Prinzessin Anne: Die am härtesten arbeitende Royal wird 70

Ihr Wirken wird unterschätzt - zu Unrecht

Sie absolviert die meisten Termine für das britische Königshaus nach ihrem Bruder Prinz Charles. Sie ist scharfzüngig wie der Vater und (fast) skandalfrei wie die Mutter. Ihren 70. Geburtstag feiert Prinzessin Anne ohne Trubel.

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Geburtstag ohne Trubel - Prinzessin Anne: Die am härtesten arbeitende Royal wird 70

Es wird ein Tag ganz nach ihrem Geschmack: salzige Meeresluft in den Lungen, die saftige Westküste Schottlands vor Augen. An ihrer Seite der ihr seit 27 Jahren angetraute Mann. Vertreter der mehr als 300 Organisationen, für die sie sich als Schirmherrin oder Präsidentin engagiert, werden weit weg sein. Ebenso die weitreichende königliche Familie. "Nur ich und mein Ehemann", beschrieb Prinzessin Anne einmal lächelnd ihren ersehnten Geburtstagstraumurlaub, einen Segeltrip mit dem Gatten, Sir Timothy Laurence.

Die Vorstellung vom -nunmehr aufgrund der Covid-Gefahr -trubelfreien Geburtstag ihrer Träume schien damals fernab jeglicher Realität. Jetzt nicht mehr: Die einzige Tochter der Queen feiert Mitte August, am 15.8., ihren 70. Geburtstag. Für die am härtesten arbeitende britische Prinzessin bedeutet dies üblicherweise statt einer Auszeit rund um den Jubeltag, zahlreichen Gratulanten Respekt zu erweisen. Ein sommerlicher Empfang für mehrere Hundert Gratulanten war in Planung, als die Prinzessin im ausführlichen, raren Gespräch zum Geburtstag mit dem Life style-Magazin "Vanity Fair" im Frühling ihr trockenes Naturell von der Leine ließ. Für durchaus verzichtbar halte sie das runde Jubiläum, so viel wurde klar. "Es wäre schön, wenn es einfach ein Jahr wie jedes andere wäre, das vergeht. Aber dem wird wohl nicht so sein", befürchtete sie.

Kluger Ordnungsruf an Harry

Prinzessin Anne ist berühmt dafür, den scharfzüngigen Esprit ihres Vaters, Prinz Philip, fortzuführen. Sie nutzt ihn jedoch, ohne jemanden -in dem Fall die Gratulanten -zu vergrämen. Ihr Geburtstagswunsch zeigt vielmehr, dass diese königliche Hoheit lieber zupackt, als sich feiern zu lassen. Nie würde sie ihr Arbeitspensum bejammern oder sich über ihre Rolle beschweren.

Über 500 Termine hat Prinzessin Anne im vergangenen Jahr wahrgenommen. Nur ihr älterer Bruder, Prinz Charles, absolviert 15 Termine mehr als sie. Im Arbeitsranking der britischen Königsfamilie belegt sie seit Jahren Platz zwei hinter dem Thronfolger. "Mein Programm resultiert daraus, dass so viele Organisationen mich bitten, sie zu unterstützen. Von ihnen noch immer als relevant erachtet zu werden und gefragt zu werden, erachte ich als Glück", erklärte Prinzessin Anne ihr Arbeitsethos im Geburtstagsinterview. Im Alltag bedeutet dies bis zu fünf Termine am Tag und keine Diskussion über Pensionsanspruch. Die Queen arbeitet im 94. Lebensjahr schließlich auch noch - sie war 2019 auf Platz drei im Arbeitsranking. Prinz Philip ist mit 99 Jahren der einzige Royal, der sich offiziell im Ruhestand befindet. "Essen hat für mich untertags keine Priorität", kommentierte die Nummer 14 der britischen Thronfolge ihren Tagesplan, der keine Essenspausen vorsieht.

Als "Vanity Fair" die Prinzessin einen Tag lang begleitete, war der Skandal des "Megxit" wenige Wochen alt. Es zeugt von ihrer diplomatischen Versiertheit, dass die Prinzessin gegenüber dem Magazin ihre diesbezügliche Meinung kundtat, ohne ihren abtrünnigen Neffen oder dessen Frau zu erwähnen. Es ging um ihre 50 Jahre andauernde Wohltätigkeitsarbeit für die Organisation "Save the Children", für die sie 1990 gar eine Nominierung zum Friedensnobelpreis erhalten hatte, als sie ausholte: Es habe zehn Jahre des Beobachtens und Verstehens der Wohltätigkeitsarbeit gebraucht, bis sie sich zugetraut hätte, sich in öffentlichen Debatten dazu zu äußern, erklärte Anne. "Die junge Generation hat kein Verständnis und kein Interesse gegenüber dieser jahrelangen Basisarbeit. Ihnen geht es vor allem darum, Dinge rasch und Dinge anders zu machen. Und dann stehe ich hier und muss sagen: ,Bitte erfindet dieses Rad nicht neu. Das haben wir schon versucht. Manches klappt nun mal nicht", führt die Prinzessin ganz klar aus.

Stilikone, die auf Trends pfeift

Sie gilt als nahbare, interessierte Gesprächspartnerin, die ihrem Gegenüber vor Corona -mit kräftigem Händedruck begegnete. Ihr Stil ist praktisch und zeitlos. Modetrends kümmern sie wenig. Als "zeitlose Stilikone" lobt sie der Chef der britischen "Vogue", Edward Enninful: "Sie setzte auf nachhaltige Mode, bevor wir alle wussten, was dies bedeutet!" Die Präsidentin von Großbritanniens Textilvereinigung trägt nur in der Heimat Gefertigtes und macht gern Witze über ihre Vorliebe für den speziell gewebten Harris-Tweedstoff. "Einst war er sehr modern. Viel wichtiger ist für mich aber, dass dieser Stoff am Ende eines Tages noch genauso aussieht wie zu Beginn."

Alltagstauglichkeit zählt für die Vielarbeiterin. Ihre Umziehpause für einen Abendtermin im St James's Palace dauert kaum eine halbe Stunde. Die Prinzessin sorgt selbst für Outfit, Make-up und Frisur samt Tiara. Die Tatsache, dass Schauspielerin Erin Doherty für den Netflix-Hit "The Crown" satte zwei Stunden in der Maske verbracht hatte, um wie Prinzessin Anne auszusehen, belustigt die königliche Hoheit. "So lange? Ich brauche höchstens 15 Minuten, um mich fertig zu machen", sagte sie in der ITV-Dokumentation "The Princess Royal at 70". Dort erzählte sie auch, sie habe die ersten Folgen von "The Crown" gesehen und als "sehr interessant" erachtet.

In der Liebe pragmatisch

Die von Drehbuchautor Peter Morgan porträtierte liebenswürdige, burschikose Anne, die zwar eigenwillig, aber stets pflichtbewusst agiert, kommt der realen Person durchaus nahe. Auch die pikante Affäre der Prinzessin mit Andrew Parker Bowles, dem späteren Ehemann ihrer heutigen Schwägerin, beruht auf Tatsachen. Anne war 20, als sie den zehn Jahre älteren Parker Bowles aus einer angesehen Adelsfamilie traf, ein Pferdenarr wie sie selbst. Der Realistin war freilich stets bewusst, dass ihr als Mitglied der anglikanischen Kirche eine offizielle Verbindung mit dem Katholiken Parker Bowles untersagt war, erklärte Prinz-Charles-Biografin Sally Bedell Smith gegenüber der "Elle"."Wie lange die Romanze dauerte, ist unklar, aber Anne hatte damals viele hochkarätige Verehrer", so Smith über die Sturm-und-Drang-Zeit der Prinzessin.

Es war der olympische Goldmedaillengewinner, Reiter Mark Phillips, dem sie 1973 das Jawort gab und mit dem sie die Kinder Peter, heute 42, und Zara, heute 39, bekam. Andrew Parker Bowles, der drei Jahre nach Beginn der Romanze mit Anne die heutige Frau von Prinz Charles, Camilla, heiratete, wurde Taufpate von Annes Tochter Zara und ist bis heute ein enger Freund der Familie.

Neben dieser vorehelichen Romanze sorgte die Prinzessin nur ein weiteres Mal für private Schlagzeilen. Im Jahr 1989 -die Ehe zu Phillips war bereits für ihre Lieblosigkeit berüchtigt - veröffentlichte "The Sun" Liebesbriefe, die aus dem Palast gestohlen worden waren. Der damalige Absender, Stallmeister Timothy Laurence, ist heute Vizeadmiral und seit 1992 Annes zweiter Ehemann.

Vierfach-Oma mit Herz

Mit ihm lebt Prinzessin Anne seit 27 Jahren auf ihrem als landwirtschaftlicher Betrieb und Reitsportanlage geführten Anwesen Gatcombe Park in Gloucestershire, 170 Kilometer westlich von London. Bei raren Medienterminen zeigt sich die ehemalige Olympiareiterin dort gern in Jeans und Gummistiefeln zwischen ihren Rindern, Schafen und Rennpferden. Dass ihre vier Enkelkinder oft lieber vor elektronischen Geräten sitzen, als draußen herumzutoben, bleibt der Prinzessin schleierhaft. Wenn Savannah, neun, und Isla, acht, von Sohn Peter oder Mia, sechs, und Lena, eins von-Tochter Zara zu Besuch sind ist die Prinzessin mit Leib und Seele Oma. Und treibt die Enkel nach draußen, wie sie zu "Vanity-Fair" sagt:"Diese Anziehungskraft von Bildschirmen verstehe ich nicht. Das Leben ist zu kurz für so etwas! So, jetzt habe ich mich mit dieser Denkart auch noch als waschechter Dinosaurier entblößt."

Zum 70. Wiegenfest zeigt sich somit endlich deutlich, dass es der Humor der Prinzessin mühelos mit ihrem Arbeitsethos aufnehmen kann.