Der bekannteste deutschsprachige Medienwissenschafter mahnt die Bildungspolitik, Voraussetzungen für eine redaktionelle Gesellschaft zu schaffen. Hilfreich für die entsprechende Medienmündigkeit des Publikums wäre mehr Transparenz im Journalismus.
1. Im Vergleich der deutschsprachigen Medienlandschaften: Was ist in Österreich anders/besonders?
Ich sehe eher Gemeinsamkeiten. Überall Nervosität, Gereiztheit, Diskurskrisen – Effekte einer digitalen Revolution, die alles erfasst.
2. Sie haben die Utopie einer redaktionellen Gesellschaft: Wie kann Politik den Prozess unterstützen?
Indem sie – endlich – ein eigenes Schulfach etabliert, in dem Medienmündigkeit auf der Höhe der digitalen Zeit trainiert wird.
3. (Wie) lässt sich abseits staatlicher Institutionen die Medienmündigkeit des Publikums erhöhen?
Durch einen Journalismus, der dialogisch und transparent seine Maßstäbe erklärt und das Publizieren als ein nie endendes Gespräch begreift.
4. Wie wichtig ist es für die Medienwissenschaft, auch breites öffentliches Verständnis zu finden?
Nicht sehr wichtig, wenn man die Zahl der Medienprofessoren mit der Zahl derjenigen vergleicht, die sich öffentlich äußern mögen.
5. Sie waren Professor des Jahres, sind sehr medienpräsent: Wie reagiert Ihre akademische Community?
Mit liebenswürdiger Ignoranz. Aber dies ist kein Grund zur Klage. Mehr darf man nicht hoffen.
6. Ihre Doktorarbeit (1999) behandelt die neonazistische Konstruktion von Feindbildern. Status quo
Ziemlich schrecklich. Was 1999 noch im Verborgenen publiziert wurde, liegt heute offen und öffentlich da.
7. Sie agieren nicht auf Social Media: Genügt die Beobachtung zur wissenschaftlichen Einschätzung?
Ich denke schon. Distanz hilft, um schärfer zu sehen.
8. Ihr neues Buch heißt: Zuhören – Die Kunst, sich der Welt zu öffnen. Wie optimistisch sind sie dazu?
Ziemlich optimistisch, trotz aller Hindernisse. Denn das wirklich Gehört- und Verstanden-Werden ist die große Sehnsucht der meisten Menschen.
