Wer fürchtet sich vor der KPÖ?

Sie waren oder sind noch KP-Mitglieder, haben als Linksintellektuelle vieles verdrängt und dann mehrheitlich die Illusionen verloren. Jetzt changieren die von News befragten Zeitzeugen im Umgang mit der neuen KPÖ zwischen Triumph, vorsichtiger Hoffnung und deklarierter Skepsis.

von KPÖ © Bild: Elke Mayr

Inhaltsverzeichnis Zeitzeugen:

  1. Elfriede Jelinek
  2. Paul Lendvai
  3. Peter Turrini
  4. Heinz Fischer
  5. Marlene Streeruwitz
  6. Konrad Paul Liessmann
  7. Robert Schindel
  8. Peter Huemer
  9. Michael Scharang


Elfriede Jelinek war dabei, hat im Kammerorchester für Arbeiterkampfmusik des Komponisten Willi Zobl sogar die Bratsche gestrichen. Ausgetreten ist sie, als die KPÖ ein besetztes Parteiheim mit Polizeigewalt räumen lassen wollte. Robert Schindel war Mitglied, aber nur kurz, beider Schriftstellerkollege Michael Scharang ist noch heute dabei. Paul Lendvai war Opfer der Kommunisten, mit denen Peter Turrini und Konrad Paul Liessmann wie viele Linksintellektuelle sympathisiert haben, bis sie die Illusionen verloren. Doch während Turrini wie Elfriede Jelinek, Marlene Streeruwitz, Schindel und Scharang von der neuen, frischen Linken angetan ist, vermisst Liessmann die Distanzierung vom Stalinismus und ist sich in dieser Hinsicht mit Heinz Fischer einig. Ihnen allen wie dem großen Publizisten Peter Huemer ist gemeinsam, dass sie als Zeitzeugen unschätzbares Wissen in die Debatte um die neue KPÖ einbringen.

»Ich freue mich sehr«
Elfriede Jelinek
© imago images/Leemage

ELFRIEDE JELINEK, NOBELPREISTRÄGERIN

Ich hoffe, daß die KPÖ nicht nur ein soziales Heftpflaster sein wird, das, durch teilweisen Gehaltsverzicht etc., die Versäumnisse der andren Parteien zudecken möchte. Aber das wird sie nicht, das kann man schon sehen. Es ist halt wahnsinnig schwierig, bei einem derartig starken Kapitalismus, der längst gesiegt hat, und einem ebenso starken Neoliberalismus noch soziale Ziele zu erreichen. Aber ich freue mich sehr über diesen Anfang, auch schon davor in Graz. Man muss vielleicht durch die losen Maschen der andren Parteien durchschlüpfen und diese dann von innen her sozusagen auftrennen, damit ihre Blößen, die viele noch nicht sehen, endlich für alle sichtbar werden.

»Die Verführbarkeit der Österreicher«
© (C)2022 Ricardo Herrgott/News

PAUL LENDVAI, PUBLIZIST

Das ist ein Beispiel für die Verführbarkeit der Österreicher. Für die Verführbarkeit von Links und von Rechts. Aber diese Adjektive sagen ja nichts, wenn Sie bedenken, dass die FPÖ mit Herbert Kickl jetzt bei 30 Prozent in den Umfragen liegt und er Bundeskanzler werden möchte. Und was ist dann diese KPÖplus? Wenn man das übersetzt, soll das noch etwas Besseres, noch etwas Stärkeres sein als die alte KPÖ. Dass die KPÖ seit 1959 nicht im österreichischen Parlament vertreten ist, ist wunderbar. Dass Bruno Kreisky im Oktober 1969 die sogenannte Eisenstädter Erklärung der Partei erzwungen hat, die festhält, dass man mit den Kommunisten nichts zu tun haben will, war eine gute Sache. Keine gute Sache war, dass die SPÖ noch vor Kreisky glaubte, dass mit Unterstützung der KPÖ Stimmen zu gewinnen wären.

Was man zu diesem sehr sympathisch wirkenden jungen Mann in Salzburg sagen kann? Es ist lächerlich, wenn er einen Vergleich mit den Vergehen der katholischen Kirche vor Jahrhunderten anstellt. Wir haben heute eine KP in China mit 98 Millionen Mitgliedern, die am Sprung ist, ganz Asien zu vereinnahmen und vielleicht auch einen Angriff auf Taiwan zu starten. Wir haben noch immer eine KP in Kuba, wo die Leute ihre Autos zu den Tankstellen schieben. Ein Land, das von Castro zugrunde gerichtet wurde. Dann stellt man sich 2023 in Salzburg so wie in Graz als eine Art rote Caritas vor. Sehr schön, dass man einen Teil der Gehälter verteilt, das wurde schon in Graz praktiziert, aber das wird den von der Inflation betroffenen VIELEN Menschen nicht helfen. Dazu muss man die Gesellschaft ändern, aber nicht unter dem Motto KPÖplus. Das ist ein Etikettenschwindel und eine Irreführung. Wenn sie Kommunisten sind, ist das noch schlimmer, wenn sie keine Kommunisten sind, das aber von sich behaupten, sind sie Heuchler. Ich sage das auf der Grundlage von Jahrzehnten totalitärer Regime. Ich bin für alles, was die Drohung einer Orbanisierung oder Putinisierung verhindert, aber diese KPÖplus wird nicht dazu beitragen. Die werden der FPÖ noch enttäuschte Sozialdemokraten hinführen.

»Zur Nachahmung sehr empfohlen«
Peter Turrini, Schriftsteller
© imago/Future Image

PETER TURRINI, SCHRIFTSTELLER

Herr Turrini, Wie gefällt Ihnen das glänzende Abschneiden der KPÖ in Salzburg?
Ich habe die Ausführungen des Herrn Dankl gehört und fand sie sehr erfreulich. Erstens höre ich ihm gerne zu. Da ist jemand noch nicht im Würgegriff des Politsprechs, sondern redet politisch klare und verständliche Texte. Und inhaltlich hat sich diese KPÖ von kommunistischen Traditionen sowjetischer Prägung vollkommen abgegrenzt. Sie verdammen auch Putin. Wenn es also Sympathien für postsowjetische Erscheinungen Putin'scher Prägung gibt, entdecke ich die eher bei der Industriellenvereinigung als bei dieser kommunistischen Partei.

Waren Sie selbst je KPÖ-Mitglied?
Nein, ich war nie bei einer Partei. Ich war nur katholisch und Ministrant.

Aber Sympathisanten waren wir doch alle. Wir hatten doch die dunklen Seiten der Sowjetunion lange verdrängt, nicht?
Ich habe eine sehr ausgedehnte Vorlesungsreise durch die damalige Sowjetunion gemacht und ziemlich aufregende kulturelle Veranstaltungen erlebt. Was die politische Situation betraf, wurde ich zunehmend ernüchtert. Das galt auch für die DDR, wo ich etliche Aufführungen meiner Stücke besucht habe. Wenn es auf die Funktionärsebene hinüberwanderte, haben mich die DDR-Herren an ÖVP-Funktionäre aus meinem Heimatland erinnert. Beide Gruppierungen waren der Meinung, sie seien im Besitz der Wahrheit, und es sei über nämliche nicht mehr zu diskutieren.

War Ihnen die Menschenrechtssituation in ihrem vollen Umfang bewusst? Wir haben doch gern damit argumentiert, der Weg zum realen Sozialismus sei eben ein steiniger.
Fairerweise muss ich sagen, dass ich in den Siebzigerjahren Sympathien für sozialistische Länder hegte. Meine Schriftstellerkolleginnen und -kollegen in der DDR und in der Sowjetunion haben mir diese Verblendung gründlich ausgeredet. Ich wollte die Länder meiner Hoffnung nicht gleich so sehen, wie sie waren, aber irgendwann bekam ich einen klareren Blick.

War der Zusammenbruch des sozialistischen Blocks im Jahr 1989 für Sie ein Schock?
Nein. Der Schrecken war für mich eher das Triumphgeheul des Westens und des Kapitalismus.

Und haben wir es jetzt in Österreich überhaupt mit Kommunisten zu tun, oder sind die etwas anderes, das nur so heißt?
Das ist eine linke Partei, die mit Kommunismus im traditionellen Sinn nichts zu tun hat und vielleicht eine Neuinterpretation des Begriffs schafft. Vor allem schielen sie nicht gleich auf Organisationen, Parteizentralen und österreichische Machtanwandlungen, sondern versuchen, an der Basis zu arbeiten und dort politischen Boden unter den Füßen zu gewinnen. Und das ausschließlich über Menschen, für die sie eintreten und denen sie zu helfen versuchen. Und das manchmal mit eigenem Geld.

Ist das Spenden von Gehaltsbestandteilen nicht eine etwas plakative Geste, die im Grund wenig verändert?
Es wäre schön, wenn alle von dieser Geste erfasst wären. Alle diese Gewinnler, Abzocker und Geldheimträger in der Politik! Sehr zur Nachahmung empfohlen und alles andere als eine kitschige Geste. Auch bei Elke Kahr in Graz, die ich von früher kenne, gibt es diese Grundhaltung persönlicher Großzügigkeit. Von Anfang an hat sie darauf geschaut, dass andere in ihrer Umgebung zu etwas kommen. Und bei den Salzburgern wird es ähnlich sein.

Aber wird die KPÖ der SPÖ und den Grünen im Sinne einer linken Zersplitterung schaden?
Erstens: Wenn jemand der SPÖ und den Grünen schadet, dann sie sich selber. Und zweitens sind das, ähnlich wie bei der Letzten Generation, die sich auf der Straße anklebt, eben neue Formen des Widerstands, die mir grundsympathisch sind und viel weniger ideologisch, als jetzt behauptet wird. Diese Gott sei Dank gar nicht so kleinen Gruppen in Salzburg und Graz sollen jetzt mit dem Kommunismusbegriff angepatzt werden. Aber das schlägt völlig fehl. Das ist eine engagierte Gruppe, die neue Wege sucht.

Wie groß schätzen Sie denn das Wählerpotenzial einer solchen Partei?
Jahrelang dachte ich, das Potenzial reiche nicht einmal bis ein Prozent, und so war es ja auch. Und jetzt? Alles habe ich in Salzburg vermutet, aber keine starke kommunistische Partei. Die Überraschung ist ebenso groß wie die Freude.

Als Instrument gegen die FPÖ taugt die KPÖ aber nicht, oder doch?
Im Augenblick habe ich das Gefühl, gegen die FPÖ gibt es gar kein Instrument. Offensichtlich ist der innere Rumor bei vielen Leuten so groß, dass ihr Hauptbedürfnis die Triebabfuhr ist, und die ermöglicht ihnen die FPÖ. Sie löst zwar nichts, aber sie lässt grölen.

»Der Name ist leider eine klare Ansage«
Heinz Fischer war Österreichischer Bundespräsident vor Alexander Van der Bellen
© imago images/Rudolf Gigler

HEINZ FISCHER, EX-BUNDESPRÄSIDENT

Wie sehen Sie den Aufstieg der KPÖ in Salzburg?
Grundsätzlich hat im Bereich der EU die abnehmende Bindungskraft der beiden großen Weltanschauungsparteien (Christlichsoziale und Sozialdemokraten) - die auf ihrem Höhepunkt in manchen Ländern um die 90 Prozent der Wählerstimmen erreichten - zur Folge, dass neue politische Parteien gegründet wurden und zum Teil auch in den nationalen Parlamenten Fuß fassen konnten. In Österreich waren das vor allem die Grünen und die Liberalen. Darüber hinaus war auf Landesebene zuletzt in der Steiermark und in Salzburg auch eine Partei erfolgreich, die einige wenige, aber wichtige soziale Themen in sympathischer und erfolgreicher Weise in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten setzte und damit einen unerwarteten Erfolg hatte.

Ist das Abschneiden der KPÖ ein Zeichen der Hoffnung für die Linke in Österreich?
Eine "Hoffnung für die Linke" in Österreich könnte das nur werden, wenn sie sich mit absoluter Eindeutigkeit vom Kommunismus distanzieren und dazu beitragen, das linke Lager insgesamt zu stärken und nicht nur zu Stimmenverschiebungen innerhalb des linken Lagers führen. Aber das ist - so wie es derzeit aussieht - eine sehr unsichere "Hoffnung".

Ist das überhaupt eine kommunistische Partei?
Warum sie sich "Kommunisten" nennen, ist mir (von außen gesehen) schleierhaft, weil der Begriff Kommunismus zu Recht sehr negative Assoziationen weckt. Aber der Name ist (leider) eine klare Ansage. Gleichzeitig findet man aber wenig von Lenin, von Breschnew, von Honecker, Ceausescu oder auch Koplenig oder Muhri in dieser Partei. Für die Zukunft wird daher mehr Klarheit unerlässlich sein.

Kann diese Partei der SPÖ und den Grünen schaden?
Ja, sie könnte der SPÖ und den Grünen schaden. Man weiß zwar heute noch nicht, ob und wie sich diese Partei weiterentwickelt, aber sie wird von Mitte-Links jedenfalls mehr Stimmen bekommen als von Mitte-Rechts und daher dem ÖVP/FPÖ-Lager, das sich in letzter Zeit immer deutlicher herausbildet, mehr nützen als schaden.

Ist die KPÖ ein Mittel gegen Kickl? Ist die FPÖ überhaupt zu bremsen?
Die Frage erstaunt mich. Natürlich ist die FPÖ zu bremsen. Sie verfügt derzeit über rund ein Viertel der Wählerstimmen und ist eine Partei, die sich durch starke Schwankungen - auch nach unten - auszeichnet. Die Vertreter der anderen 75 Prozent der Wählerschaft haben es dann in der Hand, eine vernünftige Regierung ohne FPÖ zu bilden. Ob auch die KPÖplus dazu einen konstruktiven Beitrag leisten könnte, wird von ihrer weiteren Entwicklung und vor allem von ihren Inhalten und Positionen abhängen. Ich persönlich verlasse mich in der Auseinandersetzung mit der FPÖ-Spitze bzw. mit einer ÖVP-FPÖ- oder FPÖ-ÖVP-Koalition, lieber auf die Sozialdemokratie und allenfalls auf deren Koalitionspartner als auf eine KPÖ, die für mich undurchschaubar ist und es bisher völlig unbeantwortet ließ, warum sie den Namen KPÖ gewählt hat und ob es die Chance auf eine wirklich glaubwürdige und unwiderrufliche Distanzierung vom Kommunismus gibt.

Wie stehen Sie zum Kommunismus?
Die österreichische Sozialdemokratie steht seit ihrer Gründung in einem harten und prinzipiellen Gegensatz zum Kommunismus. Ihre Leistungen auf dem Weg zur Demokratie und bei der Abwehr vom Kommunismus nach Ende des Zweiten Weltkrieges sind unbestritten. Ich selbst habe meinen ersten großen Zeitungsartikel im Jahr 1961 in der Monatszeitschrift "Die Zukunft" veröffentlicht, und er hatte den Titel "Die Verbrechen Stalins"(vielleicht eine Lektüre für KPÖplus).

War 1989 ein Schock oder eine Erlösung?
Das Jahr 1989 war für mich weder Schock noch Erlösung, sondern das Jahr, wo aller Welt bewiesen wurde, dass der "Reale Kommunismus" in Europa nicht in der Lage war und ist, die Probleme unserer Zeit, d. h. die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme in einer pluralistischen Gesellschaft in sinnvoller und humaner Weise zu lösen.

»Demokratiewilliger als andere Parteien«
Marlene Streeruwitz
© imago images/STAR-MEDIA

MARLENE STREERUWITZ, SCHRIFTSTELLERIN

Wie sehen Sie den Aufstieg der KPÖ in Salzburg?
Mich wundert das nicht. Das ist eine Reaktion auf die Ungerechtigkeit der Verteilung der Ressourcen. Die KPÖplus ist die einzige Partei, die eine Antwort auf diese Ungerechtigkeit weiß.

Ist die KPÖplus überhaupt eine kommunistische Partei?
Die KPÖplus will den Idealzustand der Gesellschaft heute über Demokratie erreichen. Darin ist sie sicherlich nicht kommunistisch. In der Beteiligung aller an allen Ressourcen ist das Ideal erhalten. Die KPÖplus ist das Ergebnis der durch das Jahr 1989 notwendigen Neuerfindung. Die KPÖ hat gelernt, dass es dieses Plus geben muß, das aus der Mitbeteiligung aller kommt. Darin ist die KPÖplus heute demokratiewilliger als alle anderen Parteien.

Kann diese Partei der SPÖ und den Grünen schaden?
Darüber werden die Wähler und Wählerinnen entscheiden. Es geht doch sicher darum, die Lebenswirklichkeiten der Personen in Mitbestimmung gestalten zu müssen. Die Klimakrise wird Mitbestimmung zur Notwendigkeit machen, wenn die Ressourcenverteilung unseren Alltag erreichen wird. Da sind wir mit der Energiekrise gerade am Anfang. Alle anderen Parteien verkommen in kritikloser Selbstverständlichkeit. Dass die NEOS keine Stimmen mehr bekommen, erzählt doch von den demokratischeren Vorstellungen der Wähler und Wählerinneninnen. Es wird allerhöchste Zeit, Mitbestimmung durchzusetzen, um weiter demokratisch leben zu können. In Graz arbeitet das gesamte System gegen die KPÖ-Bürgermeisterin und ihre Partei, und dennoch geht niemand von denen von den Idealen der Mitbestimmung ab. Es ist halt überzeugend, wenn Politiker: innen sich nicht korrumpieren lassen.

Ist die KPÖ ein Mittel gegen Kickl? Ist die FPÖ überhaupt zu bremsen?
Die FPÖ will ohne jede Mitbestimmung bestimmen können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Personen so über sich selbst hinweg regiert werden und sich um ihre Freiheiten und Grundrechte bringen lassen wollen. Die KPÖplus ist da ein Gegenmittel. Im übrigen gibt es vor den Wahlen immer eine virtuelle Wahlkabine, in der eine Person herausfinden kann, welche Partei die Wünsche dieser Person am ehesten erfüllen wird. Da kommt zu einem hohen Prozentsatz heraus, dass die KPÖplus den politischen Vorstellungen der anfragenden Personen entspricht.

Wie stehen Sie selbst zum Kommunismus? War 1989 ein Schock oder eine Erlösung?
Ich wünsche mir reale Demokratie in der Anerkennung der Grundrechte. Als Autorin muss ich auf der Freiheit der Rede bestehen. 1989 war das Versprechen, dass eine Lektion gelernt worden war und die Zukunft die Mitbeteiligung aller bringen würde und dass die Wahrheiten in freier Rede geäußert werden können. Da scheint aber im Nachhinein doch die Balance verloren gegangen zu sein, in der der Kapitalismus sich gegen den Kommunismus moralisch erklären mußte. Die daraus entstandene Scheinmoral ist nach 1989 ungebremst in Globalisierung und Totalverwirtschaftlichung begraben worden. Das hat mit der Finanzkrise 2007/2008 zu jenen Sparmaßnahmen geführt, deren brutale Folgen von der rechten Politik benutzt werden, für ihre faschistischen Vorstellungen Unzufriedene rekrutieren zu können. Imgrund wird derzeit verhandelt, ob diese Unzufriedenheit an irgendwelche Führungen übertragen wird oder ob die Personen ihr Schicksal demokratisch selbst mitentscheiden wollen. Zwang oder Freiheit. Wie immer schon geht es darum, entweder eine Politik der Entwertung der anderen sadistisch zu genießen und sich mitentwerten zu lassen oder eine Politik des Selbstwerts einzuschlagen, in der der Alltag demokratisch bewältigt und für alle das gute Leben garantiert wird.

»Im Mantel einer Wohlfühlpartei«
Konrad Paul Liessmann
© imago/SKATA

KONRAD PAUL LIESSMANN, PHILOSOPH

Wie sehen Sie den Aufstieg der KPÖ in Salzburg? Ist das ein Zeichen der Hoffnung für die Linke in Österreich?
Es ist zumindest ein Signal, dass die traditionellen Linksparteien in Österreich -SPÖ und Grüne -Konkurrenz bekommen haben. Dass dies auf der kommunalpolitischen Ebene zu Machtverschiebungen führen kann, hat Graz gezeigt. Ob auf Dauer Platz für eine erstarkte KPÖ sein wird, hängt auch davon ab, ob sich die Sozialdemokratie weiter mit Personalfragen beschäftigt, womöglich spaltet oder sinnvolle Antworten auf den Strukturwandel der Arbeitswelt und Gesellschaft findet, ohne in den Radikalismus der Kommunisten zu verfallen.

Ist die KPÖplus überhaupt eine kommunistische Partei?
Auch wenn KPÖplus im Mantel einer sozialen Wohlfühlpartei erscheint: Laut Parteiprogramm tritt die KPÖ im Gegensatz zur SPÖ für die Revolution, die Abschaffung des Kapitalismus und die Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft ein, sie beruft sich auf Marx und Lenin und hat sich von den Verbrechen des Stalinismus und kommunistischer Diktaturen, wenn überhaupt, nur halbherzig distanziert, ein radikaler EU-kritischer Ton ist unüberhörbar -sofern die KPÖplus dieses Programm mitträgt, ist sie kommunistisch.

Kann diese Partei der SPÖ und den Grünen schaden?
Sie kann nur der SPÖ und den Grünen schaden. Ihre Wähler kommen aus demselben Segment, möglich, dass es auch einige sozial gesinnte Bürgerliche gibt, die sich von der skandalgeschüttelten ÖVP abund einer sozialromantischen Linken zuwenden. Insgesamt, das zeigte auch Salzburg, bleibt das Verhältnis zwischen rechts und links annähernd gleich, aber die radikalisierten Ränder werden stärker. Das schadet vor allem der liberalen Mitte und damit der Freiheit und der Demokratie.

Ist die KPÖ ein Mittel gegen Kickl? Ist die FPÖ überhaupt zu bremsen?
Es ist für jede Partei ein programmatischer Fehler, sich nur als Mittel gegen eine andere Partei oder eine Person zu verstehen bzw. sich dazu von Medien hochschreiben zu lassen. Wer die FPÖ oder Kickl verhindern will, muss eine Politik und Angebote machen, die jene überzeugt, die, offenbar frustriert, ihre Proteststimme bei der FPÖ deponieren. Wer aus welchen ideologischen oder moralischen Gründen auch immer solche Angebote nicht machen kann oder will, darf sich über weitere Wahlerfolge der FPÖ nicht wundern.

Wie stehen Sie zum Kommunismus? War 1989 ein Schock oder eine Erlösung?
1989 war vor allem eines: unglaublich. Niemand hatte mit dem Zusammenbruch der poststalinistischen Welt gerechnet, kein Zukunftsforscher hat ihn im Programm gehabt. Ich war in meiner Jugend zu sehr in kommunistische Bewegungen verstrickt, um nicht zu wissen, das dies eine Erlösung von einem totalitären System und Denken war, dem weltweit ungefähr 100 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. Dass es sich bei diesen Verbrechen nur um den Missbrauch einer an sich guten Idee gehandelt habe, ist eine fromme Legende. Der Zug zum Totalitären und Gewaltsamen ist dem Kommunismus von Anfang an und prinzipiell eingeschrieben. Es wird immer ein Schandfleck aktueller linker Bewegungen sein, dass sie den Opfern dieser Politik noch immer keine Stimme gegeben haben. Die nostalgische Verzückung, die jetzt auch viele Intellektuelle angesichts der Wahlerfolge einer linksradikalen Partei befällt, kann ich deshalb nur schwer nachvollziehen, ohne zu verkennen, dass diese Wahlerfolge nicht nur mit dem Charisma eines Spitzenkandidaten, sondern vor allem mit ungelösten und drängenden sozialen Fragen zu tun haben.

»Das klingt ganz sympathisch«
Robert Schindel, Schriftsteller
© IMAGO/SKATA

ROBERT SCHINDEL, SCHRIFTSTELLER

Wie sehen Sie den Aufstieg der KPÖ in Salzburg?
Sie haben versucht, einen links-grünen Weg zu gehen. Das klingt ganz sympathisch. Wann hatte jemals in Österreich auf Landesebene eine Partei mit dem Namen Kommunisten Erfolg? Das Ergebnis der KPÖ ist auf jeden Fall ein guter Dämpfer für die immer mehr verrottende ÖVP. Allerdings ist es auch nicht erfreulich, dass die Rechten zugelegt haben.

Wie stehen Sie zu den Kommunisten?
Ich war von 1961 bis 1967 Mitglied der KPÖ. Dann bin ich ausgetreten, weil die kommunistische Partei zum Establishment gehörte. Links geblieben bin ich immer, aber mit der kommunistischen Partei sowjetischer Ausprägung, wie sie von vielen Altkommunisten unterstützt wurde, hatte ich nichts am Hut. Anfang der Siebzigerjahre ging ich zu den Maoisten. Das verbuche ich als einen Fünfjahres-Irrtum. Danach hatte ich genug. Die Kulturrevolution in China hatten wir damals vollkommen falsch verstanden. Wir hatten einem Autor namens Giovanni Blumer gelesen, der komplett falsche Dinge über die Kulturrevolution in China verbreitet hat. Ich war damals politisch verblendet. Demokratie hielten wir für eine bürgerliche Erfindung und setzten auf die Diktatur des Proletariats.

Ist die KPÖplus überhaupt eine kommunistische Partei?
Ich kenne sie nicht. Aber Kommunisten im alten Sinne sind sie offenbar nicht, eher eine Mischung aus Grünen und Linken. Eine neue anti-diktatorische Linkspartei.

Kann diese Partei den Grünen und der SPÖ schaden?
Sie kann ihnen auf jeden Fall Stimmen wegnehmen.

Kann sie Kickl und die FPÖ bremsen?
Wenn ich mir die österreichische Geschichte ansehe, bin ich mir nicht sicher, ob der so ohne Weiteres zu bremsen ist, aber zwischen bremsen und übermächtig gibt es noch eine Bandbreite. Wenn die beiden Großparteien nicht wirklich versuchen, einen demokratischen Linkskurs zu fahren, weiß ich nicht, ob die Rechten so leicht aufzuhalten sind. Aber vielleicht wird sich in den nächsten Jahren eine Linkspartei herausbilden, die Abwehrmöglichkeiten gegen die FPÖ hat. Die Gefahr, dass sich eine Art neuer Faschismus aus Kickl und seinen Anhängern bildet, gibt es. Ob da ausgerechnet das, was in Salzburg und in Graz passiert, ein Mittel dagegen ist, bleibt fraglich.

»Sankt Franziskus ist das Vorbild«
Peter Huemer
© imago images/Rudolf Gigler

PETER HUEMER, JOURNALIST

Wie sehen Sie das Abschneiden der KPÖ in Salzburg? Ist das eine Hoffnung für die Linke?
Ich wage nicht, pauschal zu sagen, ob es der Linken hilft. Es ist jedenfalls eine Bereicherung des linken Spektrums, ob sie hält, das weiß ich nicht.

Ist diese KPÖ überhaupt eine kommunistische Partei?
Offensichtlich glaubt niemand, dass es sich hier um Kommunisten im historischen Sinn handelt. Das heißt mit mörderischer Intoleranz und einem Streben nach diktatorischer Gewalt. Ich sehe diesen Ansatz auch nicht. Das Auffallendste und Attraktivste an ihnen ist, dass die Parteispitze nach den Regeln des Heiligen Franziskus lebt. Das heißt, sie leben mit glaubwürdigem und erkennbaren Verzicht. Sie setzen auf das Wohnproblem und haben eine soziale Position bezogen, die natürliche eine linke ist. Sie könnte genauso eine christliche sein, aber ich wüsste keine christliche Partei, die das macht. Ich finde das allerdings kein anstrebenswertes Modell für Politiker, weil ich immer der Meinung war, dass Politiker, die einen wirklich anstrengenden Job haben, anständig bezahlt werden sollen. Da ist jeder Neid unangebracht. Wobei ich noch hinzufüge, Korruption hat nichts mit der Bezahlung zu tun. Wer korrupt ist, bleibt das auch bei guter Bezahlung.

Kann die KPÖ der SPÖ und den Grünen schaden?
Ich vermute, dass sie für die SPÖ und für die Grünen ein Problem werden kann, wobei das bis zu einem gewissen Grad ein Missverständnis ist, vor allem, was die Grünen betrifft, weil die von der Mittelschicht gewählt werden. Die bedürftigste Wählerschaft hat die FPÖ. Diese neue KPÖ sollte der FPÖ die Wähler wegnehmen. Aber da haben wir wieder das Bildungsproblem, denn die Wähler der FPÖ sind die ungebildetsten und kapieren nicht, dass die KPÖ ihre Interessen vertritt und nicht diese widerlichen nationalistischen Nazi-Krakeeler. Aber die FPÖ ist immer nur von lauten Schreiern wie Stronach in ihrem Wählerpotenzial bedroht worden.

»Ich kann auf die KPÖ nur stolz sein«
Michael Scharang
© imago/SKATA

MICHAEL SCHARANG, SCHRIFTSTELLER

Wie sehen Sie den Aufstieg der KPÖ in Salzburg?
Ich als Kommunist kann nur stolz auf die KP in Österreich sein. In einer bundesweiten Umfrage liegt sie bei acht Prozent, nur in Wien ist sie am schwächsten, aber das kann noch werden, denn auch hier gibt es Wohnprobleme.

Ist die KPÖ eine Gefahr für die SPÖ und die Grünen?
Die Grünen spielen im Moment überhaupt keine Rolle. In der Obersteiermark haben die SPÖ und die KPÖ gewonnen, das zeigt, die nehmen einander keine Stimmen weg. Aber der Zustand ist SPÖ ist ein Jammer.

Kann die KPÖ Kickl und die FPÖ bremsen?
Die einzigen, die ganz klar antifaschistisch agieren, sind die Kommunisten. Sie waren die Einzigen, die gegen Hitler Widerstand geleistet haben. Das wäre doch ein schöner Vergleich: Heute leisten sie Widerstand gegen Kickl. Das ist gesamtpolitisch eine große Aufgabe, und es soll niemand behaupten, dass die FPÖ die Partei der Arbeiter ist. Aus der Gegend rund um Kapfenberg, aus der ich komme, gab es einmal eine Phase, in der die Arbeiter sehr stark FPÖ gewählt haben. Das ist vorbei. Die KPÖ sitzt in der Steiermark auch im Landtag, die FPÖ hat durchgehend verloren, die SPÖ und die KPÖ haben gewonnen. Das zeigt, wenn man sich nicht um die Arbeiter kümmert, dann driften sie ab. Sobald man aktiv wird, wählen sie links.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 18/2023 erschienen.