Pressefoyer nach dem Ministerrart der Bundesregierung
©IMAGO / SEPA.MediaSPÖ 1 da, Kooperation von ORF, Zeitungen und Privatsendern dort. Umgehung durch Politik und notgedrungenes Zusammenrücken der Arbeitgeber darf Journalisten nicht zu Einigkeit verleiten. Ihre Meinung ist angeblich nicht gefragt, doch deren Vielfalt macht glaubwürdig.
Szenen eines Staates: Am Montag nach zwei Landesparteitagen verkündete Vizekanzler Andreas Babler als Bundesparteivorsitzender den Start von SPÖ 1. Mit diesem digitalen Bewegtbildformat wollen die Sozialdemokraten ab Oktober „näher an den Menschen sein“. Die „Presse“ nennt es vorab „Babler TV“ – einen weiteren Versuch, journalistische Kritik und Kontrolle bei der Verkündung von parteilichen Botschaften auszuschalten.
Am Mittwoch erklärte Wissenschafter und Bestseller-Autor Martin Andree („Big Tech muss weg!“) zum Auftakt der Österreichischen Medientage: „Wir haben keinen gestaltenden Zugriff auf die demokratische Öffentlichkeit mehr.“ Am Donnerstag bemühte Babler als Ressortminister im Finale der Veranstaltung die notwendige legistische Sorgfalt zur Erklärung des Reformstaus in der Medienpolitik. ORF, Zeitungen und Privatsender rücken unterdessen auch mit ihren Forderungen an ihn eng zusammen.
Doch schon am Samstag feierte die FPÖ sich und ihren Chef Herbert Kickl auf einem Bundesparteitag. ORF-Bashing inklusive. FPÖ TV sendet fast sechs Stunden live. Der Stream verzeichnete mehr als 40.000 Aufrufe. Am Sonntag war FPÖ-Landeshauptmann Mario Kunasek in der „Pressestunde“ des ORF. Die Sendung hat im Durchschnitt 60.000 Zuschauer.
Mittelfinger für Journalismus
Diese Terminabfolge begleitet den Start in den vielleicht kältesten Herbst für herkömmliche Medien seit Beginn der Aufzeichnungen. Das Sparpaket des ORF für 2026 ist 104 Millionen Euro schwer. Der größte Gratiszeitungsring RMA verabschiedet mindestens ein Zehntel seiner Beschäftigten, der „Standard“ trennt sich von fünf Prozent seiner Mitarbeiter. Puls 4 stellt Puls24.at ein, Servus Media bündelt die Austro-Marken von Red Bull. Das ist da wie dort ein Synonym für Personaleinsparungen. Und insgesamt gilt alles erst als Auftakt für einen beispiellosen Kahlschlag in der Branche, die gleichermaßen unter dem Verlust der Werbeeinschaltungen an Big Tech, der Effizienzsteigerung von eigenen Abläufen durch Künstliche Intelligenz und dem Fehlen eines digitalen Geschäftsmodells leidet.
Wer in dieser Lage SPÖ 1 startet, zeigt dem Journalismus den Mittelfinger. Denn die Direktansprache dient der Umgehung des gebeutelten Metiers. Die FPÖ als Parteienprimus für Propaganda verweigert journalistisch orientierten, redaktionell organisierten Medien immer öfter Auftritte und Gespräche. Lieber belobhudelt sie ihre Vertreter auf eigenen Kanälen. Das ist ein heimliches Vorbild der SPÖ. Sie ist schon Zweiter bei diesen digitalen Owned Media, die ÖVP nach Sebastian Kurz weit abgeschlagen.
Einigkeit macht schwach
Der wirtschaftliche und medienpolitische Hoffnungsschimmer der Kooperation von ORF und privater Konkurrenz birgt indes die nächste Gefahr für den Journalismus. Wenn er als zu einig wahrgenommen wird, verliert er weiter an Vertrauen.
Ob Ferdinand Wegscheider oder Peter Pilz als Journalisten einzustufen sind, darf zweifelhaft sein. Doch die Meinungsvielfalt im breiten Spektrum von Florian Klenk über Armin Wolf bis Michael Fleischhacker oder von Martina Salomon über Susanne Schnabl bis Corinna Milborn muss deutlich bleiben. Auch wenn laut einer großen aktuellen Studie Meinung angeblich das ist, was das Publikum von Journalisten am wenigsten hören oder lesen will.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 40/2025 erschienen.