Nehammer, der lachende Dritte

Die SPÖ zerlegt sich, Blau-Türkis würde bei einer Wahl wohl zu einer Mehrheit kommen. Mit so viel Glück konnte der ÖVP-Chef nach dem Rücktritt von Kurz nicht rechnen.

von Politische Analyse - Nehammer, der lachende Dritte © Bild: Privat

Analyse

"Unser Kanzler, unser Kanzler, hey, hey, hey", wurde Karl Nehammer am Abend der Kärntner Landtagswahl von Funktionären fast so stark gefeiert wie der große Überraschungsmann, Parteifreund Martin Gruber. Dieser hatte es geschafft, der ÖVP einen leichten Zugewinn auf 17 Prozent zu bescheren. Damit hatte kaum jemand gerechnet. Erwartet worden war ein deutlicher Verlust. Mit einem ähnlichen Schicksal musste bisher auch Karl Nehammer hadern. Als Nachfolger von Sebastian Kurz, der die ÖVP bei der Nationalratswahl vor vier Jahren auf 37,5 Prozent geführt hatte, galt er als bloßer Abwickler, bei dem man schon zufrieden ist, wenn er es zusammenbringt, dass am Ende überhaupt noch etwas übrigbleibt. Das ist jedoch vorbei. Parteiintern beginnt die Stimmung, zu kippen: Sehr viel scheint plötzlich möglich zu sein.

Die SPÖ zerlegt sich. Vor einem Jahr nützte Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner günstige Umfragewerte, um sich als Kanzlerkandidatin zu präsentieren. Realistische Optionen hatte sie viele. Ihre Partei lag vorne, eine Ampelkoalition mit Neos und Grünen wäre sich genauso ausgegangen wie eine Zusammenarbeit mit der ÖVP.

Glück im Unglück

Heute ist die SPÖ weit davon entfernt, und nichts deutet darauf hin, dass sie so bald wieder dorthin zurückkehren könnte: Zu viele Genossen zweifeln an den Qualitäten von Rendi-Wagner, und sie ist allein damit beschäftigt, zu betonen, dass sie die Richtige sei, nicht zurücktrete, sondern kämpfe. Gerade in Zeiten multipler Krisen, also größerer Probleme, bringt das keine Wähler. Im Gegenteil, sie flüchten.

Mittlerweile erfährt die FPÖ von Herbert Kickl den größten Zuspruch. Nehammer kann das jedoch gelassen sehen. Es ist Glück im Unglück. Erstens: Es gibt wieder eine Mehrheit rechts der Mitte, wo die ÖVP von Sebastian Kurz positioniert wurde und von ihm weitestgehend belassen wird, damit sie möglichst viele Anhänger halten kann. Zweitens: Eine Ampel oder eine andere Konstellation ohne ÖVP hat keine Mehrheit mehr.

Starke Position

Das beschert der Volkspartei eine starke Position: Von der SPÖ, die dabei ist, zurückzufallen, könnte sie nach einer Wahl erhebliche Zugeständnisse verlangen, um auch nur ernsthaft an eine Zusammenarbeit zu denken. Und die FPÖ mag viel größer sein. Sie wird jedoch von Bundespräsident Alexander Van der Bellen heruntergeholt, der ihr distanziert gegenübersteht und ihren Obmann, Herbert Kickl, kaum als Kanzler akzeptieren würde.

Das hilft Nehammer. Er könnte unter Berufung auf Van der Bellen von den Freiheitlichen ein Bekenntnis zur europäischen Integration und zu den Sanktionen gegen Russland verlangen und darauf bestehen, dass ein anderer Mann als Kickl Regierungschef wird. Selbst wird er kaum davon träumen. Vizekanzler wäre aber ohnehin schon viel, wenn man bedenkt, wo seine Partei nach Kurz gestanden ist: vor dem Nichts.

Zahl

SPÖ: In den Zentren verloren

Bei einer Direktwahl zum Landeshauptmann hätte sich Kärntens Amtsinhaber Peter Kaiser am vergangenen Sonntag gleich im ersten Wahlgang durchgesetzt und 53 Prozent erreicht. Damit hätte er kaum weniger Zuspruch erfahren als vor fünf Jahren (54) oder sein Kollege Hans Peter Doskozil vor drei Jahren im Burgenland (56 Prozent). Das ist der Wahltagsbefragungen des Sozialforschungsinstituts SORA zu entnehmen.

Stattgefunden hat jedoch eine Landtagswahl. Und da konnte Kaiser nicht verhindern, dass die SPÖ, deren Vorsitzender er ist, um neun Prozentpunkte auf weniger als 40 Prozent einbrach. Dass er die Verantwortung auf sich nimmt, zeugt von erhöhter Selbstlosigkeit. Schuld ist wohl eher der Zustand der Gesamtpartei mit der Endlosdebatte über Pamela Rendi-Wagner und die Tatsache, dass es kein überzeugendes Angebot für größere Wählergruppen mehr gibt.

Ein Ergebnis ist, dass die SPÖ bei den jüngsten Landtagwahlen ganz besonders auch in den Städten verloren hat: In der Tiroler Metropole Innsbruck, wo sie bei der Nationalratswahl 2017 noch auf Platz eins gelandet war, sackte sie im September um 3,9 Prozentpunkte ab. In St. Pölten stürzte sie Ende Jänner um fast neun Punkte ab und in Klagenfurt am Wörthersee nun um mehr als zehn.

Die Sozialdemokratie wird damit gerade auch dort massiv geschwächt, wo sie traditionell stärker ist und es auch bleiben müsste, um sich alles in allem behaupten zu können: in urbanen Zentren, in denen mehr Arbeiter und oder auch Akademiker leben, die eher links der Mitte stehen. Sie ziehen in unterschiedliche Richtungen davon, die einen zu den Freiheitlichen, die anderen zu Grünen, Neos oder neueren Bewegungen, die für viele überzeugender wirken, etwa die Liste Fritz in Tirol oder das Team Kärnten, dem mit Christian Scheider sogar der amtierende Bürgermeister von Klagenfurt angehört.

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Bericht

Pensionsalter: Frauen auf der Überholspur

Das gesetzliche Pensionsalter der Frauen (60) mag erst ab dem kommenden Jahr an jenes der Männer (65) herangeführt werden. Praktisch läuft dieser Prozess jedoch schon – und bald könnten Frauen sogar länger arbeiten als Männer.

Bei Männern, bei denen es die Gesundheit zulässt, ist das Zugangsalter zur Alterspension seit geraumer Zeit unverändert: Im Durchschnitt beträgt es 63,2 Jahre. Bei Frauen steigt es jedoch und beläuft sich bereits auf 60,7 Jahre. Der Unterschied nach Geschlecht macht damit rund zweieinhalb Jahre aus.

Und er wird noch kleiner werden: Bei Männern erfolgt der Abschied aus dem Berufsleben relativ früh, zumal es die Möglichkeit gibt, ab 62 in Korridorpension zu gehen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass 40 Versicherungsjahre vorliegen. Bei einem Großteil der Männer ist dies der Fall. Eine saftige Reduktion der Pension wird in Kauf genommen; die Abschläge betragen bis zu 15,3 Prozent.

Im Rahmen der Angleichung des Pensionsalters wird in wenigen Jahren auch Frauen die Korridorpension offenstehen. Für viele ist das jedoch ein Hohn. Grund: Im Unterschied zu Männern bringen sie oft noch keine 40 Versicherungsjahre zusammen. Außerdem sind sie eher nur teilzeitbeschäftigt. Das führt dazu, dass sie niedrigere Pensionsansprüche haben und sich die Abschläge kaum leisten können, wie WIFO-Pensionsexpertin Christine Mayrhuber bestätigt. Sie würden verarmen. Die Folge: Sie müssen zwangsläufig länger arbeiten. Zur Erinnerung: Schon heute tun sie es im Schnitt über das gesetzliche Pensionsalter hinaus.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at