René Benko
©APA/EXPA/ JOHANN GRODERDer Prozess des Jahres markiert den tiefsten Punkt in René Benkos rasantem Absturz. Was im Gerichtssaal verhandelt wurde, begann lange davor: u. a. mit den Recherchen von News-Investigativchef Sebastian Reinhart, dessen Enthüllungen in Ermittlungen und Anklageschriften eingeflossen sind. Im Interview erklärt Reinhart, wie es dazu kam – und warum die beiden ersten Prozesse erst der Anfang sein könnten.
Im Oktober 2025 stand Signa-Gründer René Benko erstmals wegen betrügerischer Krida vor Gericht, im Dezember gleich noch einmal. Die Urteile – beide nicht rechtskräftig – fallen deutlich aus: 24 Monate unbedingte Haft, dazu 15 Monate bedingt und eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu zwölf Euro.
Der „Prozess des Jahres“ könnte erst der Anfang sein. Denn die WKStA arbeitet sich im Signa-Komplex inzwischen durch 14 Sachverhaltsstränge: von Untreue über schweren Betrug bis zu Gläubigerbegünstigung und Förderungsmissbrauch. Nicht nur Benko selbst, auch ehemalige Manager seiner Firmengruppe geraten nun ins Visier.
Sebastian, du hast René Benko über Jahre vom Aufstieg bis zum Fall verfolgt. Was war das für ein Moment, als er heuer zum ersten Mal als Angeklagter vor Gericht stand?
Für ihn ist das auf jeden Fall ein entscheidender Moment. Er hat sich monatelang akribisch darauf vorbereiten können. Sein Tagesinhalt während der U-Haft war hauptsächlich geprägt vom Aktenstudium. Er hält das alles für an den Haaren herbeigezogen und konstruiert.
Das geht aus den Schriftsätzen hervor, die er gemeinsam mit seinem Anwalt immer wieder eingebracht hat. Für Benko ist das ein entscheidender Punkt in seinem Werdegang, in seinem Leben. Und ja, für den Beobachter ist das natürlich auch extrem spannend.
Was heißt das für dich? Deine Recherchen kommen jetzt an einen Punkt – und das ist im Gerichtssaal.
Ja, die jahrelangen Recherchen, die ich gemeinsam mit Rainer Fleckl von der Kronen Zeitung gemacht habe, kommen an ein vorläufiges Ende. Jetzt ist es Arbeit der Justiz, Arbeit des Gerichts. Wir beobachten das, berichten und versuchen, das einzuordnen. Aber die klassische investigative Recherche hat ihren Höhepunkt hinter sich. Viel von unseren Recherchen hat Eingang gefunden in die Ermittlungsarbeit, teilweise auch in Anklageschriften. Jetzt ist es an der Justiz, darüber zu urteilen, da maße ich mir nichts an. Das ist nicht die Arbeit des Journalisten.
Im ersten Prozess wurde René Benko in einem von zwei Anklagepunkten der betrügerischen Krida schuldig gesprochen. Auch im zweiten Prozess gab es einen Schuldspruch. Kannst du das nochmal einordnen?
Im ersten Prozess ging es um eine Schenkung in Höhe von 300.000 Euro. Dafür ist er zu 24 Monaten Haft verurteilt worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand 15. Dezember 2025; Anm. der Red.). Nur einen Euro mehr und er wäre über der Bemessungsgrenze von 300.000 Euro gewesen, wo der Strafrahmen schon zehn Jahre sind.
Du bist bei beiden Prozessen im Gerichtssaal gesessen. Welchen Eindruck hat René Benko auf dich gemacht?
Auf mich wirkte er schwer gezeichnet. Die fast einjährige Untersuchungshaft hat zweifellos ihre Spuren bei ihm hinterlassen. Jedenfalls merkt man ihm von außen an, dass er sich zu Unrecht auf der Anklagebank sieht. Ob sich dieses Bild auch in den weiteren Verfahren, die von der Dimension her um einiges größer sein werden, fortsetzt, bleibt abzuwarten.
Für die ersten Anklagen hat man sich entschieden, überschaubare Fälle zu nehmen. Aber auch für diese hat man fast zwei Jahre gebraucht
300.000 Euro sind bei einer Milliardenpleite quasi fast nichts. Warum hat die Justiz mit so einer vermeintlichen Kleinigkeit angefangen?
Das ist eine berechtigte Frage. Getrieben wurde die ganze Sache durch die Untersuchungshaft. Benko sitzt bereits seit Jänner 2025 in U-Haft. Das erzeugte einen enormen Zeitdruck für die Staatsanwälte. Aber die Causa Signa ist natürlich viel größer. Es ist ein Milliardenskandal. Für die ersten Anklagen hat man sich entschieden, überschaubare Fälle zu nehmen. Aber auch für diese hat man fast zwei Jahre gebraucht. Die Insolvenz der Signa war im Herbst 2023. Man kann sich schon die Frage stellen, was da eigentlich immer so lang dauert.
Begonnen hat alles mit einem Haftbefehl*, den Italien im Dezember 2024 ausgestellt hat. Im Jänner 2025 wurde Benko dann in Österreich verhaftet. Ein normales Prozedere?
Ein europäischer Haftbefehl – in dem Fall aus Italien – muss nicht unbedingt in Österreich vollstreckt werden. Parallel dazu war man wohl in den eigenen Ermittlungen offensichtlich schon so weit, dass man seitens der Soko Signa und der Staatsanwaltschaft eigene Verdachtsmomente recherchiert hatte und sich scheinbar sicher war, dass man ihn demnächst inhaftiert.
Ich würde das nicht überbewerten, aber ich finde es spannend, dass der Druck aus dem Ausland gekommen ist. Man hat ja auch gesehen, dass Benko im August 2024 noch mit einem Speedboot am Gardasee herumgefahren ist. Er hat jedenfalls nicht den Eindruck gemacht, dass er sich schon irgendwie vor einer möglichen U-Haft gefürchtet hätte.
Der europäische Haftbefehl
Im Dezember 2024 wurde von der italienischen Staatsanwaltschaft Trient ein europäischer Haftbefehl gegen René Benko wegen Korruptions- und Betrugsvorwürfen im Zusammenhang mit Signa-Immobiliengeschäften in Südtirol und Trentino erlassen. Benko blieb zu diesem Zeitpunkt in Österreich auf freiem Fuß, da Österreich seine Staatsbürger nicht ausliefert.
Es wurden mehrere Enthaftungsanträge gestellt. Diese wurden immer abgelehnt. Warum?
Weil die Haftrichterin bei diesen Haftprüfungsterminen entschieden hat, dass durch die Art und Weise, wie René Benko über die letzten Jahre agiert hat, sich ein extrem hohes Risiko ergibt, dass er weiterhin in dieser Art und Weise agiert und damit auch zum Schaden der Gläubiger handeln könnte. Da wird auch von einer kriminellen Energie gesprochen. Benko hat sich in seinen Anträgen auf Enthaftung viel Mühe gegeben, das zu entkräften.
Es gibt offenbar auch einen väterlichen Freund, der ihm eine Wohnung in Wien zur Verfügung stellen würde. Benko bringt auch legitimerweise sein Privatleben, seine Kinder ins Spiel, zu denen er monatelang keinen Kontakt hatte. Das ist alles nachvollziehbar, aber die Richterin hat doch sehr deutlich entschieden, dass sich das nicht, zumindest bis jetzt nicht (Stand 15. Dezember 2025; Anm. der Red.), ausgeht.
Es ist nicht absehbar, wann die wirklichen großen Sachverhalte, wo es um Millionenbeträge geht, anklagereif sind oder ob sie jemals anklagereif werden
In einem zweiten Prozess am 10. Dezember standen erstmals die Eheleute Benko gemeinsam vor Gericht. Die Protagonisten auf der Anklagebank könnten noch häufiger wechseln, richtig?
In Summe laufen zig Verfahren gegen weitere Beschuldigte. Es sind auch einige Top-Manager aus dem Signa-Imperium im Visier der Ermittler. Das sind große Causen, die naturgemäß einen deutlich höheren Ermittlungsbedarf haben. Aber man sieht hier schon den Kapazitätsmangel und auch den Ressourcenmangel der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im Vergleich zu anderen Ländern mit ebenfalls großen Finanzstrafverfahren – Stichwort Wirecard* in München.
Natürlich spielen andere rechtliche Rahmenbedingungen eine Rolle, aber auch die Ressourcenausstattung und die Art und Weise, wie dort durch die Staatsanwaltschaft agiert wird, hat nochmal eine andere Schlagkraft. Bei uns ist da Luft nach oben. Das ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Darum ist auch nicht absehbar, wann die wirklichen großen Sachverhalte, wo es um Millionenbeträge geht, anklagereif sind oder ob sie jemals anklagereif werden.
Wirecard
Der Österreicher Markus Braun, der einstige Chef des zusammengebrochenen Online-Zahlungsdienstabwicklers Wirecard, sitzt seit Ende Juli 2020 in München in Untersuchungshaft. Der Strafprozess gegen Braun läuft seit Dezember 2022. Aktuell geht es vor Gericht um die Frage, wo Brauns Millionenvermögen ist.
In Benkos Stiftungen liegen Millionen. Das heißt, das schöne Leben geht irgendwann weiter?
Darauf kann man heute keine konkrete Antwort geben. Das hängt stark davon ab, wie die Ermittlungen laufen, wie die Insolvenzverfahren laufen. Es laufen ja auch einige Schiedsprozesse, wo internationale Gläubiger versuchen, auf das Millionenvermögen, das in seinen Stiftungen geparkt ist, heranzukommen. Wie das ausgeht, wissen wir nicht. Aber es wird sehr viel Aufwand betrieben, vor allem aus dem arabischen Raum. Die fühlen sich über den Tisch gezogen. Ob zu Recht, wird das Schiedsgericht entscheiden.
Vieles dreht sich auch um die Frage, inwieweit Benko in all das eingebunden war. Er sagt: nein. Du hast in unzähligen Recherchen belegt, dass de facto jede Mail von ihm abgesegnet wurde.
So weit wir das überblicken können, sind die wichtigsten Entscheidungen über seinen Tisch gegangen. Da reden wir von wirklich großen Investmententscheidungen bis hin zum Signa-Fuhrpark. Also eine sehr breite Palette an täglichen Dingen um ihn herum, wo Benko informiert wurde und um seine Entscheidung gebeten worden ist.
Das ist sehr gut dokumentiert, weil das auch seinem Naturell entsprechend sehr stark per Mail hin und her geschickt worden ist. Dadurch ist für den Ermittler genauso wie für den Investigativjournalisten nachvollziehbar, wie Benko tickt oder in seinem System getickt hat. Es ist auch von Hans Peter Haselsteiner öffentlichkeitswirksam in der ZiB2 bestätigt worden. Auch die Einvernahmen von Zeugen sprechen hier eine sehr deutliche Sprache.
Benko war es nicht allein, heißt es dennoch …
Das wird man sehen. Man sieht eine doch gesteigerte Kooperationsbereitschaft mancher Beschuldigter, mit den Behörden bis zu einem gewissen Grad zusammenzuarbeiten. Vieles ist gut dokumentiert anhand von E-Mails, aus WhatsApp-Konversationen und teilweise auch Telefonüberwachungsprotokollen – von Mitarbeitern, die ihm zugearbeitet haben, aber auch von jenen, die in den offiziellen Führungsfunktionen waren. Die werden sich natürlich überlegen, wie sie sich jetzt verhalten bei alldem, was am Tisch liegt.
Im Fall von René Benko ist in Sachen Strafmaß bei zehn Jahren Schluss?
Das ist richtig. Bei diesen ganzen mutmaßlichen Delikten liegt der Strafrahmen bei zehn Jahren. Dann ist sozusagen der Deckel drauf, was das strafrechtliche betrifft. Wir haben keine amerikanischen Verhältnisse. Das wird nicht zusammen addiert und dann kommen 100 Jahre raus. Das ist auch völlig okay so.
Bei Strafverfahren ist es genauso wie bei den österreichischen Insolvenzverfahren. Das nimmt seinen Gang, aber natürlich gibt es Fristen und Abläufe – und dann hat man auch das Recht drauf, wieder ein normaleres Leben zu führen. Was noch dazukommen kann, ist das Finanzstrafrechtliche. Das ist ein eigener Strang. Weitere Strafen, die hier dazukommen könnten, werden nicht auf die zehn Jahre angerechnet.


Wiedersehen. Im Dezember 2025 standen die Eheleute Benko erstmals gemeinsam vor Gericht.
© APA / EXPO / Johann Groder, APA-Images / Reuters / Leonhard-FoegerDas würde auch heißen, ganz egal, wie viele Delikte rein theoretisch noch auf dem Tisch liegen, könnte man irgendwann die Akten schließen und sagen, es sind eh zehn Jahre voll und den Rest brauchen wir jetzt nicht mehr aufklären?
Ja, aus aufklärerischer Perspektive hast du nicht unrecht. Es kann natürlich sein, dass wenn eine gewisse Anzahl an Verurteilungen stattgefunden hat, das Interesse an diesem ganzen Thema natürlich nachlässt. Das hat man auch bei anderen großen Causen gesehen – Stichwort Hypo Alpe Adria Bank. Ich glaube, dass das beim Thema Benko bzw. Signa noch dauern wird, weil es auch eine große Anzahl an Managern gibt, denen ebenfalls Anklagen drohen. In dem Kontext spielt die Person Benko eine sehr, sehr wichtige Rolle. Ich denke, dass uns das Thema noch lange beschäftigen wird.
Nach Recherchen von News und Krone ermittelt das Amt für Betrugsbekämpfung – abseits der öffentlichkeitswirksamen Strafprozesse – seit Monaten intensiv. Was könnte das für Benko bedeuten?
Dabei handelt es sich um eine Sondereinheit von Finanzexperten und Betriebsprüfern im Finanzministerium, die sich offenbar vor allem mit der Rolle der Privatstiftungen im Benko-Universum beschäftigt. Viel ist darüber noch nicht öffentlich bekannt, da diese Verfahren lange unter Verschluss geführt werden. Für Benko ist das jedenfalls heikel, weil es sich um ein eigenes Verfahren nach dem Finanzstrafrecht handelt. Die Strafen daraus werden nicht mit jenen aus den Verfahren wegen Betrugs und betrügerischer Krida zusammengezählt oder angerechnet. Für ihn gilt selbstredend die Unschuldsvermutung.
Und wie geht es generell weiter? Weil auch der zweite Prozess, der im Dezember über die Bühne gegangen ist, mutmaßlich nicht der letzte gewesen sein wird. Es steht die nächste Anklage ins Haus, richtig?
Ja. Es gibt mittlerweile auch schon einen weiteren Abschlussbericht der Soko Signa zum Thema „Geldkarussell“, wo wir ja bei News und mit Rainer Fleckl von der Krone federführend in der Aufdeckungsarbeit waren.
Was auch im Akt vermerkt ist …
Richtig. Unsere Geschichten sind im Akt enthalten bzw. wird darauf Bezug genommen, weil diese Berichterstattungen Auslöser für Anzeigen von externen Beobachtern waren. Der Abschlussbericht ist fertig. Das geht jetzt seinen Weg und wird wahrscheinlich demnächst auch in einer Anklageschrift münden. Aber das ist ein sehr komplexer Sachverhalt im Sinne von vielen Betroffenen, vielen Zeugen, mehreren Mitangeklagten. Einem Schaden in weit zweistelliger Millionenhöhe. Das wird ein sehr, sehr großes Verfahren. Ich rechne nicht damit, dass das im Frühling soweit ist. Das wird wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Steckbrief
Sebastian Reinhart
Sebastian Reinhart war unter anderem Referent für Untersuchungsausschüsse im österreichischen Nationalrat während der Aufarbeitung der Hypo-Affäre. Nach seiner Tätigkeit bei der Recherche-Plattform Addendum war er für das deutsche Nachrichtenmagazin Spiegel tätig und arbeitet seit Oktober 2023 als Investigativ-Journalist für das Nachrichtenmagazin News. Seine erste Geschichte in News über die Schieflage in Benkos Signa-Imperium erschien im Mai 2023, als er noch Autor beim Spiegel war.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 51+52/2025 erschienen.







