Noch bevor die Übernahmeschlacht um den deutschen Mutterkonzern ProSiebenSat.1 entschieden ist, wird die österreichische Tochter um Puls 4 und ATV zur Ader gelassen. Ihr Info-Sender verliert seine Website, die mehr Publikum hatte als das lineare TV-Programm.
Österreichs größte Privatsendergruppe ist in deutscher Hand. Der Mutterkonzern gerät zusehends unter italienische Kontrolle. Die Austro-Tochter baut schon Angebot und Stellen ab. Die heimische Nachrichtenvielfalt im Fernsehsektor könnte dadurch geringer werden. Doch es ist kompliziert.
MediaForEurope (MFE) hat sich mit seinem Übernahmeangebot für ProSiebenSat.1 (P7S1) erst 43,57 Prozent der Gesellschaftsanteile gesichert. Das von Pier Silvio Berlusconi geführte Unternehmen verlängerte deshalb die Annahmefrist von Ferragosto bis 1. September.
Während der Vorstand von P7S1 samt dem Österreicher Markus Breitenecker einen Meinungsschwenk vollzogen hat und den Aktienverkauf an MFE empfiehlt, warnen Betriebsrat und Deutscher Journalisten-Verband davor. Sie befürchten Stellenabbau und das Überstülpen einer rechtspopulistischen Agenda.
Unterdessen hat der nicht unrechte deutsche Kulturstaatsminister Wolfram Weimer Berlusconi zu einem Gespräch ins Berliner Kanzleramt eingeladen. Auch er sorgt sich um die Medien- wie Meinungsvielfalt und betont die zentrale Bedeutung freier und autonomer Sender.
Lange davor haben EU-Kommission und Österreichs Wettbewerbsbehörde die Übernahme genehmigt, von der vier P7S1-Tochtersender betroffen sind: Puls 4 und Puls 24, ATV und ATV II. Auflagen dafür sind, Austro-Inhalte nicht zu reduzieren und den Wien-Sitz zu belassen.
Am Montag wurde dort angekündigt, den Online-Auftritt von Puls 24 einzustellen und mindestens neun Stellen abzubauen. Das ist Teil eines Konzernsparpakets. 2023 gab es einen ähnlichen Schnitt. Betroffen war damals „Klimaheldinnen – das Nachhaltigkeitsmagazin“.
Vorrang für das Entertainment
Neun Kündigungen sind angesichts von 520 Mitarbeitern und geschätzten 180 Millionen Euro Umsatz der P7S1-Tochter in Österreich keine Katastrophe. Doch das Ende der Website von Puls 24 wirkt als Signal fatal. Denn der News-Sender dient als Info-Versorger der gesamten Austro-Gruppe. Dass gerade dort gespart wird, zeigt, dass die Befürchtungen einer politisch rechten Übernahme weniger Berechtigung haben als die Sorge um den Verlust von Information. MFE, privater Marktführer in Italien und Spanien, will den gesamten Konzern stärker auf das Kerngeschäft Entertainment ausrichten.
Website stärker als lineares TV
Der Schritt verleitet dazu, ihn als „nur die Website“ zu bagatellisieren. Doch sie ist das Herz von Puls 24. Bei der letzten Tagesdaten-Ausweisung hatte sie 68.000 Unique User. Das war mehr Online-Reichweite als Falter und profil zusammen. Im linearen Fernsehen hingegen blieb Puls 24 ein Zwerg. Sogar die stärksten Info-Sendungen erreichten oft kaum fünfstelliges Publikum. Selbst mit den drei Schwester-Sendern zusammen kommt kein News-Format an die „Servus Nachrichten“ heran.
Konkurrent oe24 liegt unterdessen bereits bei den Info-Reichweiten von Puls 4. Die wirtschaftlichen Überlegungen von P7S1 und Berlusconi sind also nachvollziehbar. Demokratiepolitisch schaut die Rechnung anders aus. Die Austro-Tochter von P7S1 bekommt deshalb fünf Millionen Euro staatliche Subvention. Der Clou, nur die Website abzudrehen, hat wohl damit zu tun. Denn das Geld fließt aus der Privatrundfunkförderung. Ihre altertümliche Namensmitte deutet schon an, dass sie für etwas steht, das es bald nicht mehr gibt.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 35/2025 erschienen.