René Benko: Ein rauschendes Geburtstagsfest um 650.000 Euro

René Benkos Geburtstagsfest am Gardasee 2017 ist ein Schaulaufen der Macht und des Luxus. Kostenpunkt: 650.000 Euro, inklusive prominenter Gäste und extravaganter Auftritte. Im März 2024 endet die Erzählung mit der größten Wirtschaftspleite Österreichs – maßgeblich aufgedeckt von Rainer Fleckl und Sebastian Reinhart, die nun das Buch "Inside Signa"* vorlegen. Lesen Sie einen Auszug aus dem Buch und ein Interview mit den beiden Autoren.

von Causa Benko - René Benko: Ein rauschendes Geburtstagsfest um 650.000 Euro © Bild: Trend Michael Rausch - Schott

AUSZUG AUS DEM BUCH

Inside Signa

Prolog: Das Sommerfest

14. Juli 2017. Es ist Hochsommer in Europa. Seit Wochen läuft im Radio der Song "Despacito" rauf und runter. René Benko ist gerade mit seinem Privatjet vom Typ Global 700 am unscheinbaren Flughafen von Brescia-Montichiari gelandet. Er liegt im norditalienischen Hinterland, irgendwo zwischen brachliegenden Lagerhallen und ödem Ackerland. Nach einem zweistündigen Flug von Ibiza nach Norditalien steigt er aus und eilt über das Rollfeld zum bereitstehenden Helikopter. Wer Benko sehen will, muss nach oben schauen. Er ist auf dem Weg zum wichtigsten Ereignis des Jahres.

Mit dem Helikopter geht es für ihn nach Sirmione, ein kleiner Ort am Gardasee mit einem gut erhaltenen historischen Ortskern, der sich malerisch in den See hineinerstreckt. Eine Burg wie aus einem Disney-Film ragt über diese Landzunge.

Der Flug bringt eine komfortable Zeitersparnis. Keine mühsamen Staus. In den Sommermonaten kommt der Verkehr rund um das Südufer des Gardasees nahezu täglich zum Erliegen. Zu viel für jemanden, dessen Sekunden kostbar sind. Keine zehn Minuten dauert der Flug und Benko landet im Vorgarten der Villa Ansaldi, einem mondänen Bau aus der Gründerzeit. Mit ihren weißen Türmchen und Erkern lädt sie ein in eine andere Welt. Die Welt des René Benko.

Direkt am Wasser gelegen, verfügt die Villa über einen aufwendig gepflegten Garten. Von der Sonnenterrasse aus blickt man auf das türkise Wasser des Sees. Das Anwesen wird streng von Sicherheitspersonal überwacht. Die Szenerie kann durchaus mit George-Clooney-Werbefilmen mithalten. Ganz offiziell handelt es sich um den Sitz einer Firma. Benkos Firma. Jahrelang zahlt die Signa Miete an eine Luxemburger Gesellschaft im Einflussbereich des Aufsteigers. Im ersten Stock hat Benko ein eigenes Büro. Von hier aus schaltet und waltet der Signa-Gründer im Sommer. Neben seiner Jacht ist die Villa Ansaldi der Dreh- und Angelpunkt. Hierher lässt er regelmäßig Geschäftspartner samt Familie einfliegen. Aber auch Sitzungen seines Signa-Beirats sollen hier stattgefunden haben.

Von hier aus schreibt René Benko am 14. Juli 2017 gegen 11:30 Uhr an einen seiner engsten Mitarbeiter:

Wichtige Tische die neben uns sein sollten bzw. gut positioniert damit sie sich auch "wichtig fühlen"

Berninghaus #14
Tönnies/Pecik #4
Walid #5
Berger #9
Svindal #11
Bodenseer #12

Alles muss perfekt sein. Der Chef mischt sich wie üblich persönlich ein. Bis zur exakten Sitzordnung wird seit Monaten alles bis ins letzte Detail geplant. Ein ganzes Team wurde dafür abgestellt. Intern läuft das exklusive Event unter dem Titel "Festa d’Estate 2017". Alles folgt einer genauen Choreografie. Benko überwacht jede Bewegung. Alles dreht sich um ihn. Es ist der Höhepunkt des Jahres. Sein 40. Geburtstag soll standesgemäß gefeiert werden. Wochenlang werden innerhalb der Signa Listen auf- und abgeschickt. Von der Tischverteilung bis zum Showact dient alles einer einzigen Botschaft: René Benko ist ganz oben angekommen.

Einer darf auf der Liste nicht fehlen. Er ist 30 Jahre alt. Und gilt als die Zukunftshoffnung eines Landes. Sie kennen einander schon lange, schätzen einander und wollen beide hoch hinaus.

Auf einer internen "Transferliste" taucht sein Name erstmals auf. Für den Taxi-Shuttle vom vier Kilometer entfernten Hotel zur Villa Ansaldi. Eine Mitarbeiterin bittet einen hochrangigen Benko-Manager:

... könnten Sie morgen bitte um 18:30 beim Transfer vom Hotel Acquaviva zur Villa schauen, dass folgende Gäste mit Ihnen dabei sind:
[...] "Hr. Kurz"
[...]

Sebastian Kurz, junger Außenminister der Republik Österreich, ist gerade in der Gegend unterwegs. Am 13. Juli 2017 stattet Kurz dem Landeshauptmann von Südtirol, Arno Kompatscher, einen offiziellen Besuch in Bozen ab. Anschließend geht es über die Brennerautobahn weiter Richtung Süden. An das südliche Ende des Gardasees. Nach Sirmione.

Am 15. Juli 2017 ist es dann soweit. Jetzt kommt es darauf an. All die monatelangen Planungen müssen "on point" sein, wie Benko so gerne zu sagen pflegt. In Benkos Welt ist kein Platz für Fehler. Nur eine kleine Unachtsamkeit, ein verschobenes Detail, und das ganze Bild, das Benko über Jahre gezeichnet hat, zerfällt. Schicht um Schicht hat er es gezeichnet, doch er weiß, dass ein falsch platzierter Farbtupfer alles zerstören kann.

Gegen 19 Uhr treffen die ersten Gäste in der Villa Ansaldi ein. Der Wettergott meint es gut mit Benko oder hört gar auf seinen Befehl. Die meisten Geladenen kommen sommerlich in Weiß gekleidet. Der legere Dresscode ist vorgegeben. Vor der Villa räkelt sich eine Dame im Pool auf einem Podest, sie trägt einen schwarzen Schwimmanzug und eine silberne Badehaube. Im Hintergrund stehen spärlich bekleidete Tänzerinnen, ganz in Weiß, am Rande des Beckens. Sie legen eine dynamische Performance hin. Direkt daneben, im Garten, stehen vier in Weiß gekleidete Musikerinnen mit Cello und Violine. Ein kleines Streichquartett. Sie dürfen die Gäste beim Eintreten in den Garten der Villa musikalisch begleiten. Eine surreale Szenerie, die wohl mehr an eine James-Bond-Kulisse erinnert, wie Teilnehmer später berichten.

Die exklusivsten Gäste der Benko-Feier bevorzugen die Anreise standesgemäß über das türkisblaue Wasser, stilecht im Motorboot aus tiefrotem Mahagoniholz, Marke Riva. Darunter die weltbekannte Musik-Ikone Tina Turner, deren Schweizer Freundeskreis seit Jahren mit René Benko bestens bekannt ist. Tina Turner verbrachte auch schon mal einen Jahreswechsel bei Benko in Oberlech am Arlberg.

Mit viel Aufwand wurde für die Festgäste eigens ein offener Pavillon errichtet. Unter freiem Himmel nehmen die Besucher in braunen Korbstühlen langsam die ihnen zugewiesenen Plätze ein. An den Säulen des Pavillons sind Kristallleuchter montiert.

Der wichtigste Tisch ist ganz an der Spitze. Der Tisch mit der Nummer eins. Für die Nummer eins. Neben Benko darf Sebastian Kurz Platz nehmen. Ein weiterer hoher Vertreter der Republik gesellt sich an Benkos Tisch: der amtierende österreichische Innenminister Wolfgang Sobotka. Gemeinsam mit der für Benko tätigen Susanne Riess-Hahn mit ihrem späteren Ehemann, dem EU-Kommissar Johannes Hahn, Altkanzler und Signa-Aufsichtsrat Alfred Gusenbauer, Russland-Türöffner und Investor Siegfried Wolf und Kristall-Erbin Victoria Swarovski mit ihrem damaligen Ehemann.

Viele der mehr als hundert Gäste sind vornehmlich Teil seines unternehmerischen Netzwerks. Sie glauben an das Konstrukt Signa. Sie dürfen am rasanten Aufstieg Benkos mitverdienen. Es sind seine Investoren, Banker, Anwälte und seine Medienberater. Es sind jene Menschen, die das Imperium Signa mit René Benko aufgebaut haben. Dass es jedoch nicht auf Marmor, sondern auf Wachs erbaut ist, wissen sie nicht.

Benko, aufgeknöpftes weißes Leinenhemd, am Handgelenk gerne eine 55.000 Euro schwere Hublot-Uhr, Modell Big Bang, eilt von Tisch zu Tisch. Bilder zeigen ihn später vertieft in Einzelgespräche. Mit ruhiger Stimme, fast flüsternd, als würde er seine Worte zu einem Geschenk an seine Gesprächspartner machen. Amüsieren sollen sich die anderen. Benko arbeitet, auch an seinem Geburtstag.

Von Immobilieninvestoren wie Ronny Pecik mit einer gewissen Nähe zu russischen Oligarchen bis hin zum deutschen Fleischfabrikanten Clemens Tönnies: Für alle hat Benko ein offenes Ohr.

Einigen Gästen ist ein Tischgespräch besonders in Erinnerung geblieben. Es dauerte besonders lange. Mit Noch-Außenminister Kurz hat Benko offenbar einiges zu bereden. Kein Wunder, denn der Wahlkampf um den österreichischen Nationalrat kennt keine Sommerpause. Im Oktober wird gewählt. Und schon wenige Wochen später, im August 2017, werden zwei Männer öffentlichkeitswirksam in gerichtlichen Gewahrsam genommen, die Benko beide gut kennt.

Der eine war bis vor Kurzem sein wichtigster Finanzpartner bei der Expansion in das deutsche Handelsgeschäft, der andere war als Benko-Berater in Serbien unterwegs, auch bei der möglichen Übernahme der österreichischen Casinos Austria AG stimmte er sich gemeinsam mit Benko ab. Die Bilder von Benko-Co-Investor Beny Steinmetz und Benko-Berater Tal Silberstein vor einem israelischen Untersuchungsrichter werden durch die österreichischen und deutschen Gazetten gehen. Die "Causa Silberstein" wird das dominierende Thema im Wahlkampf werden und den Ausgang der Parlamentswahl zu Ungunsten des amtierenden SPÖ-Kanzlers Christian Kern mitentscheiden. Davon weiß aber noch niemand. An diesem Abend wird gelacht, getrunken und auf eine Zukunft angestoßen, die nichts als Erfolg verspricht. Am Gipfel blickt man stets in den Himmel, nicht in den Abgrund.

Noch ist der laue Sommerabend am Gardasee nicht vorbei. Am Ende des Pavillons ist eine Bühne aufgebaut. In der Mitte steht ein schwarzer Konzertflügel. Eine Showeinlage jagt die nächste. Kaum Zeit zum Verschnaufen. Der Abend steuert stetig seinem Höhepunkt entgegen: Ein deutscher Soul-Sänger betritt die Bühne. Kurze Umarmung mit dem Gastgeber. Die Menge steht, klatscht und singt mit. Xavier Naidoo spielt "Dieser Weg". Das Highlight des Abends.

Unter dem anschließenden Feuerwerk kann René Benko zufrieden sein. Und die meisten seiner Gäste sind es auch. Es ist vollbracht.

Der Tag danach.

Viel steht nicht auf der Tagesordnung. Nur ein Termin ist vermerkt. Von neun bis elf Uhr soll Sebastian Kurz noch einmal in der Villa Ansaldi vorbeikommen. Gegen zwölf Uhr soll der Privatflieger planmäßig Richtung Ibiza abheben. Benko und seine Familie werden die nächsten Tage am Mittelmeer auf seiner 62-Meter-Jacht RoMa verbringen. In einer Bucht vor Ibiza. Dort wird ein paar Tage später ein anderer österreichischer Politiker auf einen Sprung vorbeischauen. Sein Name ist Heinz Christian Strache. Ein paar Tage danach wird er unwissentlich in eine Videofalle tappen. Das Ibiza-Video und seine Auswirkungen werden die Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft noch einige Jahre beschäftigen. Auch Benko. Aber niemand sieht die Schatten unter der Sonne Ibizas.

Wenige Wochen später, Mitte August 2017. Benko ist wieder zurück in der Villa Ansaldi. Er meldet sich wieder bei seinem engen Mitarbeiter. Der Signa-Chef hat ein dringendes Anliegen. Er ist mit der Abrechnung seiner Sommerparty beschäftigt:

Gibt es schon eine Aufstellung nach einzelnen Positionen (Xavier, Band, Künstler, Zelt, Catering etc.), was das Fest gekostet hat, müssen uns nämlich überlegen, wie wir die Kosten dann final aufteilen

Prompt, keine drei Minuten später, antwortet der Mitarbeiter:

Ja gibt es ca 650tsd und bekommst morgen

650.000 Euro für ein einziges Sommerfest am Gardasee. Allein der Kurzauftritt von Xavier Naidoo wird später mit 280.000 Euro zu Buche schlagen. Verbucht werden die Kosten auf einem Konto der "Signa Communications", einer Tochtergesellschaft der Signa Holding. Ein fröhliches Fest auf Firmenkosten. Für Benko eine übliche Vermischung zwischen Privatem und Beruflichem.

Alles muss seine Ordnung haben. Auch für die Gäste. Um rechtliche Probleme für diese zu vermeiden, wurde bereits im Zuge der Einladung darauf hingewiesen, "dass der Wert der Konsumation (Speisen und Getränke) sich auf rund EUR 65 pro Person beläuft und damit unter den üblichen Schwellenwerten bleiben sollte. Sollten Sie sich dennoch entscheiden, einen Kostenbeitrag für die Veranstaltung zu leisten, laden wir Sie ein, direkt vor Ort EUR 65 zu entrichten. Die gespendeten Beträge werden für karitative Zwecke verwendet. Selbstverständlich werden Sie über diesen Betrag eine Quittung erhalten."

Davon machten die Festgäste zahlreich Gebrauch. Wolfgang Sobotka taucht später auf einer internen Spenderliste auf. 500 Euro war ihm der Abend für sich und seine Begleitung wert. Eine Spende von Sebastian Kurz scheint in den Dokumenten nicht auf.

Buchcover Inside Signa
© edition a

Inside Signa*
Rainer Fleckl und Sebastian Reinhart zeichnen ein Psychogramm des einstigen "Wunderwuzzis" und liefern neue Fakten über groteske Deals, Politnetzwerke und den Fall des Imperiums.

DAS INTERVIEW

"Es gibt viele Mini-Benkos"

In München ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verdacht auf Geldwäsche. In Österreich wurde eine Soko-Signa gebildet. In Liechtenstein läuft ein Verfahren wegen Geldwäsche und betrügerischer Krida. Ist das das Ende der Erzählung von René Benko und seiner Signa – oder erst der Anfang?
Sebastian Reinhart: Aus unserer Sicht definitiv erst der Anfang einer langen Zeit, die René Benko wahrscheinlich in österreichischen Gerichtssälen verbringen wird. Die Dinge, die wir in den vergangenen Monaten aufgedeckt haben, zeigen, dass durchaus Potenzial für strafrechtliche Prozesse, aber auch für viele zivilrechtliche Prozesse besteht. Dementsprechend ist es der Anfang der Geschichte.

Ihr kündigt im Buch, das frisch gedruckt in den Regalen liegt, neue Akten an. Gibt es schon ein Detail?
Rainer Fleckl: Wir haben mehrere bemerkenswerte Details. Zum einen ist es der Zeitpunkt, wann Signa-intern gedämmert haben musste, dass sein Kartenhaus zu kippen beginnt. Das ist doch überraschend früh und viele Monate vor dem Sommer 2023 gewesen, als ihm der reichste Deutsche als Signa-Investor am 1. Dezember 2022 das Vertrauen entzog. Und es gibt auch sehr interessante Details, was die österreichische Medienszene betrifft. Da gab es offensichtlich auch einen interessanten politischen Plan dahinter.

Ihr recherchiert seit Jahren in der Causa. Wann war euch das erste Mal klar, hier hat jemand was zu verbergen?
Sebastian Reinhart: Da gibt es mehrere Zeitpunkte. Der erste war unsere erste umfangreiche Recherche damals bei der Rechercheplattform Addendum, wo wir ein großes Projekt zu dem Thema gemacht haben und aufgrund der Erkenntnisse, die wir damals gewinnen konnten, gesehen haben, dass da etwas nicht stimmen kann. Wir haben uns andere Immobilienunternehmen angesehen und diese mit der Signa-Struktur verglichen und erkannt, dass viele Dinge unüblich und wahnsinnig kompliziert aufgesetzt sind. Wir haben uns gefragt, wer das eigentlich durchschaut? Ein zweiter wesentlicher Punkt war die enorme Klagsflut, die in Folge auf uns hereingeprasselt ist und die uns gezeigt hat, dass wir offensichtlich einen wunden Punkt getroffen haben. Das hat uns über all die Jahre zusätzlich angespornt, an dem Thema dranzubleiben.
Rainer Fleckl: Teil des Systems Benko war, dass man bei der Signa mit sehr bekannten Medienanwälten in Österreich und vor allem auch in Deutschland gegen jede Kleinigkeit, die irgendwo kritisch hinterfragt wurde, vorgegangen ist. Wir haben mittlerweile auch Belege dafür, dass in Deutschland zu diesem Zweck für Berater und – darunter auch Rechtsanwälte – sehr viel Geld ausgegeben wurde. Wenige Medien haben es nach dem Erscheinen unserer ersten kritischen Berichte bei Addendum gewagt, Dinge zu hinterfragen.

© Matt Observe Rainer Fleckl (li.) und Sebastian Reinhart beschäftigen sich seit Jahren mit der Causa René Benko

Ist die Causa Signa für Journalisten wie euch, die langjährige Investigativerfahrung mitbringen, nochmal von einem neuen, verstörenden Ausmaß?
Rainer Fleckl: Ja. Es ist alles drinnen, was auch ein Filmskript sein könnte: Dieser zur Schau gestellte Luxus, angefangen von der 60 Millionen Villa bis zum Springreitpferd um Millionen, das eine Stiftung noch im Juli 2023 gekauft hat. Goldbarren in Liechtenstein, die zumindest Ende 2022 noch dort lagerten. Eine Weinsammlung. Kunst wie etwa ein Picasso oder ein Basquiat, die zu Geld gemacht werden sollten. Ein Jet, der überdimensioniert war. Vor allem das Ausmaß dieser Verschachtelung, dieser permanente Versuch, sich von außen nicht in die Signa schauen zu lassen, ist verstörend. Interessant ist, wer die Handlanger waren, die zum Teil willfährig Unterschriften für Herrn Benko geleistet haben.
Sebastian Reinhart: An dieser Stelle muss ich aufgreifen, was der Präsident der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, immer wieder in die Diskussion einbringt – nämlich, dass es Parallelen gibt zu anderen großen Wirtschaftscausen. Angefangen von der Hypo Alpe Adria bis zur Commerzialbank Mattersburg. Man sieht, dass es in Österreich offensichtlich ein großes Thema gibt im Bereich der Rechtsberater, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Da gibt es durchaus dieses von Peschorn so bezeichnete Interessennetzwerk, das um solche Personen oder Unternehmen kreist. Man sieht, dass Rechtsanwälte wahnsinnig viel Geld mit Benko verdient haben. Ebenso eine Steuerberatungskanzlei. Die Systematik dahinter ist sehr spannend. Das ist ein österreichisches Phänomen. Wenn man das auf Deutschland umlegt, findet man diese Dimensionen vielleicht in der komplexen Cum-Ex-Causa.

Wie muss man sich so eine Recherche vorstellen? Hinterlegt ein Bote einen Umschlag und da sind die kopierten Millionenhonorare der Ex-Kanzler Gusenbauer und Kurz drin?
Rainer Fleckl: Nein. Im Investigativ-Journalismus – der Idealform des Journalismus – geht es um Beziehungspflege. Es geht darum, dass man die richtigen Fragen stellt, sich anschaut, wer möglicherweise Wissen hat – Mitbewerber zum Beispiel, die nicht zum Zug gekommen sind. Bei der Signa haben sich viele gefragt: Wie geht das? Wieso bieten die 20 Prozent mehr? Ist in dem Benko-Konstrukt das Geld abgeschafft? Im Recherche-Journalismus hantelt sich der Journalist vorwärts. In erster Linie geht es um Kontaktpflege, um Beziehungspflege und um Vertrauensaufbau. Quellenschutz ist dabei entscheidend.
Sebastian Reinhart: Das Spannende an der Sache ist auch, dass wir über Jahre mit einem Sachverhalt zu tun gehabt haben, wo es nicht permanente Untersuchungsausschüsse und Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gab, wo man einen Aktenzugang hat und über Recherchen und Ermittlungen von Behörden berichten kann. Wir mussten in dem Fall wirklich tief bohren, hartnäckig sein und viele, viele Gespräche führen, um einen Durchbruch zu erlangen. Das ist eine sehr mühsame Recherche. Das ist etwas, was in Österreich viel zu selten passiert.
Rainer Fleckl: Die Ermittlungen zu den mutmaßlichen Vermögensdelikten rund um den Zusammenbruch der Signa sind erst in den letzten Wochen aufgenommen worden. Die Staatsanwälte stehen da relativ am Beginn. Deshalb gibt es dazu kaum Aktenteile, die an die Öffentlichkeit gespielt und mit einem Spin versehen werden können.

© Matt Observe
Der 47-Jährige ist seit mehr als 25 Jahren im Bereich der Investigativen Recherche tätig. Zwischen 2017 und 2020 war er Leiter des Investigativ-Teams bei Addendum. Weitere Karrierestationen waren u. a. Kurier, ServusTV und News. Seit November 2023 ist Fleckl Investigativjournalist bei Krone Multimedia. Für seine journalistischen Arbeit wurde er unter anderem mit dem Alfred-Worm-Preis und dem Prälat-Leopold-Ungar-Preis ausgezeichnet.

Im Jahr 2019 kassierte Benko von seiner Signa-Gruppe noch rund 26 Millionen Euro für Beratungsleistung. Mittlerweile will er finanziell von seiner Mutter abhängig sein, so die Erzählung. Die andere Erzählung ist, dass ihr euch auf die Spur des Geldes gemacht habt. Ihr seid im Fürstentum Liechtenstein gelandet und habt mit euren Recherchen vor Kurzem was genau aufgedeckt?
Sebastian Reinhart: Wir haben herausgefunden, dass René Benko in Stiftungen in Lichtenstein Gold deponiert hat. Physische Goldbarren bei mehreren Liechtensteiner Banken. Das ist deswegen relevant, weil er sich ja in Österreich als arm bezeichnet und bezeichnen wird müssen in seinem persönlichen Insolvenzverfahren als Unternehmer. Dementsprechend ist es natürlich für uns journalistisch spannend zu sehen, wie in den letzten Jahren Geld aus dem Signa-Universum in andere Richtungen verschoben wurde. Einige Dinge sind schon vor ein paar Jahren passiert, einige erst kurz vor dem Kollaps, wie wir bei News und in der Kronenzeitung aufgedeckt haben. Das ist natürlich auch für die Ermittlungsbehörden relevant, die sich diese Deals, die noch "kurz vor Schluss" durchgeführt worden sind, sehr wahrscheinlich näher anschauen werden.

Wem oder was seid ihr gerade auf der Spur?
Rainer Fleckl: Momentan an den vielen Transaktionen, die noch in dieser heißen Phase, im Juli, August 2023, passiert sind, als eigentlich René Benko und seinem engsten Umfeld schon langsam klar werden musste, dass die finanzielle Luft schon sehr, sehr dünn ist. Da gab es zum einen einige Verschiebungen mit seinen Stiftungen und zum anderen Verlängerungen von Darlehen, die jetzt im Fokus stehen und wohl zunehmend die Behörden und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft beschäftigen werden.

»Es gibt ein Interessennetzwerk, das um solche Personen kreist und davon profitiert«

Sebastian Reinhart über Handlanger mit Eigeninteressen

In euren Geschichten kam zuletzt ein Unterschriften-August vor. Was hat das mit dem auf sich?
Rainer Fleckl: Das klingt wie eine böse, boulevardesk zugespitzte Zuschreibung unsererseits. Tatsächlich hat René Benko im kleinen Kreis einmal seinen langjährigen Signa-Holding-Geschäftsführer Mühlberger genauso vorgestellt. Die Titulierung stammt also von René Benko selbst. Herr Mühlberger spielte in Benkos Signa-Konzern über viele Jahre jedenfalls eine Schlüsselrolle. Wir konnten zahlreiche Dokumente einsehen, die er unterzeichnet hat. Für die Signa. Für eine Benko-Stiftung. Herr Mühlberger hatte bei Signa Hunderte Geschäftsführer-Funktionen.

"Wir können davon ausgehen, dass Herr Benko durch die Insolvenz nicht verarmen wird." Das Zitat ist vom Wirtschaftsexperten Gerrit Heinemann. Hat er recht?
Sebastian Reinhart: Das kann man momentan schwer prognostizieren. René Benko hat versucht, Geld nach Liechtenstein zu bringen, dort zu veranlagen und als Sicherungsvariante Stiftungen aufzusetzen, die er zwar persönlich mitgestiftet hat, aber auf die er rechtlich gesehen wenig Zugriffsmöglichkeiten hat. Das wird Teil der Arbeit des Insolvenzverwalters werden, sich anzusehen, wer da wirklich die beherrschende Person ist. Von dem wird viel abhängen. Auch in Österreich gibt es zwei Stiftungen – die Familie Benko Privatstiftung und die Laura Privatstiftung. In der Laura sind viele millionenschwere Assets, also Immobilienpakete in Österreich, in Innsbruck, aber auch in Berlin drinnen. Es wurde sehr viel investiert. Mitarbeiter der Signa waren intensiv damit beschäftigt, für René Benko dieses Portfolio aufzubauen und zu betreuen. Aber auch dieses Immobilienpaket steht mittlerweile sehr wahrscheinlich an der Kippe, weil es hier viele Immobilien-Fremdfinanzierungen, also Bankkredite, brauchte. Da stellt sich in den nächsten Wochen die Frage, wie die Kreditgeber vorgehen. Das sind nicht nur Prime-Immobilien. In Chemnitz ist es etwa eine Wohnanlage. Also Immobilien, die in der Öffentlichkeit gar nicht so mit Benko in Verbindung gebracht werden. Kurzum: Ich würde nicht sagen, dass er verarmt. Er hat sicher viele Millionen an seine Mutter verschenkt. Aber auch da werden sich die Behörden und der Insolvenzverwalter ziemlich sicher ansehen, inwiefern das rückabgewickelt werden kann.

Seit zehn Jahren hat René Benko keine offizielle Funktion mehr. Inoffiziell war aber allen klar, ohne ihn ging kein großer Deal. Das hat strafrechtliche Konsequenzen, oder?
Rainer Fleckl: Nach den uns vorliegenden Unterlagen und Dokumenten war Benko ganz klar der faktische Geschäftsführer der Signa-Gruppe. Die Konsequenzen daraus sind in der Regel, dass er für seine Handlungen auch mit dem Privatvermögen in Haftung genommen werden kann. Es ist unstrittig, dass er der dominante Mann war. Ohne ihn ging kein großer Deal. Er hat mit Banken verhandelt, er hat mit anderen Geldgebern verhandelt, er hat die CEOs getroffen – und nicht nur die, sondern auch die Spezialisten bei den Banken, die dann die Kredite vergeben haben. Die waren durchaus beeindruckt, wenn Herr Benko mit dem Privatjet angereist ist. Schon vor Wochen hat Benkos größter Co-Investor Hans-Peter Haselsteiner gemeint, Benko soll zu seiner Verantwortung als faktischer Geschäftsführers stehen.

© Matt Observe
Der 38-Jährige war unter anderem Referent für Untersuchungsausschüsse im österreichischen Nationalrat während der Aufarbeitung der Hypo-Affäre. Nach seiner Tätigkeit bei der Recherche-Plattform Addendum war er für das deutsche Nachrichtenmagazin Spiegel tätig und arbeitet seit Oktober 2023 als Investigativ-Journalist für das Nachrichtenmagazin News.

Für René Benko wird die Luft immer dünner, schreibt ihr in der Vorwoche in News und Krone. Wann geht ihm die Luft aus?
Sebastian Reinhart: Das hängt von den Ermittlungen ab. Wir sind Journalisten, wir decken Sachverhalte auf, wir sind keine Hobby-Sheriffs oder Hobby-Staatsanwälte. Das ist jetzt Teil der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden, festzustellen, wie relevant die Sachverhalte sind, die wir aufgedeckt haben. Etwa die Tatsache, dass Benko Geld rausgenommen, im Kreis geschickt hat und als Eigenkapital deklariert wieder in das Unternehmen gesteckt hat. Mutmaßlich haben daraufhin Co-Investoren mitinvestiert, weil sie geglaubt haben, wenn Benko nochmal Geld in die Hand nimmt, dann machen sie das auch. Viele Sachverhalte, die wir bis Weihnachten des Vorjahres aufgedeckt haben, sind prüfungsrelevant. Da hätte man durchaus schon Schritte setzen können.

Was hat Benko und seine Signa letztendlich zu Fall gebracht? Es gibt die herzige Erzählung, dass es das Handelsgeschäft war, von dem er letztlich keine Ahnung hatte …
Rainer Fleckl: Das greift viel zu kurz. Das behauptet Alfred Gusenbauer sehr gerne, stimmt allerdings so nicht. Wir haben uns von Beginn an gefragt, wie man aus so einem System letztlich wieder rauskommen kann. Natürlich kann man hoffen, dass die Nullzinspolitik der EZB noch jahrzehntelang währt. Aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo Zahltag ist. Vielleicht wollte man in diesem Milliardenkonzern auch ganz schnell ganz groß werden, um "too big to fail" zu sein. Das System war mit Vorsatz auf Intransparenz aufgebaut. Und lebte von viel Marketing und PR, etwa von der Übernahme des weltbekannten Chrysler Building in New York, mit dem 2019 eine US-Offensive propagiert werden sollte. Passiert ist nichts. Das Chrysler Building darbt seit Jahren vor sich hin.

Ist der Fall Benko ein Einzelfall?
Sebastian Reinhart: Ein Einzelfall, was die Ausmaße betrifft. Aber es gibt natürlich viele Mini-Benkos. Die Nullzinspolitik der EZB hat am Immobilienmarkt viele Nachahmer kreiert – wenngleich nicht in der Größe und in der medialen Relevanz. Aber das Modell-Benko gibt es auch im Kleineren. Das schauen wir uns natürlich auch an.

Was würdet ihr René Benko fragen, wenn er Fragen beantworten würde und wahrheitsgetreu antworten müsste?
Sebastian Reinhart: Wann für ihn der Tag war, wo er gemerkt hat, es ist vorbei. Hat er das überhaupt realisiert, dass es vorbei ist und kein Geld mehr kommt? War das im Herbst 2022 oder im Sommer 2023? Darauf hätte ich gerne eine Antwort, die ich wahrscheinlich nie bekommen werde.
Rainer Fleckl: Was war seine persönliche Exit-Strategie aus dem von ihm geschaffenen und praktisch ausschließlich auf ihn als Person zugeschnittenen Signa-Konstrukt? Hatte er überhaupt jemals eine derartige Überlegung, wie es nach ihm weitergehen könnte?

Die Causa Benko - News berichtete:

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 17/2024.

*Die mit Sternchen (*) gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Wenn Sie auf einen solchen klicken und über diesen einkaufen, bekommt news.at von dem betreffenden Online-Shop oder Anbieter eine Provision. Für Sie verändert sich der Preis nicht.