So gelingt ein selbstbestimmtes Leben

Heute schon eine Runde im Hamsterrad gedreht? Manchmal haben wir das Gefühl, dass wir gar nicht mehr Herr bzw. Frau unseres eigenen Lebens sind. Die Psychologin Renate Pelzguter erklärt, wie ein selbstbestimmtes Leben gelingen kann.

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Mag. Renate Pelzguter ist Klinische und Gesundheitspsychologin sowie Humortrainerin. Für Unternehmen bietet sie Seminare und Trainings mit Schwerpunkt positive Psychologie, positives Leadership, Kommunikation, Selbstfürsorge und Achtsamkeit an. Jugendliche, Erwachsene und Paare berät sie psychologisch in ihrer Praxis sowie online.
Renate Pelzguter
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1. Was ist Ihnen wirklich wichtig?

Der erste Schritt in ein selbstbestimmtes Leben ist die Frage: Was ist mir persönlich wichtig? Wie möchte ich leben, damit ich, wenn ich alt bin, zurückblicken und sagen kann: "Es war gut." Zugegeben, diese Frage zu beantworten ist alles andere als einfach. Aber es lohnt sich, sie sich zeitgerecht zu stellen. Denn oft leben wir, ohne uns darüber bewusst zu sein, die Werte anderer. Vielleicht konnten wir uns nie so ganz aus der elterlichen Erwartung an uns herauslösen. Vielleicht aber sehen wir auch die Vorstellungen von Familie und Freunden fälschlicherweise als unsere eigenen an. Mit der Frage nach den eigenen Werten einher geht sodann auch die nach den eigenen Bedürfnissen. "Gestehen Sie sich zu, Ihre Bedürfnisse wichtig zu nehmen", rät die Psychologin. "Wenn ich mich selbst nicht wichtig nehme, werden es die anderen auch nicht tun."

»Wenn ich mich selbst nicht wichtig nehme, werden es die anderen auch nicht tun«

2. Nehmen Sie sich, wie Sie sind

Von klein auf werden wir dazu erzogen, unseren Erfolg an dem der anderen zu messen. In der Schule zwängt man uns in ein rigides Notensystem, im Berufsleben heißt es dann: Der Bessere gewinnt. Kein Wunder, wenn unsere Mitmenschen früher oder später für uns zum Maß der Dinge werden. Dazu die Psychologin: "Vergleichen Sie sich nicht immer mit den anderen! Nehmen Sie sich so an, wie Sie sind." Dazu gehört auch, die eigenen Fehler als notwendigen Schritt der Entwicklung anzusehen. "Erlauben Sie sich, Fehler zu machen. Nehmen Sie sie wahr und schauen Sie, was Sie aus ihnen lernen können - ohne sich dabei schlecht zu machen." Und noch etwas ist hier ganz wichtig: "Nehmen Sie sich nicht immer so tierisch ernst. Lachen Sie auch einmal aus vollem Herzen über sich und Ihre Fehler."

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3. Fokussieren Sie auf Ihre Stärken

Und wo wir gerade bei den Fehlern sind ... "Wir neigen dazu, mehr auf unsere Schwächen als auf unsere Stärken zu schauen." Während wir auf unsere Schwächen fokussieren, sehen wir unsere Stärken als etwas Selbstverständliches an. Nach dem Motto: "Ist doch nichts Besonderes, dass ich das kann." Tatsächlich verbergen sich hinter den vermeintlichen Selbstverständlichkeiten aber oft Stärken, deren wir uns bloß nicht bewusst sind. Pelzguter rät daher: "Stempeln Sie das, was Sie gut können, nicht als normal ab. Machen Sie sich Komplimente, loben Sie sich selbst. Und schauen Sie, wo Sie Ihre Stärken noch besser leben können. Beziehungsweise versuchen Sie, die Stärken, die Sie im Privaten leben, auch ins Berufsleben einzubringen."

Was sind Ihre Stärken? Mit den Fragebögen von der Universität Zürich können Sie es herausfinden.

4. Machen Sie kleine Schritte

Herauszufinden, was im Leben einem wirklich wichtig ist, wo die eigenen Stärken liegen und wie man sie noch besser in den beruflichen Alltag einbauen kann, ist etwas, das nicht von heute auf morgen geht. Die Psychologin empfiehlt daher, sich Zeit zu geben. "Machen Sie kleine Schritte!" Wer die Latte von vornherein zu hoch legt, läuft Gefahr, zu scheitern. Besser das Ziel fürs Erste in einem Bereich ansiedeln, von dem man weiß, dass man ihn problemlos erreicht. Also zum Beispiel fünf Minuten meditieren und sich nachher denken: Ich hätte auch zehn Minuten geschafft. Nach und nach wird die Dauer dann gesteigert. "Und nicht fünf Sachen auf einmal ändern wollen", mahnt Pelzguter, "sondern sich für eine Sache entscheiden." Der Weg sollte zudem mit Freude verbunden sein. In welchem Kontext, in welcher Form macht Ihnen das, was Sie umsetzen wollen, Spaß?

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5. Seien Sie nachsichtig mit sich selbst

"Es gibt jeden Tag einen Grund, sich auf die Schulter zu klopfen", weiß die Psychologin. Je besser wir uns selbst loben können, desto weniger sind wir auf die Anerkennung anderer angewiesen. Wichtig ist auch, Nachsicht mit sich selbst zu üben. Überlegen Sie mal, ob Sie auch mit Ihrem besten Freund, Ihrer besten Freundin so hart ins Gericht gehen, wie mit sich selbst. Gelingt etwas nicht, ziehen Sie das Zauberwörtchen "noch" heran. Im Sinne von: Ich kann es noch nicht. Damit geben Sie sich die Chance, Dinge, die Ihnen wichtig sind, zu lernen. Richten Sie Ihr Augenmerk zudem auf Ihre Erfolge - egal, wie groß oder klein sie sind. Hilfreich dabei ist, sich jeden Abend vor dem Einschlafen die Frage zu stellen: Was ist mir heute gut gelungen? Wo habe ich meine Stärken gelebt?

Selbstbestimmt leben - wie geht das? Der Persönlichkeits-Podcast von Roland Kopp-Wichmann

6. Werfen Sie alte Glaubenssätze über Bord

Unser Selbstbewusstsein ist stark davon geprägt, wie viel Wertschätzung wir in unserer Kindheit und auf dem Weg zum Erwachsensein erfahren haben. Oft ohne dass es uns bewusst ist, haben sich Glaubenssätze in unser Gehirn eingebrannt - "wie ein Computerprogramm, das ständig im Hintergrund mitläuft und unser Denken bestimmt", veranschaulicht die Psychologin. Sätze wie "Das werde ich nie schaffen" oder "Ich bin nicht gut genug". Es liegt nun an uns, diese Glaubenssätze zu identifizieren und zu überprüfen, ob sie nach wie vor Gültigkeit besitzen - oder noch besser: Ob sie uns von Nutzen sind. Ist das nicht der Fall, können wir sie anpassen oder kurzerhand über Bord werfen. "Loslassen, weil ich merke, dass sie mir nicht gut tun", ergänzt Pelzguter.

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7. Sagen Sie "Nein"

Wer seinen eigenen Weg gehen will, muss zu dem stehen, was ihm wichtig ist. Und dazu gehört es nun einmal, zu anderen auch hin und wieder "Nein" zu sagen. Seien Sie sich Ihrer Grenzen bewusst und schämen Sie sich nicht, sie einzuhalten. "Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern eines von Stärke", betont die Psychologin. Wer Angst hat, sein Gegenüber vor den Kopf zu stoßen, könne sich überlegen, wie er sein Nein verkaufen kann, ohne dass sich der andere persönlich zurückgewiesen fühlt. Grundsätzlich brauche man sich aber nicht zu rechtfertigen. Und auch die Sorge, als Egoist abgestempelt zu werden, ist, genauer betrachtet, unbegründet. "Auf die eigenen Bedürfnisse zu achten hat nichts mit Egoismus zu tun." Schließlich kann man nur dann für andere da sein, wenn man zuerst dafür sorgt, dass es einem selbst gut geht.

»Die positive Energie, die ich im Moment habe, kann ich festhalten, indem ich meine Vorhaben aufschreibe«

8. Reden Sie über Ihre Vorhaben

Malen Sie sich ihr Ziel in allen Farben aus. Stellen Sie vor, wie Sie sich fühlen, wenn Sie es erreicht haben. Und reden Sie über Ihr Vorhaben. "Wenn ich etwas ausspreche, hat es eine andere Kraft, als wenn es nur im Kopf ist", weiß Pelzguter. Eine andere Möglichkeit, Ziele in Worte zu fassen, ist sie aufzuschreiben. "Die positive Energie, die ich im Moment habe, kann ich festhalten, indem ich meine Vorhaben aufschreibe." Die Psychologin rät: "Schreiben Sie einen Brief an sich selbst." Notieren Sie darin, was Sie tun möchten und warum Sie das tun möchten. Dann verstecken Sie den Brief. Tragen Sie sich im Kalender ein, dass Sie ihn ein halbes Jahr später wieder zur Hand nehmen, um ihn lesen. Nun können Sie überprüfen, was davon Sie tatsächlich umgesetzt haben.