Rotpinke Haarrisse im Pakt für einen schwarzen Generaldirektor: Während ÖVP- und SPÖ-Freundeskreis unverhohlener denn je ihren Anspruch auf ORF-Hoheit zelebrieren, wächst hinter den Kulissen ein parteilich buntes Zünglein an der Waage. Es könnte sogar die Regierungsvereinbarung für den nächsten Generaldirektor aushebeln.
Für die Restbestände der großen Koalition bahnt sich neuer Ärger an. Die von der Bundesregierung entsandten ORF-Stiftungsräte Leonhard Dobusch (SPÖ) und Philipp Ginthör (NEOS) haben gemeinsam mit den direkten Parteienvertretern Hildegard Aichberger (Grüne) und Markus Boesch (NEOS) zu einem Treffen geladen, das als Kampfansage an die roten und schwarzen Freundeskreise unter Heinz Lederer und Gregor Schütze zu verstehen ist.
Dass daran auch Thomas Prantner als Vertreter der erblauten Steiermark teilnehmen wollte, unterstreicht die Brisanz dieses Meetings vor der Sitzung des Stiftungsrats. Denn obwohl der ORF mit den Vorbereitungen zu Song Contest und Fußball-WM ausgelastet scheint, geht es bereits um die Wahl des nächsten Generaldirektors am 11. August 2026.
Wrabetz und Breitenecker sind frei
Die extern uneingestandene Koalitionsvereinbarung sieht dafür nicht fix wieder Roland Weißmann vor, aber eine Person von schwarz-türkisen Gnaden. Das sorgt angesichts des roten Medienministers Andreas Babler und eines leichten SPÖ-Vorteils im 35-köpfigen Stiftungsrat für Diskussionen nicht nur unter Sozialdemokraten. Denn neben dem Titelverteidiger und den sonst für die ÖVP ins Spiel gebrachten Alexander Hofer (Landesdirektor Niederösterreich) und Philipp König (Geschäftsführer Kronehit) wäre plötzlich auch Markus Breitenecker frei. Er hat die Puls/ATV-Gruppe als Tochter von ProSiebenSat.1 aufgebaut und ist dort nicht mehr im Vorstand, seit die Berlusconis am Ruder sind.
Sollte es zur Kampfabstimmung kommen, gelten derzeit aber Hofer und der langjährige Küniglberg-Chef (2007 bis 2021) Alexander Wrabetz als schwarz und rot unterstützte Kandidaten, die jeweils mit 13 Stimmen rechnen könnten. Doch auch die zuletzt ebenfalls gegen Weißmann unterlegene Lisa Totzauer wäre wieder im Spiel. Je drei Blaue und Pinke, eine Grüne und zwei wohl wirklich Unabhängige würden zu Königsmachern. Falls Breitenecker noch dazukommt, wird es noch komplizierter, obwohl die Wahl nicht geheim bleibt. Ein derartiges ORF-Szenario könnte zwar den Koalitionsbruch bedeuten, doch die weitere Perspektive ein solches Risiko aus SPÖ- wie NEOS-Sicht rechtfertigen.
Wenn es keine grundsätzliche Gesetzesänderung gibt, dient der nächste Generaldirektor von 2027 bis 2031 – also noch lange nach der planmäßigen nächsten Nationalratswahl 2029. Die FPÖ ist infolge ihres eigenen Medienhauses zwar am wenigsten auf den ORF angewiesen, Parteichef Herbert Kickl würde aber mit Wonne Salz in die Wunden einer uneinigen Koalition und des verhassten ORF streuen. Sein dortiges Gegenüber für eine allfällige Kanzlerschaft könnte ein blaues Zünglein an der Waage mitbestimmen.
Sandkastenspiele statt Gesamtreform
Dass solche parteipolitischen Sandkastenspiele bereits zehn Monate vor der Neuwahl immer mehr Raum greifen, liegt auch an der langen Atempause vor der öffentlich-rechtlichen „Gesamtreform“, die erst im Herbst 2026 beginnen soll. Der Zeitplan zur Umsetzung dieses Regierungsprogrammpunkts ist ein Indiz dafür, dass erst klar sein soll, mit welchem ORF-Chef er realisiert werden kann. Dafür gibt es vielleicht doch mehr Auswahl und Unsicherheiten, als der Postenverteidigerin ÖVP lieb sein kann.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 48/2025 erschienen.






