Marlene Svazek:
Vorsicht, Rutschgefahr

Letzten Freitag wurde Marlene Svazek bei einer Sitzung der Bundesparteileitung der FPÖ offiziell zur neuen Generalsekretärin der Freiheitlichen gewählt. Die Salzburger FPÖ-Landesparteichefin tritt damit die Nachfolge von Innenminister Herbert Kickl an. Bereits zu Jahresbeginn 2017 hat News Marlene Svazek begleitet. Eine Nachlese.

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Der Mantel ist zu dünn, die Stiefeletten haben kein Profil, und Marlene Svazek rutscht durch den Salzburger Mirabellgarten. Es ist bitterkalt, doch Svazek beschwert sich nicht. Sie hat Übung darin, sich auf Glatteis zu bewegen. Seit letztem Juni ist die 24-Jährige Landesparteichefin der Salzburger FPÖ. Das macht sie zur offiziellen Gastgeberin des Neujahrstreffens der Partei am Samstag. Es ist ihr erster großer Auftritt vor Blauen aus ganz Österreich. Ein inoffizieller Start in einen Vorwahlkampf für die Landtagswahlen 2018. Und das erste große Zusammentreffen der Partei, in der seit der verlorenen Bundespräsidentenwahl die Nerven ziemlich angespannt sind - wer ist hier der Mann der Stunde, Parteiobmann Heinz-Christian Strache oder Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer, zwar nicht Wahlsieger, aber neuer Liebling der FPÖ-Anhänger?

Wie frostig es derzeit an der Spitze zugeht, zeigt eine Episode aus dem Dezember. Ein Flyer, den die Salzburger FPÖ online stellte, kündigte Hofer beim Neujahrstreffen als Hauptredner an. Kurz darauf war die Einladung wieder gelöscht. Stattdessen machte ein neuer Flyer klar, wer hier der Chef ist: Strache würde die wichtigste Rede halten. Offiziell war ein junger Grafiker schuld. Inoffiziell dürfte es ordentlich gekracht haben.

In Abwesenheit zur Chefin

Svazek versteht die Aufregung darüber nicht: "Niemand stellt infrage, dass Strache der beste Parteiobmann ist", sagt sie. Sie weiß, wo ihre Loyalität liegt. Und wie wichtig es ist, sie deutlich auszudrücken.

Schließlich startete die Karriere der Politikwissenschaft-Studentin mitten in einem Konflikt. Als der langjährige Salzburger Parteivorsitzende Karl Schnell im Juni 2015 aus der Partei ausgeschlossen wurde, arbeitete sie gerade als seine Sekretärin. "Sie ist ein intriganter Mensch, der nicht ehrlich ist", sagt er heute über sie. Schon als seine Mitarbeiterin sei sie auffällig oft zur Bundespartei nach Wien gefahren. Nach Schnells Abgang bot ihr Harald Vilimsky, FPÖ-Generalsekretär und EU-Abgeordneter, ein Exit-Szenario an: ein Praktikum im Europäischen Parlament. "Ich konnte ihr blind vertrauen", sagt er über sie. Während sie in Brüssel war, suchten die Salzburger Blauen einen neuen Chef. Als Svazek über Weihnachten nach Hause kam, bot man ihr die Position an. Nach neun Monaten Brüssel kam sie nach Salzburg zurück, um die Partei zu übernehmen.

"Sie ist ein Naturtalent", sagt Heinz- Christian Strache über sie. "Sie ist harmlos und leicht steuerbar", sagen andere FPÖler, die nicht zitiert werden möchten: "Man erhofft sich mit ihr einen Frauke-Petry- Effekt". In ihrem Auftreten ähneln die 41-jährige deutsche AfD-Vorsitzende und die 24-jährige FPÖ-Landeschefin einander tatsächlich. Svazek ist eloquent, freundlich und korrekt. Die Leichtigkeit, die Begeisterung und der Übermut, den Gleichaltrige häufig haben, fehlt ihr aber.

Blaue Familiengeschichte

Mitbewerber tun sich schwer, die neue Parteichefin, gegen die sie bei der Landtagswahl 2018 antreten müssen, einzuschätzen. Man kenne sie ja kaum, es gebe keine politische Arbeit, die man bewerten könne. Und im Alltag sei sie nicht wahrnehmbar, heißt es bei ÖVP, SPÖ und Grünen. Berührungspunkte gibt es keine: Svazek sitzt nicht im Landtag. Bis auf ein paar Monate im Gemeinderat ihres Heimatortes hatte sie nie ein politisches Mandat. Seit der Parteispaltung hat die Salzburger FPÖ nur mehr eine Abgeordnete und fast kein Parteibudget. Angestellt ist Svazek deshalb bei der Bundespartei in Wien.

Dort ist man sehr zufrieden mit ihrem ersten halben Jahr als Landeschefin: "Sie hat noch keine Fehler gemacht", sagt Harald Vilimsky über sie, "das ist in dieser Funktion und in dem Alter schon eine beachtliche Leistung." Manfred Haimbuchner, FPÖ-Oberösterreich-Chef, sagt: "Jetzt ist die Herausforderung, dass sie den Sprung von der Mitarbeiterebene in die der Verantwortungsträger schafft. Ich traue ihr das zu."

Svazek stammt aus Großgmain, einer Gemeinde mit 2500 Einwohnern im Flachgau; eine Viertelstunde von Salzburg entfernt und so nah an Bayern, dass sich das Handy manchmal mit einem deutschen Netz verbindet. Hier war Svazek Obfrau der Landjugend und setzte durch, dass der Maibaum wieder im Ort aufgestellt wird. Manche hier sind der Meinung, es sei Svazek nicht so wichtig gewesen, in welcher Partei sie Fuß fasst, solange sie Karriere machen könne. Auch mit der ÖVP gab es Gespräche. Die Erzählung der Bürgerlichen, die zur FPÖ konvertierte, stimmt so aber nicht: Ihre Eltern waren unpolitisch, ihr Großvater ist allerdings ein FPÖ-Urgestein im Ort. Seit den 60er-Jahren ist er Parteimitglied, viele Jahre saß er für die Blauen im Großgmainer Gemeinderat.

Karaoke mit Marine Le Pen

Svazek sagt, es waren der "Heimatbegriff" und das "Ausländerthema", die sie mit 18 Jahren dazu brachten, Parteimitglied zu werden. "Für mich ist klar: Ich muss mich keinen Schritt auf Leute zubewegen, die nach Österreich kommen und ein besseres Leben wollen. Die müssen sich auf uns zubewegen", sagt sie. Nur in der FPÖ hat sie sich mit dieser Einstellung zu Hause gefühlt. In der männerlastigen Jugendorganisation RFJ fühlte sie sich von Anfang an wohl. Dass viele ihrer Kollegen in schlagenden Burschenschaften sind, stört sie nicht. Auch im Frauenbild der Partei findet sich die 24-Jährige wieder: "Wenn ich einmal Kinder habe, will ich mich voll auf die Familie konzentrieren", sagt sie. Das Amt als Landeshauptmann-Stellvertreterin, das sie sich nach 2018 wünscht, würde sie zurücklegen, sobald sie Mutter wird. In Leserbriefen und parteiinternen Reden schimpft sie auf die "Politik des Genderwahnsinns". Auch, dass im US-Wahlkampf öffentlich wurde, wie Donald Trump mit sexuellen Übergriffen auf Frauen prahlte, hielt sie nicht davon ab, den Wahlabend mit einer FPÖ-Delegation in Trumps Umfeld in New York zu verbringen: "Wenn Donald Trump mit seiner Politik Frauen diskriminiert, ist das ein Problem. Wenn ich aber nur solche Aufnahmen höre, und das nichts damit zu tun hat, welche Politik er macht, dann nicht", sagt Svazek.

Während ihres Praktikums im EU-Parlament lernte Svazek auch Frankreichs Front-National-Chefin Marine Le Pen kennen: "Mich beeindruckt, wie sie als Frau den vielen Angriffen standhält und ihren Mann steht", sagt sie. Bei der gemeinsamen Weihnachtsfeier der Rechtsaußen- Fraktion in Brüssel sang Svazek "Sweet Child o'Mine" von Guns n'Roses als Karaokeversion. Das schweißt zusammen. Als sich deshalb Manfred Haimbuchner wenige Tage vor Weihnachten in einem Interview kritisch über Le Pen äußerte, meldete sich Svazek sofort auf Facebook aus ihrem Australien-Urlaub. Das sei weder ihre noch Parteimeinung, schrieb sie. Dafür gab es Lob vom Chef: Heinz-Christian Strache gab ihr recht und teilte ihr Posting. Svazek weiß, dass Loyalität belohnt wird.

"Morgen kauf ich Winterstiefel", sagt sie nach der Rutschpartie durch den Mirabellgarten.

Marlene Svazek rüstet sich.

Das Porträt erschien erstmals in News Nr. 02/2017 vom 14.01.2017