.“ Als die FPÖ-Partie sich endgültig zum Aufbruch bereit macht, versucht der Begleiter der Russin noch einmal zu drängen. Wenn etwas vereinbart werden solle, dann jetzt oder nie, woraufhin Strache Gudenus noch einmal mit den – inzwischen berühmten – Worten zur „Oligarchennichte“ in die Küche zurückschickt: „Mach das jetzt klar, Joschi. Mach das klar, mach das klar.“ In der Küche zurück sagt Gudenus zur Russin: „Es ist möglich, nur er sagt es nicht, verstehen sie? Wir sind zu hundert Prozent bereit zu helfen, egal, was kommt.“

9. Was Gudenus nicht übersetzte

An einem Punkt fragt die vermeintliche Investorin, was denn passiere, wenn ein anderer Spender andere Interessen haben als sie? Strache erklärt ihr, dass das nicht passieren werde, denn es geschehe nichts, was dem Parteiprogramm widerspreche, denn dieses würde nicht nach Spendern ausgerichtet. Die anderen Spender seien Idealisten, die zum Beispiel Steuersenkungen wollen würden. „Keine depperten Idealisten“ entgegnete Gudenus, worauf Strache lachend erwiderte: „Ich bin kein Trottel.“ Die Russin sagte jedoch - auf russisch - dass Idealisten für sie schwer zu glauben sei und Strache für sie ein „totaler Idiot“. Ein Part, den Gudenus für seinen Parteifreund nicht übersetzte.

10. Absicherung der eigenen Zukunft

Ein Deal, den sich Strache für etwaige Geschäftsvermittlungen aushandeln wollte, war jener: „Dass am Ende, wenn der Joschi in Pension geht und ich in Pension gehe, bei ihr im Aufsichtsrat ein Job frei wird.“

11. Das Wittern der Falle (abseits der Zehennägel)

Tajana Gudenus sprach an diesem Abend aus, was sich später tatsächlich bewahrheiten sollte: Sie könne sich vorstellen, dass die Gespräche in der Villa aufgezeichnet würden, so die Frau von Gudenus zu ihrem Gatten und Strache. Sie sah außerdem mehrmals länger in eine der Kameras, näherte sich dieser aber nicht.

»Das wird nicht stimmen.«

Auch zu einem späteren Zeitpunkt des Abends poppte das Thema wieder auf. „Du, ich sag dir eins, das ist kein Fake“ so Gudenus zu Strache, doch abermals war es seine Frau, die Skepsis äußerte: „Man muss immer vom Worst Case ausgehen." Und auch Strache selbst schien nicht mehr ganz überzeugt: "Das wird nicht stimmen" meinte er in Bezug auf den möglichen "Krone"-Deal innerhalb von drei Wochen.

Bei einem weiteren Treffen zwischen Johann Gudenus und dem Vertrauten der Russin Ende August 2017 in Wien, also etwa ein Monat nach dem Treffen auf Ibiza, bei dem nochmals die Übernahme der „Krone“ thematisiert wurde, sprach Gudenus die Zweifel direkt an: „Das soll kein Angriff sein, ich hab ja ein Grundvertrauen“, aber man habe ja „noch immer keinen Pass gesehen“ Der Mann tat die Frage ab, dass man wohl auf Ibiza einen mitgeführt hätte, aber "da kam nichts". Womit sich Gudenus auch zufrieden gab: „Ja eh. Bin i deppert. Ja eh.“

12. Die Pläne Straches, die politische Konkurrenz zu beschmutzen

Auch über die Diskreditierung politischer Gegner wurde auf Ibiza geplaudert: So erzählte Gudenus, dass er wüsste, wo ein hochrangiger politischer Konkurrent sein Koks kaufe – und auch Strache schien von "Drogenorgien" im Hinterzimmer zu wissen. Außerdem sprechen beide von kompromittierenden Fotos zweier unterschiedlicher Konkurrenten, die die jeweiligen Kontrahenten voneinander besäßen. Straches Idee dazu gestaltete sich folgendermaßen: Diese Fotos zu organisieren und „übers Ausland spielen“. Damit würde, so Straches Gedanke, die eine Seite denken, die andere hätte sie weitergegeben "und der atomare Krieg geht los“. Gelänge das, wäre es für Strache "ein wahres Kunststück“.

13. Die FPÖ wird aktiv

Die Quelle, die den Journalisten das Video zuspielte, meldete sich Anfang Mai (also kurz vor der Veröffentlichung) bei diesen mit einer Sorge: Kräfte im erweiterten Umfeld Straches seien in Sachen Ibiza aktiv geworden. Verschiedene Strategien zur Diskreditierung von möglicherweise involvierten Personen würden bereits erwogen, wie etwa Drogen in den Kofferraum zu legen, um diese dann auffliegen zu lassen. Auch wenn sich die Sorgen nicht bestätigen ließen, erfunden geklungen hätten sie auch nicht, so die Autoren.

14. Wie Strache auf die Vorwürfe reagierte

Zwei Tage vor der Veröffentlichung konfrontierten die Aufdecker Heinz-Christian Strache mit den Vorwürfen per WhatsApp. Am folgenden Tag meldete sich der Sprecher des damaligen Vizekanzlers Martin Glier – "und versuchte es auf die naive Tour“, wie die Autoren beschreiben. Er kenne sich nicht aus und wolle reden – aber im Hintergrund, ohne dass davon etwas berichtet werden dürfe, soll Glier verlangt haben. Darauf ließen sich die Journalisten allerdings nicht ein. Kurz darauf erreichte sie die Whats-App-Antwort von Strache selbst, worin er das "rein private Treffen" bestätigte, allerdings von einer "vermeintlich lettischen Staatsbürgerin" sprach . Außerdem sei viel Alkohol geflossen, die Sprachbarrieren hoch gewesen und er hätte mehrmals auf die "relevanten gesetzlichen Bestimmungen" hingewiesen.
Was danach, ab 17. Mai 2019, 18.00 Uhr geschah, ist wohl inzwischen in die Geschichtsbücher eingegangen.

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