News Logo
ABO

Gerhard Weinhofer: „Die Insolvenz ist eine beliebte Möglichkeit, um den Gläubigern zu entkommen“

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
8 min
Profilfoto Gerhard M. Weinhofer

Gerhard M. Weinhofer

©Creditreform / OTS

Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbands Creditreform, über die „Flucht“ prominenter Angeklagter wie Benko in den (Privat-)Konkurs und die Schwierigkeiten der Gläubiger, an Vermögen in Stiftungen im Umfeld der Betroffenen zu gelangen.

Bei Beobachtung der clamorosen Justizfälle der letzten Jahre, von Grasser bis Benko, fällt auf, dass die Beschuldigten im Laufe der Verfahren Privatkonkurs oder Konkurs als selbstständiger Unternehmer anmelden? Ist das eine beliebte Möglichkeit, um den Gläubigern zu entkommen?

Man muss zuerst schon anmerken, dass die Möglichkeit eines Privatkonkurses bei Überschuldung durchaus sinnvoll ist. Damit können Betroffene einen Schlussstrich ziehen und nach einigen Jahren wieder voll am Wirtschaftsleben teilnehmen. Bei Benko, Hallmann oder anderen ist ja nicht der (Privat-)Konkurs das Mittel zur Rettung des Vermögens vor Gläubigern, sondern das Vermögen ist in Privatstiftungen, die nicht den Beschuldigten, sondern deren näherem Umfeld zuzurechnen sind. Bei Benko ist das etwa die Frau Mama oder die Kinder. So wie sich die Rechtslage derzeit darstellt, wird dieses Umgehungskonstrukt wahrscheinlich auch rechtlich halten und Gläubiger und Masseverwalter werden keinen Zugriff auf das in diesen Stiftungen geparkte Vermögen erhalten. Alle bisherigen Versuche, die Stiftungen zu knacken, haben die Gerichte abgelehnt.

Das klingt wie aus dem Lehrbuch für Betrüger …

Der Vermögensentzug via Stiftung ist auch nicht so einfach zu bekämpfen. Die Stiftung muss lange vor einem Konkurs oder dem Beginn eines Rechtsstreits gegründet worden sein. Benko hat die erste Stiftung seit 2005. Alle Stiftungen im Familienbereich, die bis zu zehn Jahre vor einem Konkurs gegründet werden, könnten gerichtlich angefochten werden. Bei älteren Konstrukten muss man dem Beschuldigten erst einmal nachweisen, dass er die Gläubiger bewusst schädigen wollte.

Kann eigentlich Vermögen bis knapp vor einem Konkurs in eine Stiftung eingebracht werden und ist dann für die Gläubiger verloren?

Alle Geldflüsse, die in den letzten zehn Jahren vor Konkurs in eine Stiftung eingeflossen sind, können nachverfolgt werden. Geschäfte zwischen der insolvent gewordenen Gesellschaft und einer Stiftung werden von Gläubigerschützern und Masseverwaltern überprüft. Bei Benko wären das konkret die Aktienrückgaben im Tausch gegen Liegenschaften. Das wird angefochten und hat rechtlich durchaus Chancen.

Im Ernstfall bedarf es also einer sehr langen Planung und einer sehr vertrauensvollen Person als Stiftungsvorstand …

Benko wird sich auf seine Mutter schon verlassen können. Er wird aber noch sehr lange auf deren Wohlwollen und auch auf jenes seiner Gattin und seiner Töchter angewiesen bleiben. Auf diesen Personenkreis muss man sich im Gegensatz zur Frau Mama aber erst einmal über viele Jahre hinweg verlassen können.

Wenn die Mama die Kreditkarte der Stiftung rausrückt und man sich so ein schönes Leben finanzieren kann, ist das also rechtlich in Ordnung?

So hart es klingt, ja. Denn die Frau Mama kann mit ihrem Geld machen, was sie will. Wenn sie die Miete übernimmt und dem Sohn für Einkäufe ihre Kreditkarte zur Verfügung stellt, dann gibt es derzeit kein Rechtsmittel, das ihr das verbieten würde.

Wenn das Geld in Stiftungen geparkt ist, warum dann noch einen Privatkonkurs machen?

Die meisten Personen in derartigen Situationen sind schier überschuldet und zahlungsunfähig, etwa wegen Schadenersatzkosten, Forderungen der Anwälte oder des Finanzamts. Im Fall von Karl Heinz Grasser läuft das Entschuldungsverfahren dann höchstwahrscheinlich während seiner Haftzeit, also einer Zeit, wo er ohnehin nichts verdienen kann.

Gläubiger haben in Österreich durchaus gute Chancen, ihr Geld zu großen Teilen zurückzubekommen. Bei uns endet ein Drittel aller Firmeninsolvenzverfahren in einer Sanierung

Gerhard Weinhofer

Welche Möglichkeiten der Entschuldung gibt es?

Wir unterscheiden zwischen einem Schuldenregulierungsverfahren mit Zahlungsplan und einem mit Tilgungsplan. Beim Zahlungsplan bietet der Schuldner seinen Gläubigern eine fixe Quote seiner Schulden an, die er über einen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren begleicht. Dem Plan muss die Mehrheit der Gläubiger zustimmen, die auch über die Mehrheit des geforderten Kapitals verfügt. Beim Tilgungsplan werden dem Schuldner über einen Zeitraum von drei Jahren alle Einkünfte, die das Existenzminimum übersteigen, entzogen und unter den Gläubigern verteilt. Der Schuldner ist in diesem Fall finanziell komplett entmündigt. Beim Zahlungsplan bleibt er finanziell voll handlungsfähig, solange er die Quotenzahlungen bedienen kann. Welches Verfahren zum Einsatz kommt, entscheidet sich durch die Einkommens- und Vermögenssituation des Schuldners und ob die angebotene Quote angemessen und erfüllbar ist. Letztendlich entscheiden die Gläubiger.

Welche Variante wird häufiger eingesetzt?

Zwei Drittel der Schuldenregulierungsverfahren enden mit einem Zahlungsplan. Das liegt vor allem oft auch daran, dass den Arbeitgebern der Pleitiers der Aufwand bei einem Tilgungsplan, also die Abschöpfung aller Gelder über dem Existenzminimum von ca. 1.300 Euro, zu mühsam ist.

Müssen eigentlich Lottogewinne oder Geschenke in einem Schuldenregulierungsverfahren angegeben werden?

Ja, der Schuldner ist verpflichtet, bei einem Tilgungsplan Gewinne oder Geschenke an die Gläubiger weiterzureichen. Bei einem Zahlungsplan kann er sich Gewinn und Geschenke behalten, so er diesen erfüllt. Die berühmten Armbanduhren von Benko gehen als Geschenk natürlich nicht durch.

Wie lange dauert es nach einer Entschuldung, bis man wieder einen Privatkonkurs machen kann?

Wenn ein Privatkonkursverfahren gelaufen ist, haben Betroffene mindestens zehn Jahre keine Chance auf einen Tilgungsplan. Beim Zahlungsplan kommt es wie gesagt auf die aktuelle Einkommenssituation der Person an.

Ist Österreich für Gläubiger ein hartes Pflaster?

Im Gegenteil, Gläubiger haben in Österreich durchaus gute Chancen, ihr Geld zu großen Teilen zurückzubekommen. Bei uns endet ein Drittel aller Firmeninsolvenzverfahren in einer Sanierung, die durchschnittliche Quote liegt hier bei 41 Prozent. In Deutschland liegt die Durchschnittsquote bei gerade mal vier Prozent. In Österreich dauern die Sanierungsverfahren maximal 120 Tage, Unternehmen haben dann genau zwei Jahre Zeit, ihre Quotenzahlungen zu erfüllen. In Deutschland dauern die Verfahren meistens viel länger.

Wird sich in absehbarer Zeit am Stiftungsrecht im Sinne der Gläubiger etwas ändern?

Wir hören seitens der Politik, dass anlässlich des Falls Benko hier Änderungen kommen sollen. Bislang fehlen allerdings konkrete Vorschläge. Einfach wird das jedenfalls nicht werden.

© Creditreform / OTS

Steckbrief

Gerhard Weinhofer

Gerhard M. Weinhofer wurde 1977 in Güssing (Burgenland) geboren und absolvierte das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Nach einem Gerichtspraktikum und einem Praktikum im Europäischen Parlament war Weinhofer von 2003 bis 2005 als Referent bei der Industriellenvereinigung in Wien tätig. Seit 2011 ist er Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbandes Österreichischer Verband Creditreform. Der Jurist verfügt über knapp 20 Jahre Erfahrung im Kreditrisiko- und Forderungsmanagement. Im Oktober 2024 wurde er in Prag im Rahmen der jährlichen Mitgliederversammlung der Creditreform International e.V. zum Vizepräsidenten des Präsidiums gewählt. Die Organisation gilt mit rund 165.000 Mitgliedern und 4.500 Beschäftigten als größte Gläubigerschutzvereinigung Europas.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 42/25 erschienen.

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 20,63€
Ähnliche Artikel
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER