Kaisers Grenzen

In Niederösterreich galt: Je weniger Menschen geimpft sind, desto mehr verlor die dominierende Partei. In Kärnten ist das Kaisers SPÖ eine Warnung.

von Politische Analyse - Kaisers Grenzen © Bild: Privat

Analyse

Bei der Kärntner Landtagswahl 2013 hat Peter Kaiser die SPÖ von 29 auf 37 Prozent geführt und ist seither Landeshauptmann. 2018 hat er der Partei gar einen Zugewinn auf fast 48 Prozent beschert. Mehr geht offenbar nicht. Für 5. März gibt Kaiser das Ziel aus, dass ein Vierer vorne bleiben sollte. Verluste scheinen fix zu sein. Laut einer Umfrage der "Kleinen Zeitung" liegt die Partei bei 43 Prozent.

Die SPÖ würde damit in Kärnten klare Nummer eins bleiben. Eine Zusammenarbeit mit der ÖVP, der nur elf Prozent ausgewiesen werden, könnte sich weiterhin ausgehen. Unterm Strich würde sich damit für Kaiser kaum etwas ändern. Für die Sozialdemokratie insgesamt würde es das jedoch tun: Einmal mehr könnte sie von der Krise der Türkisen nicht profitieren. Hans Peter Doskozil würde als letzter Genosse übrigbleiben, der in einem Land an die 50 Prozent hält. Er würde sich in seiner Überzeugung bestätigt fühlen, der einzige zu sein, der auch die Bundespartei zu Erfolgen führen kann. Dagegenzuhalten wäre schwierig. Zumal Pamela Rendi-Wagner ohne Programm an der Parteispitze steht, das eine Masse überzeugt, ja sich die SPÖ nicht einmal mehr sicher sein kann, bei einer Nationalratswahl hinter der FPÖ zumindest auf Platz zwei vor der ÖVP zu bleiben.

All jene, die wollen, dass sie trotzdem Spitzenkandidatin wird, haben vor diesem Hintergrund auf Kaiser gesetzt: Der Doktor der Philosophie (Dissertationsthema: "Universität und Region") gilt als Anti-Doskozil, als Beweis dafür, dass man auch mit anspruchsvollen Zugängen punkten kann. Und als Linker. Dabei ist Kaiser ein Pragmatiker, der sich auch eine Koalition mit der FPÖ vorstellen kann.

Der 64-Jährige hat jedoch zu kämpfen. Da ist der Zustand seiner Bundespartei: Durch Doskozil befeuerte Zweifel an Rendi-Wagner irritieren auch seine Anhänger. Und dann sind da die Teuerung, die den Leuten zu schaffen macht, und die Impfpflicht. In Niederösterreich war es so: Je weniger Menschen in einem Bezirk geimpft sind, desto stärker schnitt die FPÖ ab und desto mehr verlor die dominierende ÖVP. Das lenkt nun auch in Kärnten wieder die Aufmerksamkeit auf das Thema. Die SPÖ von Kaiser, der für die Impfpflicht war, könnte das Stimmen kosten.

Glück im Unglück

Ihr Glück ist, dass ausgerechnet im einstigen Jörg-Haider-Land nicht die Blauen gestärkt werden dürften. Sie bleiben auf Distanz und befinden sich derzeit im Bereich des Stimmenanteils, den sie vor fünf Jahren erreicht haben (23 Prozent). Es ist das Team Kärnten, das sich auf 13 Prozent mehr als verdoppeln könnte. Obmann Gerhard Köfer ist in Spittal an der Drau als Bürgermeister populär, dem nachgesagt wird, zu helfen, wenn man zu ihm kommt. Im Übrigen trat er gegen die Impfpflicht auf. Das kommt an in seinem Bezirk, in dem nur 48,4 Prozent der Bevölkerung über eine Grundimmunisierung verfügen – das ist einer der niedrigsten Anteile österreichweit.

Zahl

Kursänderungen schwergemacht

Walter Pöltner, Sozialminister in der Übergangsregierung 2019, hat untertrieben, als er den Vorsitz über die Alterssicherungskommission "aus Frust" darüber zurücklegte, dass die Politik die Sicherung der Pensionen nicht ernst genug nehme. Eine solche ist kein Thema. Und daher sehen sehr viele Österreicher auch keine Herausforderung.

Im Gegenteil: 57 Prozent der Befragten gaben jüngst bei einer Eurobarometer-Erhebung an, dass die Regierung mehr Geld für die Pensionen ausgeben sollte. Genauer: 23 Prozent forderten viel mehr, 34 Prozent mehr. Das ist umso bemerkenswerter, als sie an die Steuern und Beiträge erinnert wurden, die sie bereits zahlen. 37 Prozent sind dafür, den Aufwand unverändert zu lassen, vier Prozent würden weniger, ein Prozent würde viel weniger für Pensionen ausgeben.

Diese Stimmungslage kommt nicht irgendwoher und rächt sich: Sie macht es für Parteien schwer bis unmöglich, Reformen anzugehen, ohne in weiterer Folge abgewählt zu werden. Also lassen es die meisten.

Ähnlich sind die Verhältnisse in anderen Bereichen: Eine offene Auseinandersetzung über Sicherheit und Verteidigung scheitert daran, dass die Neutralität schier unantastbar gemacht worden ist. Eine Mehrheit der Bevölkerung glaubt die Erzählung, dass sie vor allem Unheil schützt. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat gleich nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine bekräftigt, dass man neutral sei und neutral bleibe. Damit ist dieser Status einzementiert.

Oder: Der wachsende Arbeitskräftemangel würde eine Änderung der Zuwanderungspolitik nötig machen. Politisch wird Migration seit Jahren jedoch als Problem dargestellt. In der öffentlichen Meinung findet das einen Widerhall. Vor diesem Hintergrund traut sich kaum ein Politiker einer größeren Partei, die größer bleiben möchte, eine neue Zuwanderungspolitik zu fordern.

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Bericht

Kickls Rechnung geht auf

Vor einem Jahr ist FPÖ-Chef Herbert Kickl noch der Bundespolitiker mit den schlechtesten Vertrauenswerten gewesen. Das ist vorbei, wie eine Auswertung des APA/OGM-Vertrauensindex zeigt: Der Anteil der befragten Menschen, die dem Oppositionspolitiker kein Vertrauen schenken, ist um neun Prozentpunkte auf 73 Prozent gesunken und der Anteil jener, die ihm vertrauen, um zehn Prozentpunkte auf 25 Prozent gestiegen. Damit ist er nicht nur größer als bei Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (16), sondern auch größer als bei Innenminister Gerhard Karner (19) und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (22). Sie sind für Themen zuständig, die für Kickl relevant sind: Sicherheit im weitesten und Asyl (Karner) im engeren Sinne.

Es gibt Bundespolitiker, die mehr Vertrauen genießen als der Freiheitliche. Justizministerin Alma Zadić (49 Prozent) etwa oder Wirtschaftsminister Marin Kocher (46). Keiner polarisiert jedoch so sehr wie Kickl. Das betreibt er gezielt, es ist Teil seines Geschäftsmodells: Der 54-Jährige legt es gerne darauf an, zu provozieren und abgelehnt zu werden. Das mag ihm verhältnismäßig wenige Anhänger bescheren, die, die es sind, sind es jedoch aus größerer Überzeugung.

Vor diesem Hintergrund ist ein Anteil von 25 Prozent ein beträchtlicher. Er ist dazu angetan, Kickl gegenüber politischen Mitbewerbern zu stärken: Sofern ihnen diese Wähler nicht egal sind, werden sie es sich zweimal überlegen, wie sie mit ihm umgehen. Stellen sie sich gegen ihn, riskieren sie, sich auch gegen diese Leute zu stellen.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at