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Pier Silvio Berlusconi: Mailand, Macht und Medien

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June 10, 2015 - Italia - Entrepreneur Pier Silvio Berlusconi in the Cervara Abbey to present Mediaset Premium. Santa Margherita Ligure, Italy. 2015 Italia PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY - ZUMAm169 20150610_zac_m169_058 Copyright: xPigixCipellix

Pier Silvio Berlusconi

©IMAGO/ZUMA Press Wire

Die Übernahme von ProSiebenSat.1 durch die Mediengruppe von Pier Silvio Berlusconi ist seit gestern fix. Quer durch Europa will er eine Gegenkraft zu digitalen US-Inhalten aufbauen und ist nach Italien und Spanien nun auch in Deutschland gut aufgestellt. Politische Ambitionen schließt der Milliardär erstmals nicht mehr aus.

Die Bemerkung von Pier Silvio Berlusconi wäre noch vor einem Jahr kaum über eine Randnotiz hinausgekommen. Auf die Frage, ob er wie sein Vater in die Politik gehen könnte, antwortete der Sohn des italienischen Ex-Ministerpräsidenten vor wenigen Wochen: „Ich habe derzeit keine solchen Pläne, will es für die Zukunft aber nicht ausschließen. Mein Vater war 58, als er in die Politik ging. Ich bin jetzt 56.“

Das Statement von einer Pressekonferenz für Berlusconis Medienunternehmen Mediaset wirkt fast wie ein Countdown. Der spätere Ministerpräsident hatte Mediaset 1978 gegründet. Heute ist es Teil der Aktiengesellschaft Media for Europe (MFE), deren CEO Sohn Pier Silvio Berlusconi ist. Angesichts der jetzt erfolgten Übernahme der zweitgrößten deutschsprachigen Fernsehsendergruppe ProSiebenSat.1 (P7S1) durch MFE sorgen Berlusconis politische Ambitionen für erhöhtes Interesse.

Die Übernahme ist seit gestern fix. Nach einer Bieterschlacht hatte der zweitgrößte Investor, die tschechische PPF Group, angekündigt, ihr rund 15-prozentiges Paket an die Italiener zu verkaufen. MFE kommt in Zukunft auf einen Anteil von 75,61 Prozent an der Senderkette, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte. Vor Beginn des Angebots waren es rund 30 Prozent gewesen.

Der deutsche Medienstaatsminister Wolfram Weimer hatte zuvor im Spiegel Bedenken um die „journalistische und wirtschaftliche Unabhängigkeit“ der zweitgrößten Unternehmensgruppe unter den deutschen Privatsendern. Auch der Deutsche Journalistenverband warnte, der Senderverbund könne „schleichend auf populistische Berlusconi-Linie getrimmt werden“.

Alte Ängste, neue Sorgen

Die Sorgen speisen sich aus der Vergangenheit. Der Name Berlusconi weckt Erinnerungen an Schmuddelfernsehen, Steuerprozesse, Bunga-Bunga-Partys und die politische Instrumentalisierung privater Fernsehsender. Nach seinem Wechsel vom Medienunternehmer in die Politik hatte Silvio Berlusconi seine TV-Kanäle bedenkenlos für eigene Wahlkämpfe eingesetzt.

In vier Amtszeiten als Ministerpräsident prägte er Italiens Politik zwischen 1994 und 2011, ebnete Postfaschisten den Weg in die Mitte und öffnete einer jungen Politikerin namens Giorgia Meloni die Tür zur Politkarriere. Zwei Jahre nach dem Tod des Patriarchen stellt sich die Frage nach der aktuellen Bedeutung des Namens. Wie viel Berlusconi steckt in dessen Sohn Pier Silvio, der das Medienimperium seit 2015 führt?

Mit langem Atem zum Erfolg

Der 56-jährige Chef von Media for Europe sprach bereits 2019 öffentlich laut von seinen Plänen, ein „großes europäisches Fernsehunternehmen“ aufbauen zu wollen. Ein erster Schritt in diese Richtung mit dem französischen Medienkonzern Vivendi war 2016 – ein Jahr nach Berlusconis Start als Mediaset-CEO – vor Gericht gescheitert. Er blieb dran. 2021 machte er aus Mediaset das zukunftsweisende Unternehmen Media for Europe mit neuem Rechtssitz in Amsterdam. 2023 gelang die Fusionierung mit der spanischen Mediaset-Tochter.

„Eine medien- und länderübergreifende paneuropäische Gruppe als Alternative zu den digitalen Schwergewichten“ will er etablieren. In Spanien erreicht der Medienkonzern der Familie Berlusconi bereits ein Viertel der TV-Zuseher mit seinen Kanälen, in der italienischen Heimat hält MFE bei einem Marktanteil von über ein Drittel. Mit der Übernahme von ProSiebenSat.1 ist das Unternehmen auch in Europas größtem Werbemarkt angekommen.

Die prägenden Schattenseiten

Pier Silvio Berlusconi war drei Jahre alt, als sein Vater 1972 ins Fernsehgeschäft einstieg. Nachdem Silvio Berlusconi die Trabantenstadt Milano 2 hochgezogen hatte, wollte er den Bewohnern der NeoStadt lokale Nachrichten bieten. Dass Italien fest in öffentlich-rechtlicher Hand von Rai war, konnte ihn nicht aufhalten.

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Bildnummer: 00325147  Datum: 11.03.2001  Copyright: imago/Buzzi Silvio Berlusconi (Italien, li.), designierter italienischer Ministerpräsident und Präsident von AC Milan, mit Sohn Piersilvio; Vdig, quer, close, forza italia, Regierung, Regierungschef, Unternehmer, Businessman, Geschäftsmann, Medienzar, Medienunternehmer, Parteichef, Konzernchef, Präsidium, Vereinsführung, Vorstand, Funktionär, Funktionäre, Familie, applaudieren, Applaus Serie A 2000/2001, 1. Italienische Liga Mailand o0 Pier Silvio Giuseppe Meazza-Stadion / San Siro Fußball Herren Mannschaft Italien Gruppenbild optimistisch Randmotiv Personen Sportpolitik  Image number 00325147 date 11 03 2001 Copyright imago Buzzi Silvio Berlusconi Italy left designate Italian Prime Minister and President from AC Milan with Son Pier Silvio Vdig horizontal Close Forza Italia Government Head of government Entrepreneurs Businessman Businessman Medienzar Media companies Party boss CEO chairmanship Club management Board of managers Functionary Functionaries Family applaud Applause Series A 2000 2001 1 Italian League Milan o0 Pier Silvio Giuseppe Meazza Stadium San Siro Football men Team Italy Group photo optimistic Rand motive Human Beings Sports policy

Unternehmerisches Vorbild. Pier Silvio Berlusconi im Jahr 2001 mit Vater Silvio Berlusconi, damals designierter italienischer Ministerpräsident und Präsident des AC Milan.

 © imago sportfotodienst

Der Aufstieg des Vaters zum erfolgreichen Bau- und Medienunternehmer prägte Pier Silvio Berlusconis Kindheit. Seine Mutter, Carla Elvira Dall’Oglio, wird als zurückhaltende, stabilisierende Kraft im Hintergrund beschrieben. In Mailand, wo Pier Silvio Berlusconi mit seiner zwei Jahre älteren Schwester Marina aufwuchs, beobachtete das Bürgertum den sagenhaften wirtschaftlichen Erfolg des Vaters kritisch. Zudem machte ihr laut tönender Reichtum die Familie zum Ziel für Kriminelle. Eine Entführung von Pier Silvio wurde nur knapp verhindert.

Der Vater holte damals einen sizilianischen Stallburschen mit beträchtlicher Kriminalakte auf den Landsitz nach Arcore. Er begleitete Pier Silvio zur Schule. Die Mafia-Wurzeln des Mannes wurden später detailreich dokumentiert. Die Angst vor einer Entführung blieb und brachte die Familie dazu, für mehrere Monate nach Spanien umzuziehen. Pier Silvio Berlusconi war damals sechs Jahre alt.

Von Beginn an im Familienbusiness

Das Aufwachsen mit den Schattenseiten des Erfolgs mag dazu geführt haben, dass der Medienunternehmer – anders als sein Vater – das Rampenlicht bis dato weitgehend meidet. Er war 16 als sich die Eltern scheiden ließen und sollte noch drei Halbgeschwister aus der zweiten Ehe des Vaters bekommen. Wie alle fünf Berlusconi-Kinder startete er früh im väterlichen Imperium ins Berufsleben. Nach dem Schulabschluss in Mailand und einem abgebrochenen Philosophiestudium tat er in Berlusconis Werbeagentur Publitalia erste Schritte und wechselte im Alter von 23 Jahren in die Mediaset-Fernsehgruppe.

Der Vater war damals bereits mit der Gründung der Partei Forza Italia beschäftigt. Pier Silvio Berlusconi entwickelte Programme für Italia Uno und arbeitete sich bei Mediaset nach oben. Im Jahr 2000 war er Vizepräsident, 15 Jahre später Geschäftsführer. Seine Schwester Marina Berlusconi war ab 1996 Vizepräsidentin der familiären Holding Fininvest und ab 2003 Vorsitzende von Italiens größtem Zeitschriftenverlag Mondadori.

Eine leise Macht

Nach dem Tod des Vaters 2023 wurden die beiden Erstgeborenen mit jeweils 26,5 Prozent an Fininvest im Erbe bedacht, während die restlichen Anteile unter den weiteren drei Kindern aufgeteilt wurden. Die Kontrolle liegt mit 52 Prozent der Familienholding in Händen von Pier Silvio und seiner Schwester. Dass der Sohn das Fernsehgeschäft in die Zukunft führen soll, war Berlusconis testamentarisch verfügter Wunsch.

Sein Weg wird als Gegenentwurf zu dem des berüchtigten Vaters beschrieben. Berlusconi lebt weitgehend zurückgezogen und tritt nur zu beruflichen Zwecken öffentlich in Erscheinung. Aus einer frühen Beziehung mit dem Model Emanuela Mussida hat er eine Tochter, Lucrezia Vittoria, die ihn vor vier Jahren zum Großvater machte. Seit 2002 ist er mit einer von Italiens bekanntesten Fernsehmoderatorinnen liiert. Silvia Toffanin ist seit 2006 Gastgeberin der quotenstarken Talkshow „Verissimo“ auf dem Berlusconi-Sender Canale 5. Das Paar hat zwei Kinder, Lorenzo Mattia, 15, und Sofia Valentina, 10, und pendelt zwischen Mailand und Portofino.

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PORTOFINO, ITALY - APRIL 04: Pier Silvio Berlusconi and Silvia Toffanin are seen on April 04, 2025 in Portofino, Italy. (Photo by Photopix/Getty Images)

Privat zurückgezogen lebt Pier Berlusconi mit Moderatorin Silvia Toffanin u. a. in Portofino

 © Photopix/Getty Images

Yachtfans kennen den Fernsehunternehmer als Besitzer einer beeindruckenden Dragoluna-Motoryacht des italienischen Herstellers Codecasa, Schätzwert 40 Millionen Dollar. Auch ein mittelgroßer Geschäftsjet, ein Hawker Beechcraft 750, zählt zum Besitz des Milliardärs. Auf eine Zurschaustellung dieser repräsentativen Zeichen seines Reichtums – laut Forbes 2,8 Milliarden Dollar – verzichtet Berlusconi. Er gilt als medienscheu und konnte den einzigen Skandal, die sogenannte Mediatrade-Affäre um Steuerbetrug 2016, mit einer Annullierung der Verurteilung beenden.

Countdown zur Polit-Karriere?

Umso auffälliger wird es, wenn sich Berlusconi öffentlich zu politischen Kommentaren hinreißen lässt. Beim Mediaset-Presseevent ließ er nicht nur politische Ambitionen unwidersprochen, sondern äußerte sich auch kritisch über Forza Italia-Parteichef Antonio Tajani, den Nachfolger seines Vaters. Dessen Vorstoß zur schnellen Einbürgerung von Migrantenkindern mit Schulabschluss halte er für „nicht prioritär“, Forza Italia müsse „nach vorn schauen“ und brauche „neue Gesichter“, so Berlusconi.

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, in deren Regierung Forza Italia drittstärkste Kraft mit Tajani als Außenminister und Vizeregierungschef ist, lobte er leidenschaftlich. Und dann gab es noch einen Ausblick auf Themen, die ihm bei einem möglichen Einstieg in die Politik wichtig wären: „Wohlfahrt, Arbeit und Löhne, Schulen, Gesundheitsversorgung und Sicherheit sowie mehr Anreize für Wirtschaft und Unternehmen“.

Im Fall einer zweiten Amtszeit für Giorgia Meloni liegt für viele damit eine erste Ministerbewerbung auf dem Tisch.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 36/2025 erschienen.

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