René Benko
©KERSTIN JOENSSON / AFP / picturedesk.comMit einer 24-monatigen, nicht rechtskräftigen Haftstrafe endete das erste Verfahren gegen den gefallenen Immobilien-Jongleur. Der nächste Prozess steht schon vor der Tür.
Es waren zwei durchaus erkenntnisreiche Tage in Innsbruck. Das Medienaufgebot war dem Anlass entsprechend enorm – Kamerateams, Reporterinnen und Reporter aus dem In- und Ausland fanden nur mit Akkreditierung Platz im Schwurgerichtssaal. Auch das Sicherheitsaufgebot der Justizwache machte Eindruck: Schwer bewaffnete Beamte umgaben René Benko. Bis zuletzt blieb allerdings unklar, vor wem Benko eigentlich derart martialisch geschützt werden musste. Für einen Strafprozess im Wirtschaftsbereich ist ein derartiges Sicherheitsniveau jedenfalls eher unüblich.
Während am ersten Verhandlungstag die Vertreterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) noch betont sachlich und kühl ihr Plädoyer verlas, drehte Benkos Anwalt Norbert Wess doch deutlich an der emotionalen Schraube. Vor allem den ersten Anklagepunkt – eine umstrittene Mietvorauszahlung – zerlegte er argumentativ durchaus gekonnt. Und tatsächlich: In diesem Punkt sollte René Benko schließlich freigesprochen werden. Die WKStA zeigte sich mit diesem Ergebnis freilich wenig zufrieden und hat mittlerweile Nichtigkeitsbeschwerde dagegen eingebracht.
Hinter der Stiftungsmauer
Noch in seinem Plädoyer fuhr Wess weiteres schweres Geschütz auf. Er zeichnete das Bild eines Unternehmers, der nichts unversucht ließ, seinen Konzern zu retten. Selbst Benkos Mutter habe – so Wess – mit einer Schenkung aus ihrer Stiftung geholfen. Das Stiftungsvermögen, betonte der Anwalt, sei nicht René Benkos persönliches Vermögen. Sein Fazit: „Falsch, falscher, am fälschesten“ – würde seine Tochter dazu sagen.
Die Rede ist von der Ingbe-Stiftung in Liechtenstein. Gegründet 2014 zur „Versorgung von Benkos Liebsten“, sollte sie laut Verteidigung seit 2015 eigenständig gewirtschaftet haben. Doch wie kam es dann zu einem sagenhaften Eigenkapital von 220 Millionen Euro im Jahr 2022 – ganz ohne Benkos Zutun?


Geheime Übersicht: Die Liechtensteiner Ingbe-Stiftung war regelmäßig in Signa-Deals involviert.
© NEWS MagazinVertrauliche Unterlagen aus Vaduz, die News und Krone vorliegen, zeichnen ein anderes Bild. Sie zeigen, dass die Ingbe-Stiftung über Jahre von internen Deals mit dem undurchsichtigen Signa-Konzerngeflecht profitierte. Mit dabei: René Benko. Auf einem Zertifikat aus dem Jahr 2015 findet sich seine Unterschrift – als „wirtschaftlicher Nutznießer“. Heute will der 48-jährige Tiroler von all dem offenbar nichts mehr wissen.
Geheime Deals
Ein geheimer Aktienkaufvertrag aus dem Jahr 2019 belegt, dass die Ingbe-Stiftung Namensaktien der Signa Development hielt – und diese für 51 Millionen Euro an eine andere Signa-Gesellschaft weiterverkaufte. Nicht weniger brisant: Am 30. Dezember 2019 veräußerte die Ingbe ein Paket an Signa-Prime-Aktien an die Signa Holding, die Dachgesellschaft des Konzerns. Der Kaufpreis: 86 Millionen Euro. Auch 2020 blieb die Stiftung aktiv. Laut einer detaillierten Jahresrechnung vom März 2020 übertrug die Ingbe 1,157 Millionen Signa-Prime-Anteile an die Holding – der Gewinn: rund 10,3 Millionen Euro.
Dann, im Herbst 2023 – kurz bevor das milliardenschwere Signa-Imperium ins Wanken geriet –, meldete sich Benko persönlich zu Wort. Am Samstag, dem 7. Oktober 2023, um 16:07 Uhr, schrieb er an zwei Vorstände der Stiftung. Betreff: „INGBE Stiftung“.
Der Inhalt: „Meine Mutter als Hauptstifterin der INGBE Stiftung möchte gerne meine Ehefrau in den Kreis der Erstbegünstigten aufnehmen … Könnt ihr bitte den Zirkularbeschluss samt Entwurf der Beistatuten unterfertigen und an die Kanzlei in Liechtenstein übersenden?“
Während die Signa-Holding unter der Last milliardenschwerer Verpflichtungen bereits wankte, richtete René Benko seinen Blick offenbar auf ein anderes Vermögen, mit der er offiziell seit Langem nichts mehr zu tun haben will – jenes seiner „Familienstiftung“, verwahrt im diskreten Schatten von Vaduz. Derartigen Verschiebungen wird sich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wohl erst im Laufe des kommenden Jahres widmen können.
Signalwirkung
Der letztlich verurteilte Aspekt rund um eine Schenkung und Rückschenkung von Benkos Mutter an ihn und wieder retour fand im Prozess nur wenig Raum. Die einzigen möglichen Zeuginnen, Schwester und Mutter, hatten bereits im Vorfeld bekundet, dass sie sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufen würden, und wurden daher nicht gehört. So blieb es einzig bei einer schriftlichen Stellungnahme – denn auch René Benko selbst wollte keine Aussage machen und verwies lediglich auf die Eingaben seiner Anwälte.
Und doch hat gerade dieser Aspekt eine gewisse Signalwirkung. Er ist ein erster Fingerzeig dafür, dass der Rechtsstaat auch bei vergleichsweise kleinen Summen im großen Signa-Komplex – im angeklagten Fall geht es um exakt 300.000 Euro – konsequent handelt und spürbar hart urteilt. Aus generalpräventiven Gründen, wie die Richterin betonte. Denn 300.000 Euro seien für den Durchschnittsbürger eine unvorstellbare Summe. Und nur weil in der Causa Signa mit ganz anderen, weitaus größeren Beträgen jongliert wurde, darf man diesen Maßstab nicht aus dem Blick verlieren. Benko hat gegen das Urteil berufen und eine Nichtigkeitsbeschwerde eingebracht.
Das System Benko
Vor allem aber hat der Prozess eines deutlich gemacht: wie das System Benko tatsächlich funktioniert hat. In den Zeugenbefragungen von „Chief-Signing-Officer“ Marcus Mühlberger und dem „Mann der Zahlen“ Manuel Pirolt wurde erstmals auch vor großem Medienpublikum klar, wer im weitverzweigten Signa-Geflecht – und im Schattenreich dahinter – das eigentliche Sagen hatte.
Für News-Leser wenig überraschend: Es war René Benko selbst. Zwei vormalige Topmanager, reduziert auf das, was Benko von ihnen erwartete – ihre Unterschriften. Ganz gleich, ob es um Mietverträge oder millionenschwere Kreditverträge ging.
Bemerkenswerte Methoden
Und noch etwas hat dieser Prozess offenbart: mit welchen Mitteln seine Verteidiger mittlerweile agieren. Gemeint ist dabei nicht Benkos langjähriger Anwalt Norbert Wess, sondern ein weiterer, von Benko beauftragter Wiener Innenstadtanwalt, Stefan Prochaska – mit einer fragwürdigen postalischen Kontaktaufnahme zum als Zeugen geladenen Insolvenzverwalter Andreas Grabenweger kurz vor dem Prozess am 10. Oktober 2025.
In dem Schreiben heißt es wörtlich: „Auch wenn es Ihnen gegenüber eigenartig wirkt – denn ein Rechtsanwalt sollte keiner derartigen Erinnerung bedürfen –, aber wir müssen Sie offenbar doch eindringlich daran erinnern, dass Ihre künftigen Aussagen zwingend den tatsächlichen Gegebenheiten zu entsprechen haben. Wiederholte Widersprüche zu anderen Beweismitteln oder Zeugen sowie Formulierungen, die geeignet sind, unseren Mandanten in ein unzutreffend negatives Licht zu rücken, werden nicht weiterhin ungeahndet bleiben.“
Nur einen Tag zuvor, am 9. Oktober 2025, brachte derselbe Advokat zudem eine neunseitige Strafanzeige gegen einen Schlüsselzeugen ein: gegen den ehemaligen Chef-Controller. Wohl eher ein Zeichen wachsender Nervosität. Und einer möglicherweise dünner werdenden Luft rund um den einstigen Signa-Herrscher. Zumal die aufgezählten Punkte der Anzeige im Gesamtkontext mehr banal als inhaltsvoll wirken. Ähnlich wie manche Eingaben von Benkos Anwälten in den vergangenen Monaten.
Einmal beanstandete Benko sogar den Briefkopf der „Soko Signa“.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 43/2025 erschienen.







