Spiel mit dem Feuer

FPÖ-Chef Herbert Kickl hat nicht die Absicht, Regierungsfähigkeit zu demonstrieren. Er setzt lieber weiter auf eine Radikalisierung – und riskiert damit sehr viel.

von Analyse - Spiel mit dem Feuer © Bild: Privat

Man könnte glauben, FPÖ-Chef Herbert Kickl habe sich enttäuscht abgefunden damit, dass er bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen unten durch ist. Er legt jedenfalls keinen Wert darauf, regierungsfähig zu wirken und sich so vielleicht doch noch zu empfehlen. Der Eindruck täuscht jedoch: Van der Bellen hat klargemacht, dass er Kickl kaum als Kanzler akzeptieren würde. Das greift der 54-Jährige gerne auf: Schon bisher hat er sich als derjenige ausgegeben, der auf der Seite eines geknechteten Volkes steht und gegen "die da oben" kämpft. Da ist er sogar dankbar, wenn er behaupten kann, er werde auch vom Staatsoberhaupt abgelehnt.

Im Übrigen geht er davon aus, sich durchzusetzen. Kalkül: Wenn er die FPÖ auf Platz eins bringt, werden Dinge möglich, die heute unvorstellbar erscheinen. Wer weiß schon, wer dann noch das Sagen hat bei ÖVP und SPÖ? Abgesehen davon ist die Sehnsucht nach einer Rückkehr zu Rot-Schwarz bei den beiden ehemaligen Großparteien überschaubar. Kickl kann sich daher Hoffnungen machen.

Sollte es ihm gelingen, mit Hilfe einer anderen Partei eine Mehrheit im Nationalrat zusammenzubringen, die darauf besteht, dass er Kanzler wird, wird es schwierig für Van der Bellen, sich dagegenzustellen. Es würde zu einem Patt kommen, bei dem es darum geht, wer länger hart bleibt.

Festung Kickl?

Also mobilisiert Kickl mit einer Radikalität für sich, die ihresgleichen sucht: In militärisch anmutender Kleidung wirbt er für eine "Festung Österreich" mit geschlossenen Grenzen, zwischendurch bezeichnet er Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) als "Hexe".

Als FPÖ-Chef signalisiert er, dass es kein Tabu gibt, dass alles zulässig ist. Das ist ansteckend: Prompt findet der niederösterreichische Parteikollege Udo Landbauer Menschenrechte nicht mehr passend, sagt der freiheitliche Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl zu Schülern aus der Bundeshauptstadt, die über einen Migrationshintergrund verfügen, dass Wien ohne sie noch Wien wäre.

Kickl findet das okay, in seiner Partei geht es manchen zu weit. Der Salzburgerin Marlene Svazek etwa, die eine Landtagswahl zu schlagen hat und sich für die Zeit danach schon jetzt alle Optionen offenhalten möchte; auch eine Regierungsbeteiligung. Oder dem Oberösterreicher Manfred Haimbuchner, der als stellvertretender Landeshauptmann lieber eine gemäßigte Rolle einnimmt. Parteiinterne Konflikte sind da vorprogrammiert.

Das Gymnasium der Schüler, die Waldhäusl in einem TV-Studio angesprochen hatte, wurde wiederum Ziel einer Plakataktion mit rassistischen Slogans. Das ist mehr als alles andere auch für Kickl ein ernst zu nehmendes Problem: Es zeigt, dass er mit dem Feuer spielt. Dass sich auch Kräfte, die außerhalb seiner Kontrolle stehen, zu Dingen ermuntert fühlen könnten, die aus Sicht einer Masse unerträglich sind und daher auch für ihn gefährlich wären.

Zahl

Denkzettel vom Land

Bundesweite Wahlen werden eher noch auf dem Land entschieden. Als Präsidentschaftskandidat hat sich Alexander Van der Bellen daher um die dortige Bevölkerung bemüht und seine Herkunft aus dem Tiroler Kaunertal betont. Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der in Wien-Meidling aufgewachsen und zur Schule gegangen ist, überraschte vor der Nationalratswahl 2019 mit der Aussage, dass er aus einem kleinen Dorf in Niederösterreich komme. Gemeint hat er Zogelsdorf im Waldviertel, wo er auf dem Bauernhof seiner Großmutter mütterlicherseits freie Tage verbrachte.

Große Teile des ländlichen Raumes haben wenig von solchen Signalen. Im Unterschied zu Städten, die wachsen, sind sie mit einem Bevölkerungsrückgang konfrontiert. Laut jüngster Prognose könnte etwa der Bezirk Murau in der Steiermark im Jahr 2050 um rund 16 Prozent weniger Einwohner haben. Zweistellig könnte der Rückgang etwa auch in Waidhofen an der Thaya, Zwettl und Gmünd in Niederösterreich werden.

Das hat Folgen für viele Leute dort: Während Wiener nicht weit zur Arbeit haben und abends die Wahl haben, welches Lokal mit internationaler Küche sie besuchen könnten, müssen sie im schlimmsten Fall stundenlang pendeln und finden zu Hause nicht einmal an Wochenenden ein Wirtshaus vor, weil es keines mehr gibt. Und zumal Junge wegziehen und kaum jemand zuwandert, schreitet die Alterung besonders schnell voran; es gibt immer weniger Menschen im Erwerbsalter und es wird noch schwieriger, zum Beispiel Pflegedienste zu gewährleisten.

Auch insofern war die niederösterreichische Landtagswahl ein Denkzettel für die ÖVP. In den erwähnten Bezirken hat sie zum Teil weit überdurchschnittlich verloren: Als bestimmende Partei, die gerne vorgibt, alles regeln zu können, hat sie eine Rechnung dafür erhalten, dass mehr und mehr Menschen Perspektiven in ihrer Region schwinden sehen.

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Bericht

Bei der falschen Partei

Dass sich Beamte, die sich um eine Stelle bemühen und leer ausgehen, ungerecht behandelt fühlen, ist das eine. Dass die Gleichbehandlungskommission des Bundes regelmäßig feststellt, dass wirklich eine politisch motivierte Benachteiligung vorliegt, das andere. Es handelt sich um eine Bestätigung dafür, dass sie bei der falschen, jedenfalls aber nicht bei der richtigen Partei sind.

Im vergangenen Jahr hat die Kommission 14 ausführliche Gutachten zu derartigen Vorwürfen erstellt. Immerhin acht Mal wurde eine "Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung" bestätigt. Ein Fall ist gerade öffentlich geworden: Etienne Berchtold, langjähriger Sprecher von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), wurde nach dessen Abgang zum Botschafter in Abu Dhabi ernannt. Ein Mitbewerber, der einst Außenministerin Karin Kneissl beraten hatte und unterlag, beschwerte sich und wurde bestätigt: Für den zuständigen Senat "besteht kein Zweifel", dass Berchtolds Bestellung auf einem "parteipolitischen" Motiv beruhte.

Die meisten Diskriminierungen gibt es im Bildungs- und im Innenministerium. Zwei Klassiker: Eine Pädagog in hatte die Erfahrung gemacht, dass sie aufgrund einer fehlenden Parteimitgliedschaft nicht HAK-Direktorin werden kann. Zum Zug kam eine Vertreterin der ÖVP-nahen Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG). Ähnlich erging es einem Beamten, der vergeblich um einen Karrieresprung in einem Stadtpolizeikommando gekämpft hatte. Bereits bei der Bewerbung sei ihm beschieden worden, "das falsche Parteibuch" zu haben, berichtete er der Kommission.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at