Empathie: Wie wichtig das Einfühlungsvermögen ist

Menschen lernen ab der frühen Kindheit, empathisch zu reagieren. Warum die Empathie wichtig ist, woher sie kommt und was sie mit Intelligenz zu tun hat.

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Symbolbild für Empathie © Bild: Elke Mayr

Inhaltsverzeichnis

  1. Was ist Empathie?
  2. Woher kommt Empathie?
  3. Warum ist sie wichtig?
  4. Warum sind manche Menschen empathischer als andere?
  5. Kann man testen, wie empathisch man ist?
  6. Was ist das Gegenteil davon?
  7. Hat Empathie etwas mit Intelligenz zu tun?
  8. Wie kann man sie fördern?
  9. Kann man "zu empathisch" sein?

Was ist Empathie?

Unter Empathie versteht man die Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen und deren individuellen Motive und Beweggründe erkennen und nachvollziehen zu können. Demnach liegt darin auch die Fähigkeit, ein Verständnis für individuelle Bedürfnisse anderer Menschen zu haben. Ein weiterer wichtiger Teil der Empathie besteht in der Fähigkeit, „zu unterscheiden, was mein Gefühlszustand und was der einer anderen Person ist“, wie der Neuropsychologe Claus Lamm im Zuge von Forschungen der Universität Wien rund um Empathie und Autismus (2015) mitteilte. Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch habe sich dafür der Begriff "Selbst-Andere-Differenzierung" etabliert.

Insgesamt unterscheidet man drei Arten der Empathie:

  1. emotionale Empathie: das „Mitfühlen“ und „Reagieren“ auf die emotionale Verfassung und die emotionalen Bedürfnisse des Gegenübers
  2. kognitive Empathie: das „Verstehen“ der Gefühle des Gegenübers
  3. soziale Empathie: das „Einstellen und verstehen“ auf verschiedene Charaktertypen und -eigenschaften

Der US-amerikanische Psychologe und Psychotherapeut Carl Rogers definierte Empathie in dieser Form: „Empathie ist die Voraussetzung zur Entwicklung eines neuen Selbstkonzepts“. Zugleich baute er seine gesamte Gesprächstherapie auf diesem Konzept auf. Die drei Grundpfeiler seiner Arbeit beruhten auf „Kongruenz, Wertschätzung und Empathie“ - bis heute werden diese Eigenschaften von vielen Psychologen und Psychologinnen weitergetragen.

Theresa Wiseman (University of Southampton) hat später in Anlehnung an Carl Rogers die 4 Säulen der Empathie entwickelt:

  1. Wahrnehmung: Wie geht es den anderen? (Gestik, Mimik, Körpersprache, (verdeckte) Aussagen, Stimmlage, Emotionen)
  2. Verständnis: Worum geht es jemandem? (dahinterliegende Umstände, Motive und Ursachen erkennen)
  3. Resonanz: Wie reagiert man persönlich darauf? (Mitgefühl, Rücksichtnahme, Wortauswahl, Akzeptanz)
  4. Antizipation: Wie wird der/die andere weiterhin reagieren? (auf emotionaler und rationaler Ebene)

Woher kommt Empathie?

Ein gesundes Grundpotenzial für empathisches Verhalten steckt in jedem Menschen. Das wird einem sozusagen angeboren. Die Ausprägung und stetige Entwicklung dieser Eigenschaft entsteht in der Regel zwischen dem 3. und 4. Lebensjahr. Ab diesem Alter lernen Kinder die Handlungen und Gefühle anderer nachvollziehen und mitzufühlen. Sie nehmen wahr, wenn es anderen Kindern gut geht oder diese traurig sind und beginnen, einfühlsam zu reagieren und sie zu trösten. Und zwar so, wie sie es bei anderen Menschen - insbesondere der eigenen Eltern - beobachten können. Beispielsweise kann man beobachten, wie größere Kinder kleinen, die weinen, den Schnuller geben oder sie füttern wollen.

Empathie wird von der Außenwelt vorgelebt und entwickelt sich auf individueller emotionaler Ebene immer weiter. Kinder mit kleinen Geschwistern oder kranken Eltern lernen beispielsweise anders und schneller Verantwortung zu übernehmen. Das liegt daran, dass sie früh damit konfrontiert sind, Verantwortung zu übernehmen und Verständnis zu zeigen.

Inwieweit diese Potenziale letztendlich tatsächlich genutzt werden, obliegt der Erziehung und den individuellen Bedürfnissen. Es gibt Menschen, denen es am Herzen liegt, sich um andere zu kümmern und für sie da zu sein. Und zugleich gibt es Menschen, die weniger an sich heranlassen und emotionale Schutzmauern aufbauen, um von den Gefühlen anderer nicht beeinflusst zu werden.

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Warum ist sie wichtig?

Empathische Menschen haben die Gabe, in der Körpersprache und Mimik ihrer Mitmenschen lesen zu können. Sie haben ein Gespür dafür, zu erkennen, wenn eine Person glücklich, wütend oder traurig ist und verstehen unterschwellige, unausgesprochene und oftmals auch überspielte emotionale Signale. So können sie eine authentische emotionale Verbindung zu ihrem Gegenüber aufbauen.

Um miteinander leben zu können, ist Empathie von großer Bedeutung, da ein Leben ohne Gefühle sehr oberflächlich und kühl wäre. Um jemanden vertrauen und sich miteinander wohlfühlen zu können, braucht es ein Grundmaß an Empathie - im privaten ebenso wie im beruflichen Umfeld.

Etwas nachempfinden zu können, gab den Menschen zudem einen wichtigen Vorteil in der Evolution: Laut Forscher:innen kann der Mensch durch Nachempfinden und Beobachten viel schneller lernen und sich so weiterentwickeln.

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Warum sind manche Menschen empathischer als andere?

Obwohl Menschen von Natur aus soziale Wesen sind, ist nicht jedem von Natur aus Empathie gegeben. Diese Eigenschaft ist eng verbunden mit der eigenen Kindheit und den erlebten Erfahrungen. Es stellt sich daher die Frage: Was ist in der Vergangenheit passiert, wenn man Gefühle zugelassen hat? Wurden Kinder früher tief verletzt, verlernen sie diese Fähigkeit vielleicht wieder, oder erlernen sie erst gar nicht. Deshalb sind manche Menschen empathischer als andere.

Bei einigen Menschen kann es auch zu einem Empathie-Defizit-Syndrom (EDS) kommen, welches schwere Auswirkungen auf die eigene psychische Gesundheit haben kann. Zugleich wirkt sich das negativ auf das soziale Umfeld aus, da diese Personen meist nicht in der Lage sind den eigenen Standpunkt zu verlassen und andere Sichtweisen zuzulassen. Sie wirken auf andere stets emotional kühl, verständnislos und voreingenommen.

Außerdem gibt es psychische Erkrankungen oder Entwicklungsstörungen, die ebenfalls mit Defiziten im Bereich der Empathie einhergehen können. Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung ist beispielsweise unter anderem durch mangelnde oder fehlende Empathie gekennzeichnet. Ein anderes Beispiel sind Autismus-Spektrum-Störungen, wobei Betroffene sehr wohl eine ausgeprägte Empathie besitzen, aber bei starken Emotionen schneller überfordert sind.

Kann man testen, wie empathisch man ist?

Prinzipiell gibt es im Internet unzählige Tests, um festzustellen, ob man empathisch ist oder nicht. Aus psychologischer Sicht kann man das aber ganz einfach durch Selbstreflexion und einem Abgleich aus Selbstbild (Wie sehe ich mich selbst?) und Fremdbild (Wie sehen mich die anderen?) feststellen.

Dazu fragt man am besten im eigenen Umfeld einmal nach, ob man von anderen als einfühlsam erlebt wird und wie man aus deren Sicht mit den Gefühlen anderer umgeht. Authentischere Ergebnisse kann man über keinen Test erhalten.

Was ist das Gegenteil davon?

Das Gegenteil von Empathie ist die sogenannte Ekpathie. Damit ist die Fähigkeit gemeint, das Einfühlungsvermögen in kritischen Momenten umzukehren um sich so vor Manipulation und Ausnutzung zu schützen.

Es ist eine Form von Selbstschutz, die in der Regel bereits in der Kindheit erlernt wurde. Dieser Schutzmechanismus wird oftmals durch eigene negative Erfahrungen getriggert, die dazu geführt haben, sich selbst beschützen zu wollen und Dinge nicht mehr (zu) nahe an sich heran zu lassen.

Hat Empathie etwas mit Intelligenz zu tun?

Empathie ist ein Teilbereich der sozialen und emotionalen Intelligenz. Und emotionale Intelligenz ist wiederum eine Erweiterung des Intellekts und individuellen Charakters, die dabei hilft, Gefühle einschätzen zu können.

Der Begriff „Emotionale Intelligenz“ wurde 1990 von den US-amerikanischen Psychologen John D. Mayer und Peter Salovey eingeführt. Sie meinten damit die Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle wahrzunehmen, zu verstehen und diese beeinflussen zu können. Personen mit hoher emotionaler Intelligenz sind aber nicht zwangsweise entsprechend empathisch. Ob man empathisch reagiere, hänge unter anderem von der persönlichen Beziehung ab, wie die deutsche Psychologin Myriam Bechtoldt gegenüber dem Radiosender "Deutschlandfunk Nova" erklärt. Mit dem eigenen Hund hat man beispielsweise gewöhnlich mehr Mitgefühl als mit einem unbekannten Obdachlosen am Straßenrand.

Emotionale Intelligenz kann ähnlich wie die klassische Intelligenz mit einem Test gemessen werden - also ein EQ-Test statt einem IQ-Test. Dabei beziehen sich die Testbeispiele auf emotionale Situationen und nicht auf Logik- oder Mathematikaufgaben. „Die Fähigkeit, Emotionen zu erkennen, ist etwas anderes als die Fähigkeit, Matheaufgaben lösen zu können“, sagt Bechtoldt.

Einer der sich eingehend mit der emotionalen Intelligenz beschäftigt hat und sie populär gemacht hat, ist der US-amerikanische Psychologe Daniel Goleman. Er vertritt die These, dass diese Form der Intelligenz im Job und generell sogar von größerer Wichtigkeit ist als der IQ. "Mit dem IQ kommt man in den Job, aber mit emotionaler Intelligenz macht man Karriere", beschreibt Bechtoldt die Annahme des Psychologen.

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Wie kann man sie fördern?

Da jeder Mensch ein Potenzial für empathisches Verhalten in sich trägt, kann es auch jeder erlernen und im eigenen Alltag stetig weiter ausbauen. Mit folgenden Tipps kann man Empathie im Alltag fördern:

  1. Aktiv zuhören: Dazu zählt, andere nicht beim Reden zu unterbrechen und nicht zu versuchen, bei Unsicherheiten oder Fragen Lösungen für andere zu finden. Seien Sie für andere da, jedoch nicht aktiv beratend, sondern unterstützend.
  2. Man sollte sich Zeit nehmen und offen für andere sein.
  3. Einfühlungsvermögen und Beobachtung: Stimmen Körpersprache, Tonlage und Stimme mit dem Gesagten überein? Sehr häufig versuchen Menschen nur so zu tun, als ob es ihnen gut geht, weil sie nicht gelernt haben über ihre Sorgen sprechen zu dürfen. Je mehr Sicherheit und Mitgefühl man vermittelt, umso mehr hilft man anderen Menschen dabei, sich zu öffnen.
  4. Man sollte ehrliches und authentisches Interesse an anderen Menschen zeigen
  5. Dinge, die einen interessieren, darf man ruhig hinterfragen. Wenn man sich selbst öffnet, öffnen sich auch andere Menschen.
  6. Wenn man sein Gegenüber spiegelt, vermittelt das Interesse.
  7. Es kann helfen, Verständnis und echtes Mitgefühl auszudrücken.
  8. Man sollte auf die eigene Körpersprache achten. Ist man ehrlich interessiert an den Sorgen und Geschichten anderer und strahlt man das auch aus?
  9. Vertrauen ist die Basis von Empathie: Dinge, die einem anvertraut wurden, sollte man nicht ausplaudern.

Kann man "zu empathisch" sein?

Zu viel Empathie kann von Nachteil sein. Wenn jemand beispielsweise immer nur für andere da ist, passiert es häufig, dass die eigenen Bedürfnisse und Sorgen unbemerkt untergehen. Zu einer empathischen Intelligenz gehört es demnach auch, sich gesund abgrenzen zu können und auf die eigene Psychohygiene zu achten.

Wenn man vor lauter Mitgefühl für andere verlernt hat, auf die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu hören, ist man "zu empathisch". Ein gesundes Maß an „Selbstempathie“ ist von größter Bedeutung, um überhaupt in der Lage zu sein, dauerhaft für andere Menschen da zu sein.