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Selbstkritik ist ein Mittel gegen die Medien- und User-Krise

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5 min
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Peter Plaikner

©Bild: Matt Observe

Die zahlreichen Analysen der gefährdeten Verhältnisse von Medien, Politik, Gesellschaft und Demokratie lassen kaum einen Aspekt unbelichtet. Zur positiven Veränderung ist neben einem aufgeklärten Publikum aber deutlich mehr journalistische Selbstkritik notwendig.

Wer wahres Interesse am Wechselspiel von Medien und Politik in der Demokratie hat, erhielt auf dem Europäischen Mediengipfel in Seefeld eine weitere Rundum-Perspektive. Anders als zuvor die Österreichischen Medientage und die Klausur „Acht Tische für die vierte Gewalt“ lässt sich das nachschauen.

Vom Auftaktinterview der ORF-Galionsfigur Armin Wolf mit Journalismuskoryphäe Jeff Jarvis bis zum Abschlussgespräch des Parade-Philosophen Konrad Paul Liessman mit Schriftsteller Michael Köhlmeier sind alle Mitschnitte der dreitägigen Veranstaltung online frei verfügbar. Dass dies als Tipp für Privatiers eher ankommt, denn als Empfehlung für Medienkompetenzbildung, ist ein Teil des Problems.

APA-Chef Clemens Pig fordert diesbezüglich die Fokus-Umstellung von der Medien- zur User-Krise. Ausgehend von der düsteren Erkenntnis des Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz, dass die Suche nach Wahrheit kein Geschäftsmodell mehr sei, erkennt der Agenturleiter ein solches nur in der „aufgeklärten Informationsgesellschaft“ – wohl ein Synonym für die von Medienwissenschafter Bernhard Pörksen propagierte redaktionelle Gesellschaft.

Vielleicht haben die hier fett gedruckten Namen den Instagram-untauglichen Inhalt trotz den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie zu Ihnen gelotst. Dann erwarten Sie nun nur noch drei persönliche Ezzes Ihres tief in der User-Krise verharrenden Kolumnisten:

1. Zeitungsmacher begehen Selbstbetrug, …

… wenn sie beteuern, ihre Printausgaben würden nicht durch Clickbaiting beeinflusst. Vielen Blättern ist diese Co-Orientierung am infolge Algorithmen marktschreierischeren Digital-Auftritt anzumerken. Dass ein wesentlich älteres, aber meistens noch größeres Papier-Publikum andere Präferenzen hat, könnte Mitursache für gesunkenes Medienvertrauen sein. Die für Social Media und Suchmaschinen deutlich boulevardesker gestalteten Online-Angebote von ursprünglich qualitätsorientierten Marken beschädigen diese. Fortgeführt auf Papier, verprellt das die treu zahlende Hauptkundschaft.

2. Printveteranen betreiben Selbstbeschädigung,

… wenn sie ungefragt vielerorts beteuern, sie nutzten Medien ohnehin nur noch online. Solch Eigenstilisierung zum modernen User entwertet die Hand, die einen füttert. Denn das sind fast überall noch Papierverkäufe in viel größerem Ausmaß als Online-Abos. Im permanenten Predigen der digitalen Transformation wurde und wird die Bewerbung der ureigenen Print-Vorteile sträflich vernachlässigt. Und zwar derart, dass mit den jüngsten Kündigungswellen das handwerkliche Know-how für die überlegenen Aspekte der Blattmacher in den Redaktionen zusehends verloren geht.

3. Fernsehprofis befördern Selbstentwertung, …

… wenn sie sich derart vor die Marke stellen (lassen), dass es aktuelle Sendungsinhalte verkürzt. Namentliche Personalisierung wie „Das Gespräch mit Susanne Schnabl“ liegen im Trend, wirken zweischneidig und sind aufgrund der Exponierung der Moderatorin legitim. Dass ihre Talk-Gäste in Ankündigungen immer seltener genannt werden, verweist allerdings auf eine bedenkliche Kluft zwischen Selbstbild und Fremdinteresse. Beim neuen „ZIB-Talk“ ist diese Überhöhung von Moderatoren und Nichtnennung ihrer Gesprächspartner offenbar sogar Aviso-Prinzip.

Ohne mehr Journalismus-Selbstkritik ist die Medien- und User-Krise nicht zu bewältigen.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir: pp@plaikner.at

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 50/2025 erschienen.

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