Kandidaten und Kandidatinnen der EU-Wahl

Jetzt stehen sie offiziell fest: die Kandidaten und die Kandidatin zur EU-Parlamentswahl. Mit dem Politik-Experten Thomas Hofer haben wir sie unter die Lupe genommen und geben einen Überblick

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Politik - Kandidaten und Kandidatinnen der EU-Wahl © Bild: Jens Gyarmaty / Visum / picturedesk.com

Andreas Schieder (SPÖ), der rote Europäer

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Stärken

Schieder tritt zum zweiten Mal zur EU-Wahl an und kann deshalb mit Erfahrung punkten. Er steht für Kontinuität und kennt das Parlament in Brüssel. Der Experte findet: Er hat sich als solider Europapolitiker und geschäftiger Abgeordneter erwiesen.

Schwächen

Seit er in Brüssel ist, wurde es leise um ihn. Es gelingt Schieder selten, seine Arbeit in der Heimat zu kommunizieren. Hofer bezweifelt jedoch, dass Schieder über die Kernwählerschaft der SPÖ hinaus mobilisieren kann. Dafür fehle es ihm an Profil und einer kernigen Positionierung.

Wofür er steht

Im EU-Parlament hat er sich auf Außenpolitik spezialisiert. Im Wahlkampf ist von ihm eine Pro-Europa-Haltung zu erwarten. Von Schieder erwartet sich der Experte einen eher verhaltenen Wahlkampf. Er werde sich auf Themen wie Wirtschafts- und Steuerpolitik fokussieren und dabei soziale Gerechtigkeit fordern.

Wie das Wahlergebnis zu werten sein wird

Schieders Ergebnis wird zeigen, wie der SPÖ-Kurs unter Babler bei der Wählerschaft ankommt. Es zeigt auch, ob die SPÖ künftig im Duell um Platz 1 bei der Nationalratswahl mitmischt.

Reinhold Lopatka (ÖVP), der überraschte Kandidat

© IMAGO/SEPA.Media Reinhold Lopatka

Stärken

Der ehemalige Staatssekretär für Europa kennt die EU-Themen und hat sich hier einen Namen gemacht. Der Experte findet: Lopatka sei mit seinem Parteichef auf Linie, er könne von dieser Einigkeit profitieren. Außerdem sei er ein erfahrener Wahlkämpfer.

Schwächen

Lopatka war selbst von seiner eigenen Nominierung überrascht und kam zum Zug, weil sonst niemand die Position wollte. Hofer sagt: "So haftet ihm das Image des Notnagels an." Zudem fehlten das klare Profil für einen Wahlkampf und Themen, die Alleinstellungsmerkmal bieten.

Wofür er steht

Er setzt auf Sicherheit, Außengrenzschutz und Migration. Auch fordert er ein Bekenntnis zur europäischen Leitkultur. Von den Freiheitlichen unterscheidet ihn die pro-europäische Positionierung der ÖVP.

Wie sein Wahlergebnis zu werten sein wird

Lopatka wird, so der Experte, mit dem EU-Wahlergebnis von 2019 weder rechnen noch rechnen dürfen. Denn damals hat der Ibiza-Skandal der ÖVP Stimmen der FPÖ gebracht, und die Partei hatte mit Othmar Karas einen bekannten Spitzenkandidaten. Die ÖVP wisse um die drohenden Verluste.

»In diese Wahl gehen die Parteien unter ganz neuen Voraussetzungen als zu jener 2019«

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Helmut Brandstätter (NEOS), der europäische Boomer

© News/Ricardo Herrgott Helmut Brandstätter

Stärken

Brandstätter hat sich als Politiker und Buchautor glaubhaft und kompetent positioniert. Mit seiner klaren Themensetzung zu einem Mehr an Europa hat er im Kandidatendschungel ein Alleinstellungsmerkmal. Das mache ihn, so Hofer, unterscheidbar für die Wählerschaft.

Schwächen

Er folgt auf die junge, dynamische Claudia Gamon. Dagegen wirkt Brandstätter als ältester Kandidat behäbig und "verspielt somit das Frische-Image, das die NEOS im letzten Wahlkampf eingebracht haben". Obwohl der Experte weder Alter noch Geschlecht als Schwäche auslegen will, die Wählerschaft könnte das sehr wohl.

Wofür er steht

Er ist der einzige Kandidat, der laut nach den Vereinigten Staaten von Europa und einer gemeinsamen Verteidigungspolitik ruft. Dass das auch die österreichische Neutralität infrage stellt, könnte die Kernwählerschaft begeistern, darüber hinaus aber wohl wenig Stimmen bringen.

Was sein Ergebnis für die Partei bedeutet

Als klar positionierte Europa-Partei findet Hofer: "Ein Mandat im EU-Parlament für die NEOS ist ein Muss."

Harald Vilimsky (FPÖ), der Zwiegespaltene

© IMAGO/Daniel Scharinger Harald Vilimsky

Stärken

Die FPÖ verzeichnet derzeit hohe Umfragewerte, die sowohl Vilimsky als auch seine Position im EU-Wahlkampf stärken. Vilimsky ist seit zehn Jahren im EU-Parlament und kann als dienstältester Kandidat auf langjährige Erfahrung als EU-Politiker zurückblicken.

Schwächen

Vilimsky vertritt eine zwiegespaltene Position: Er ist Anti-EU bzw. EU-skeptisch und dennoch EU-Politiker. Das erschwert laut Hofer die Wählermobilisierung. Zusätzlich haften seinem Team Vorwürfe der Vetternwirtschaft - konkret der Verwandtenbeschäftigung - an. Im Wahlkampf wird er hierfür der Kritik ausgesetzt sein.

Wofür er steht

Er steht für EU-Skepsis und setzt auf Themen wie Migration und Grenzschutz. Der Experte meint: "Vilimsky wird sich als Anti-Eliten-Kandidat positionieren."

Was sein Ergebnis für die Partei bedeutet

Bei der letzten EU-Wahl verlor die FPÖ stark aufgrund des Ibiza-Videos. Laut Umfragen sind Zugewinne diesmal fast sicher und Hofer prognostiziert, dass das erwartete verbesserte Wahlergebnis Rückenwind für den Nationalratswahlkampf bedeuten wird.

Lena Schilling (Die Grünen), die junge Aktivistin

© News/Ricardo Herrgott Lena Schilling

Stärken

Als bekannteste Klimaaktivistin des Landes verkörpert sie glaubhaft das Kernthema der Grünen. Hofer sieht ihre mediale Sichtbarkeit und ihr engagiertes Auftreten als klare Stärke. Als einzige Frau und einzige ihrer Altersgruppe habe sie auch durch ihre demografischen Merkmale ein Alleinstellungsmerkmal.

Schwächen

Als Vorteil, der ein Nachteil ist, kann das Alter der Kandidatin gesehen werden. Daraus erwächst ihr ein Problem mit dem Kompetenzimage und der mangelnden Politikerfahrung. Kritisch könnten für sie auch ihre früheren Aussagen und die Kritik an ihrer jetzigen Partei werden.

Wofür sie steht

Wenig überraschend wird Lena Schilling für Klimapolitik und Umweltthemen eintreten. Der Experte erwartet auch einen Fokus auf Jugendpolitik und Generationenfrage.

Was ihr Ergebnis für die Partei bedeutet

Das Ergebnis der vergangenen Wahl war historisch gut, diesmal rechnen die Grünen wohl nicht mit Stimmengewinnen. "Für Lena Schilling wird jeder Verlust, der die Grünen im zweistelligen Bereich hält, ein Erfolg sein", so Hofer.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 9/2024.