Nach mehrwöchiger Pause wurde
der Grasser-Prozess fortgesetzt

Die bisher letzte Verhandlung fand am 1. August statt. Nun wird der Korruptionsprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP), Walter Meischberger, Peter Hochegger und andere fortgesetzt. Am heutigen 48. Verhandlungstag konfrontierte Richterin Marion Hohenecker den Hauptangeklagten Grasser mit Widersprüchen.

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Am ersten Verhandlungstag im Korruptionsprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP) und andere nach der Sommerpause hat Richterin Marion Hohenecker ihre Einvernahme des Hauptangeklagten fortgesetzt. Am 48. Verhandlungstag in dem Mega-Verfahren hielt sie ihm einige frühere Aussagen vor, die im Widerspruch zu seiner jetzigen Verteidigung stehen.

Spannung beim Durchgang der Protokolle

Spannend wurde es für die Zuhörer im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts, als sie mit Grasser die Protokolle des parlamentarischen Untersuchungsausschusses durchging. Damals waren die einzelnen Schritte in der - unter Korruptionsverdacht stehenden - Privatisierung der Bundeswohnungen im Jahr 2004 ganz genau nachgefragt und beleuchtet worden. Grasser hatte im U-Ausschuss von einem "Finanzierungsrahmen" von 960 Mio. Euro gesprochen, daher hätte man mehr herausholen können, und daher habe er die zweite Runde empfohlen.

Dies ist deswegen bemerkenswert, weil Grasser im laufenden Strafprozess immer gesagt hat, bei den 960 Mio. Euro im Angebot des - letztlich unterlegenen - Bieters CA Immo sei es nicht um einen Finanzierungsrahmen, sondern um ein "Gesamtinvestitionsvolumen" gegangen. Daher wäre daraus auch kein endgültiger Kaufpreis absehbar gewesen. Wie Richterin Hohenecker heute herausarbeitete, hatte Grasser im U-Ausschuss 2012 allerdings vom "Finanzierungsrahmen" gesprochen. Auch in Notizen von Grassers damaligen Kabinettschef im Finanzministerium, Heinrich Traumüller, taucht "Fin.Zusage" von 960 Mio. Euro auf.

»Ich habe mich damals im U-Ausschuss fälschlicherweise dazu hinreißen lassen, das zu sagen, was in der Zeitung steht«

"Ich habe mich damals im U-Ausschuss fälschlicherweise dazu hinreißen lassen, das zu sagen, was in der Zeitung steht, zu sagen, der Finanzierungsrahmen", versuchte Grasser heute diesen Widerspruch zu erklären. De facto sei es aber der Zinsabschlag gewesen, aus dem man schließen konnte, dass in einer zweiten Runde mehr herauszuholen gewesen wäre, nicht die "Gesamtinvestitionskosten". Hätte dann Traumüller nicht auch von einem "Gesamtinvestitionsvolumen" schreiben müssen, und nicht von einer Finanz- oder Finanzierungszusage?, hakte die Richterin nach. "Die Frage ist nur, wie man Fin.Zusage interpretiert", sah Grasser Interpretationsspielraum.

Heikles Thema wegen Millionenprovisionen

Das Thema ist deswegen so heikel, weil die mitangeklagten Peter Hochegger und Walter Meischberger für die Weitergabe der Information an die Immofinanz, sie sollten "mehr als 960 Mio. Euro" bieten, eine Millionenprovision von 9,6 Mio. Euro erhielten. Die Anklage sieht Grasser hinter der - profitablen - Information, er habe auch von der Millionenprovision mitgeschnitten - was Grasser dementiert.

Aber auch um zahlreiche weitere Details ging es heute wieder bei der Befragung und Konfrontation Grassers mit seinen Aussagen in polizeilichen Einvernahmen. So meinte Grasser mehrmals zur Begründung des Vorkaufsrechts für das Land Kärnten für die Villacher ESG-Wohnungen, das sei aus politischen Gründen und für den Koalitionsfrieden damals so geschehen. Denn der damalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ/BZÖ) - mittlerweile verstorben - habe eben in der damaligen Koalitionsregierung in Wien Macht gehabt.

Bei der Öffnung der Kuverts mit den Angeboten der Bieter, die von Grasser stets als unter höchster Geheimhaltung erfolgt beschrieben wurde, war auch der damalige FPÖ-Abgeordnete Detlev Neudeck dabei, wurde im U-Ausschuss thematisiert. Grasser begründete Neudecks Anwesenheit heute damit, dass er versucht habe, die politischen Parteien einzubinden, da ja Staatsvermögen verkauft worden sei. Warum der damalige FPÖ-Wohnbausprecher aber nicht der ÖVP-Sprecher dabei gewesen war, konnte er heute nicht erklären.

Der Weg des Schwiegermutter-Geldes

Auch der Weg der 500.000 Euro, die Grasser von seiner Schwiegermutter aus der Familie Swarovski zur Veranlagung bekommen haben will, wurde heute genau verfolgt. Laut Anklage hat sich das Geld auf einem Konto der Briefkastengesellschaft Mandarin mit Geld aus der Buwog-Provision vermengt, daher sei beides Grasser zuzuordnen. Grasser seinerseits spricht davon, dass Vermögensverwalter Norbert Wicki mehrere "Rechnungskreise" auf dem Mandarin-Konto hatte, und das Geld verschiedenen Personen zuordnen konnte.

Begonnen hatte Hohenecker den Verhandlungstag mit Emails, die Grasser von seinem Handy geschickt hatte. Zuvor hatte er in der Verhandlung gesagt, er habe als Finanzminister nie Emails verschickt, sondern dies von seinem Büro erledigen lassen. Die Richterin legte extra einige Emails vor, die offenbar Grasser persönlich geschrieben hatte. Dieser meinte dazu nur, die "Tendenz" seiner früheren Aussage habe ja gestimmt, denn meistens habe er nicht persönlich geschrieben.

Der Prozess wird morgen, Mittwoch, mit der weiteren Einvernahme Grassers durch die Richterin fortgesetzt.

Der Prozessverlauf im Überblick

1. Verhandlungstag: Rundumschlag der Verteidiger
2. Verhandlungstag: Republik will 9,8 Millionen Euro zurück
3. Verhandlungstag: Plädoyer von Grasser-Anwalt Wess
4. Verhandlungstag: Hochegger belastet Grasser massiv
5. Verhandlungstag: Grasser äußert sich zu Hocheggers Teilgeständnis
6. Verhandlungstag: Hochegger: "War Teil dieses Systems"
7. Verhandlungstag: Hochegger-"Scheinrechnungen" & "Briefkastenfirmen"
8. Verhandlungstag: "Ohne Karl-Heinz hätten wir das nicht geschafft"
9. Verhandlungstag: "Peter, wir gewinnen das"
10. Verhandlungstag: Die Freimaurer-Spur
11. Verhandlungstag: Petrikovics entlastet Grasser
12. Verhandlungstag: "Geheimagent" Hochegger
14. Verhandlungstag: Petrikovics verteidigt Geheimhaltung der Provision
15. Verhandlungstag: "Die Kärntner Wohnungen wollte keiner"
16. Verhandlungstag: Starzer: "Das ist alles erlogen"
17. Verhandlungstag: "Das darf man nicht mal im Kino"
18. Verhandlungstag: Thornton: "Ich war schlicht ein Bote"
19. Verhandlungstag: "Enttäuscht und belogen"
20. Verhandlungstag: Thornton scheidet aus Verfahren aus
21. Verhandlungstag: Zahlung an Meischberger auf Weisung
22. Verhandlungstag: Meischbergers Leistung im Fokus
23. Verhandlungstag: Kurzer Verhandlungstag zu Bestechungsverdacht
24. Verhandlungstag: 200.000 € waren "kein Schmiergeld"
25. Verhandlungstag: Die Schöffen werden immer weniger
26. Verhandlungstag: Vom "Lustsog" zur Übersiedlung ins Linzer Hochhaus
27. Verhandlungstag: Befragung um Rechnung dreht sich im Kreis
28. Verhandlungstag: Erkrankter Makler Plech rückt in den Fokus
29. Verhandlungstag: Zweitangeklagter Meischberger teilt aus
30. Verhandlungstag: Meischberger: Haider auf Grasser "eifersüchtig"
31. Verhandlungstag: Meischberger auf den Spuren der Logik
32. Verhandlungstag: Meischberger: Geld reiste rund um den Globus
34. Verhandlungstag: Meischberger rätselt über Liechtenstein-Konten
35. Verhandlungstag: Meischberger: Grasser drehte durch
36. Verhandlungstag: Meischberger beschreibt Zerwürfnis mit Grasser
37. Verhandlungstag: Lauschangriff der Justiz verärgert Meischberger
38. Verhandlungstag: "Fest den Schüssel schützen"
39. Verhandlungstag: Meischberger am 10. Tag in Folge am Wort
40. Verhandlungstag: Meischberger ungewohnt schweigsam
41. Verhandlungstag: Liebeserklärung im Gerichtsprozess
42. Verhandlungstag: Grassers erste Einvernahme
43. Verhandlungstag: Grasser steht weiter Rede und Antwort
44. Verhandlungstag: Drei (Schwieger-) Mütter und viele Konten
45. Verhandlungstag: Ex-Minister zeigt Grüne und Journalistin an
46. Verhandlungstag: Grasser: "Für mich war es eine Katastrophe"
47. Verhandlungstag: Grasser: "Beruf ist Beruf, privat ist privat"

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