Tödlicher Erreger: Darum ist Milzbrand so gefährlich

Sein Erreger kann über Jahrzehnte hinweg überleben und binnen weniger Tage töten. Die Rede ist von Milzbrand. Wie wird die Krankheit übertragen? Welche Symptome zeigen sich? Und wie kann man sich schützen? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

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Medizin - Tödlicher Erreger: Darum ist Milzbrand so gefährlich © Bild: Shutterstock.com

Was ist Milzbrand?

Milzbrand, auch Anthrax genannt, ist eine Infektionskrankheit, ausgelöst durch das Bakterium Bacillus anthracis. Dieses wurde erstmals im Jahr 1849 nachgewiesen. Die erste detaillierte Beschreibung lieferte Robert Koch im Jahr 1876. Die Bezeichnung der Krankheit leitet sich von der braunschwarzen, fleckigen Verfärbung einer schwer befallenen Milz ab. Für den Erreger besonders empfänglich sind unter anderem Schafe, Rinder und Pferde. Auch Katzen, Ratten und Hunde können erkranken, so wie auch der Mensch. Weniger anfällig ist dagegen das Schwein. In Österreich sind sowohl Erkrankungs- als auch Verdachts- und Todesfälle aufgrund von Milzbrand meldepflichtig.

Wie wird Milzbrand übertragen?

Die Infektion kann durch direkten Hautkontakt, den Verzehr infizierter Tierprodukte wie Milch oder Fleisch sowie das Einatmen der von den Bakterien gebildeten Sporen erfolgen. Die Form der Erkrankung hängt davon ab, über welche Pforte der Erreger in den Körper eintritt. So führt der Hautkontakt zu Hautmilzbrand, der Verzehr verseuchter Produkte zu Darmmilzbrand und das Einatmen der Sporen zu Lungenmilzbrand. Von Mensch zu Mensch kann die Erkrankung aller Wahrscheinlichkeit nach nicht übertragen werden. Jedenfalls wurde bisher noch kein derartiger Fall dokumentiert.

© iStockphoto.com Milzbrand galt bei Gerbereiarbeitern als Berufskrankheit

In der Vergangenheit galt Milzbrand als Berufskrankheit bei Gerbereiarbeitern und Personen, die Felle, Borsten und Haare verarbeiteten, wie das zum Beispiel bei der Herstellung von Matratzen der Fall war. Immer dann, wenn Leder zur Mangelware und folglich aus Regionen importiert wurde, in denen man nur wenige oder gar keine veterinärmedizinischen Kontrollen bei der Schlachtung durchführte, kam es zu gehäuftem Auftreten der Erkrankung. So auch in der Zeit, als die Gerbereien ihre Abwässer noch ungeklärt in die Gewässer spülen durften. Über diesen Weg gelangten die Sporen auf die Weiden, wo sie bis ins 20. Jahrhundert hinein zu regelrechten Tierepidemien führten.

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Während die Bakterien bei günstigen Bedingungen, sprich niedrigen Temperaturen, gut zwei Wochen lang überleben können, bleiben deren Sporen über Jahrzehnte, wenn nicht sogar über Jahrhunderte hinweg infektiös.

Was sind die Symptome?

Der Hautmilzbrand ist die häufigste Form des Milzbrandes. Wenngleich er verglichen mit Darm- oder Lungenmilzbrand relativ harmlos ist, kann er unbehandelt doch zum Tode führen. Die Inkubationszeit beträgt ein bis drei Tage. Anfangs zeigt sich an der Infektionsstelle ein von Bläschen gesäumtes Geschwür, das in der Mitte schwarz verfärbt ist. Die Verfärbung kommt durch die abgestorbenen Zellen zustande. Sodann bildet sich eine mit Eiter gefüllte Blase. Mit der Zeit können weitere Bläschen auftreten. Verbinden sich diese, entsteht das sogenannte Milzbrandkarbunkel. Bekommt dieses Anschluss an ein Blutgefäß, besteht die Gefahr einer Blutvergiftung.

Der Darmmilzbrand verursacht zunächst blutige Durchfälle und Erbrechen. Die Symptome können bereits innerhalb weniger Stunden nach der Infektion auftreten. Es kommt zur Verbreitung der Keime im gesamten Körper, deren Folge eine Blutvergiftung, Nieren- oder Herzversagen sein können. Mehr als die Hälfte der Betroffenen überlebt die Erkrankung nicht.

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Der Lungenmilzbrand verläuft ähnlich wie eine Lungenentzündung. Die Inkubationszeit beträgt einige Tage bis mehrere Wochen. Anfangs zeigt sich die Erkrankung durch Husten, später durch hohes Fieber, Schüttelfrost und Atemnot. Einmal erkrankt, ist die Überlebenschance selbst dann, wenn man den Patienten umgehend mit Antibiotika behandelt, nicht besonders hoch. Der Tod tritt für gewöhnlich binnen drei bis sechs Tagen ein. Bei allen drei Formen des Milzbrandes kommt es zur Schwellung und Verfärbung der Milz.

Wie erfolgt die Diagnose?

Die Diagnoseart richtet sich nach der jeweiligen Form der Erkrankung. Bei einem Hautmilzbrand werden die betroffenen Körperstellen untersucht. Mitunter wird auch eine mikrobiologische Analyse der aus der Haut gewonnenen Erreger vorgenommen. Dasselbe Verfahren kann beim Lungenmilzbrand angewandt werden. Hier dient der Auswurf als Ausgangsmaterial für die weitere Untersuchung. Darüber hinaus können die spezifischen Antikörper gegen den Milzbrand-Erreger im Blutserum gefunden werden. Wichtig ist zudem, dass der Patient dem Arzt den genauen Krankheitsverlauf schildert und ihn über eventuelle Tierkontakte informiert.

Wie wird Milzbrand behandelt?

Bei Milzbrand werden verschiedene Breitbandantibiotika verabreicht. Zudem werden Symptome wie Durchfall und Schmerzen behandelt. Die Medikamentengabe erfolgt in der Regel über mehrere Wochen hinweg. Eine medikamentöse Behandlung ist in jedem Fall notwendig, da Milzbrand ohne Therapie tödlich enden kann. Das vom Erreger produzierte Milzbrandtoxin ist hochgiftig. Sobald die Giftproduktion einen kritischen Wert überschritten hat, sind Antibiotika wirkungslos. Je früher daher die Behandlung beginnt, desto höher die Überlebenschance.

© Shutterstock.com Einen weltweit zugelassenen Impfstoff gibt es nicht

Wie kann ich mich schützen?

In Mitteleuropa ist die Gefahr, an Milzbrand zu erkranken, sehr gering. In tropischen und subtropischen Regionen sollte man allerdings den unkritischen Kontakt zu Haus- und Nutztieren meiden. In verschiedenen Ländern werden unterschiedliche Impfstoffe eingesetzt. Einen weltweit zugelassenen Impfstoff gegen den Milzbrand-Erreger gibt es jedoch nicht. In den USA werden wegen möglicher Nebenwirkungen neben Angehörigen der Streitkräfte nur jene Personen geimpft, die beruflich mit Anthrax in Berührung kommen können. Von einer prophylaktischen Einnahme der oben genannten Präparate ist ohne gesicherte ärztliche Diagnose wegen des Nebenwirkungsrisikos abzusehen. Antibiotika sollte man aber ohnehin nie ohne triftigen Grund einnehmen.

Wo kommt Milzbrand vor?

Milzbrand ist nach Angaben des Berliner Robert-Koch-Instituts als Tierkrankheit nahezu weltweit verbreitet. Der Erreger kommt in erster Linie in wärmeren Regionen, allen voran in Südamerika, Südeuropa, Nordafrika, dem Nahen Osten und Asien vor. In Mitteleuropa ist die Krankheit dagegen sehr selten. Zuletzt kam es 2016 auf der nordsibirischen Halbinsel Jamal zu einem größeren Ausbruch. Dieser war aller Wahrscheinlichkeit nach dem Auftauen des dortigen Permafrostbodens geschuldet, was wiederum auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Auf diese Weise können nämlich im Eis eingeschlossene verseuchte Rentierkadaver auftauen, womit auch wieder die Erreger aktiv werden.

© iStockphoto.com In sumpfigen Gebieten fühlen sich die Erreger besonders wohl

Abgesehen davon tummeln sich die Erreger vorzugsweise in feuchten, sumpfigen Böden und Überschwemmungsgebieten von Fluss- und Bachläufen, wobei das Wasser für die Verbreitung der Sporen sorgt. Doch auch Regenwürmer können zum Wiederaufkommen der Krankheit beitragen. Nämlich dann, wenn sie aus tief vergrabenen Kadavern Sporen an die Oberfläche bringen, die selbst nach Jahrzehnten noch infektiös sein können. Nicht ganz so lange wie die Sporen, immerhin aber mehrere Wochen können die Bakterien in toten Tieren überleben. Der Kontakt mit Tierkadavern sollte daher auf jeden Fall gemieden werden.

Milzbrand-Erreger als Bio-Waffe

Bereits im ersten Weltkrieg experimentierten deutsche Wissenschafter mit Milzbrand. Im zweiten Weltkrieg entwickelte Frankreich einen Erreger, der dann aber in deutsche Hände gelangte. Die USA arbeiteten an Milzbrandbomben und auch Großbritannien experimentierte mit Anthrax. Und zwar auf der Insel Gruinard Island, die aufgrund der Verseuchung daraufhin nahezu fünfzig Jahre lang Sperrgebiet war. In Tokio erprobte man verschiedenste Krankheitserreger, darunter auch jenen von Milzbrand, an chinesischen und koreanischen Kriegsgefangenen. Bei sowjetischen Experimenten kam es 1979 zu einem Unfall, bei dem zahlreiche Anwohner infiziert wurden.

Im Jahr 1972 unterzeichneten 143 Staaten die sogenannte Biowaffenkonvention. Sie untersagt die Entwicklung, Herstellung und Lagerung biologischer Waffen. Nichtsdestotrotz vermuteten US-amerikanische Geheimdienste Mitte der 1990er Jahre, dass mehrere Staaten biologischer Waffen entwickeln, darunter der Iran, der Irak, Libyen, Nord- und Südkorea, China und Russland. Heute ist die Kriegsführung mit Anthrax international geächtet.