ANALYSE
Für Andreas Babler wird es ungemütlich. Erfolge lassen auf sich warten. Nur vereinzelt ist es ihm gelungen, Themen zu setzen, die bestimmend sind und dazu führen, dass er im Zentrum der Politik steht. In Umfragen liegt seine Partei, die SPÖ, noch immer dort, wo sie sich beim Abgang von Pamela Rendi-Wagner befunden hat: Abgeschlagen hinter der Herbert-Kickl-FPÖ.
Dass bis zu den Europa- und Nationalratswahlen 2024 noch viel Zeit ist, ist kein Trost für Babler: Vor allem, um sich gegenüber dem "Establishment" in den eigenen Reihen zu behaupten, gegen das er auf dem Weg zum Vorsitz zunächst angetreten ist, braucht er dringend Herzeigbares. Es muss klar werden, dass er die SPÖ zur Nummer eins machen und das Kanzleramt erobern könnte. Dann würden sich die Reihen hinter ihm schließen.
Momentan wird im besten Fall für Babler ignoriert, was er sagt. Im schlimmsten Fall wird es abgelehnt oder konterkariert. Er will die Basis über eine Regierungsbeteiligung abstimmen lassen? Wiens Bürgermeister Michael Ludwig ist dagegen. Er lehnt eine Koalition mit der FPÖ grundsätzlich ab? Der steirische Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang behält sich eine solche für die Landesebene vor. Vom burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil nicht zu reden. Dieser leidet noch immer darunter, dass nicht er an der Pateispitze steht und unterlässt daher alles, was Babler nützen könnte.
Der 50-Jährige bemüht sich umso mehr, bei den Wählerinnen und Wählern zu punkten. Zunehmend fokussiert er sich auf ein einziges Thema: die Teuerung und alles, was aus seiner Sicht damit einhergeht. Wobei er Gefahr läuft, ausgerechnet Kickl, seinem größten Widersacher um die Führung, in die Hände zu spielen.
Die Geschichten, die die beiden erzählen, ähneln sich im Ansatz sehr: Eine Masse (Babler spricht von "unseren Leuten") werde abgezockt. Durch Banken und Konzerne bzw. eine Politik, die nichts dagegen unternehme. Damit lässt sich Stimmung machen. Der Unmut ist groß. Zumal er in vielen Fällen in Verbindung mit Coronamaßnahmen steht. Aus dieser Zeit stammt in Teilen der Wählerschaft eine grundsätzliche Absage an Regierende. Kickl greift das daher in jeder Rede vielfach auf und stellt es in Verbindung mit der Teuerung: Wieder werde das Volk durch Eliten hängen gelassen. Als Kanzler werde er sich rächen, vermittelt er und verspricht, nach unten zu dienen und nach oben zu treten.
Dass die Kickl-FPÖ in Umfragen vorne ist, hat mit einer Krise der Politik zu tun. Das Vertrauen darauf, dass es Kräfte gibt, die Probleme lösen und sich um eine bessere Zukunft bemühen wollen, ist gesunken. Das macht auch Babler zu schaffen. Seine Antwort darauf ist, verbreiteten Frust anzusprechen und dabei gerne auch Emotionen zu bedienen. Allein: Kickl hat einen Vorsprung in dieser Disziplin, er ist der Schmied.
ZAHL
Ukraine-Krieg: Stimmung kippt
Ukraine-Krieg: Stimmung kippt
Die Regierung steht vor einem riesigen Problem: Die Ukraine-Politik der EU, die von ihr mitgetragen wird, wird von immer weniger Menschen unterstützt. Zwar sind noch immer drei Viertel und mehr für die Aufnahme von Geflüchteten sowie humanitäre Hilfe in der Ukraine. Anders als in den meisten übrigen EU-Ländern geht die Zustimmung in Österreich jedoch stark zurück. Das ist Eurobarometer-Befragungen zu entnehmen, die halbjährlich durchgeführt werden.
Hatten sich zu Jahresbeginn noch 69 Prozent für die Sanktionen gegen Russland ausgesprochen, so waren es zuletzt nur noch 55. Die Finanzierung und die Lieferung von Waffen an die Ukraine, die von Österreich durch eine konstruktive Enthaltung in der EU ermöglicht wird, wird neuerdings sogar mehrheitlich abgelehnt: 40 Prozent sind dafür, 56 Prozent dagegen.
Geht damit das Kalkül des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf, dass mit Fortdauer des Krieges mehr und mehr Staaten müde werden, der Ukraine beizustehen? Noch beschränkt sich diese Tendenz auf die Bevölkerung. Vor allem die ÖVP, die in der Regierung für Europa-, Sicherheit- und Verteidigungspolitik zuständig ist, gerät jedoch unter Druck: FPÖ-Chef Herbert Kickl mobilisiert gezielt gegen Sanktionen, aber auch Waffenlieferungen. Damit spricht er offenbar schon eine Mehrheit an. Und zwar allein. Zumindest bisher gibt es keinen relevanten Vertreter einer anderen Partei, der das ebenfalls tun würde.
Für Kickl ist das ein Joker im Hinblick auf die Europawahl im Juni 2024 sowie die Nationalratswahl, die spätestens im darauffolgenden Herbst stattfinden wird. Und für die ÖVP eine Prüfung: Im Unterschied zur sachlich belanglosen Verankerung von Bargeld in der Verfassung kann sie seine Ansagen hier kaum kopieren. Dadurch würde sie in Kauf nehmen, die EU und die Ukraine gegenüber Putin zu schwächen.
BERICHT
Parteikassen füllen sich
Parteikassen füllen sich
Kaum war bekannt, dass Politikerbezüge 2024 um 9,7 Prozent steigen könnten, kündigten Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und sein Vize Werner Kogler (Grüne) Anfang August an, dass es auf Bundesebene nicht dazu kommen werde. Die beiden reagierten damit auf Oppositionsproteste. Genauer: SPÖ-Chef Andreas Babler hatte sich gegen eine Erhöhung von "Regierungsgehältern" gestellt, die in Wirklichkeit zum Beispiel auch für sozialdemokratische Abgeordnetenbezüge gegolten hätte. FPÖ-Obmann Herbert Kickl meinte, ein solcher Schritt wäre "unanständig" gegenüber jenen, denen die Teuerung zu schaffen macht. Eine Debatte darüber wollten sich Nehammer und Kogler ersparen.
Bemerkenswert: An der automatischen Anpassung der Parteienförderung haben Kickl und Co. nichts auszusetzen. Also ist sie, die ohnehin schon zu den höchsten weltweit zählt, heuer um 8,6 Prozent auf 34,5 Millionen Euro gestiegen. Mehr als 13 Millionen davon entfallen auf die ÖVP, 7,5 auf die SPÖ, fast sechs auf die FPÖ, fünf auf die Grünen und drei auf die Neos. Das ermöglicht es ihnen, die Kassen für den Nationalratswahlkampf zu füllen. Noch besser: 2024 wird die klassische Förderung für Bundesparteien auf rund 37 Millionen Euro "angepasst" werden. Für den EU-Wahlkampf werden sie noch zusätzlich Geld bekommen.
Im ORF-Sommergespräch verteidigte Kickl die Automatik mit dem Hinweis, dass Parteien mit steigenden Personalkosten konfrontiert seien. Bei der FPÖ machen diese laut jüngstem Rechenschaftsbericht nur einen Bruchteil der Gesamtausgaben aus: ein Sechstel. Das meiste Geld fließt in Kampagnen.
Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at