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ORF-Sommergespräche: Quantität und Quote vs. Qualität

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Klaus Webhofer

©ORF/Roman Zach-Kiesling

Nicht einmal das erste Finale mit Herbert Kickl kann verhindern, dass die Sommergespräche des ORF weit hinter den gewohnten Reichweiten bleiben. Das ist aber auch ein Hinweis, der von Quantität und Quote abgehängten Qualität mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

In meiner Blase bin ausgerechnet ich jene qualifizierte Minderheit, die den Stil, wie Klaus Webhofer die Sommergespräche führt, gut findet. Für einen, der seit jeher alle Reichweiten des ORF-Evergreens archiviert, ist diese Einschätzung besonders bemerkenswert. Denn nach Leonore Gewessler, Beate Meinl-Reisinger, Andreas Babler und Christian Stocker liegt die Zuschauerzahl laut den vorläufigen Messungen um 26,5 Prozent tiefer als im Vorjahr mit Martin Thür. 469.000 statt 638.000: Das könnte Herbert Kickl am Montag nur aufholen, wenn er 1,55 Millionen Seher hätte. So viel Publikum gäbe es aber wohl höchstens für die Breaking News, dass er Kanzler würde. Die geringste Zuschauermenge der Sommergespräche seit 2011 mit Ingrid Thurnher steht schon vor der stärksten Zugnummer fest.

Das ist die herkömmliche Betrachtungsweise, seit Generalintendant Gerhard Zeiler den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor 30 Jahren auf Quote getrimmt hat. Also wird auch heuer am 9. September die Bilanz des ORF zu einer seiner erfolgreichsten Sendereihen vor allem diese Daten möglichst gut aussehen lassen. Im medialen Triple-Q des Hauses rangiert die Qualität längst hinter Quantität und Quote, denn Letztere sind maßgeblich für Werbeeinschaltungen. Kunden, Publikum und Kritiker haben das mitvollzogen. Horse-Race-Journalism im Sinne sportlicher Rennergebnisse bedient eine Medienlogik, deren Potenzierung zur Social-Media-Konsequenz die öffentliche Debatte dominiert.

Abseits der Social-Media-Logik

Paradoxerweise hat mir ausgerechnet ein Mitbewerber aus dem Privat-TV, das als Verursacher der Verquotung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gilt, soeben gezeigt, wo das Schlupfloch aus seiner Verwechselbarkeit liegt: Meinrad Knapp, der Anchorman von ATV, führte bei den kommunalen Sommergesprächen in Bad Aussee ein Interview mit dem deutschen Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, wie ich es schon lange nicht mehr so aufschlussreich erlebt habe. Wie und warum? Jenseits von Medienlogik und Social-Media-Konsequenz, ohne Duell-Charakter, aufeinander eingehend statt nur einander dem Publikum vorführend – differenziert, schlagfertig, anspruchsvoll.

Das ist ein Minderheitenprogramm. Radiomann Webhofer führt die ORF-Sommergespräche ein wenig in diese Ö1-Richtung. Das ist mutig im Quotentanker ORF 2. Das ist aber vor allem wichtig für die Relevanz des Senders. Seit der aus Reichweitengeilheit erfolgten Zulassung von Frank Stronach zu den Sommergesprächen unterliegen diese zu sehr dem Vergleich mit der tagesaktuellen „ZIB2“. Auch der „Report“ sucht deshalb unter Eva Linsinger mittlerweile eine betont andere Form des Interviews.

Verführung zur Selbstvorführung

Im Informationsbereich soll der ORF sich Effekte pro Qualität und kontra Quantität auch bei potenziellen Quotenhits leisten. Für den Kommerz-Aspekt hat er von Dancing Stars bis Liebesg’schichten genug andere Möglichkeiten. Wenn in der Sommergesprächsbilanz betont wird, dass 2024 ein Wahljahr war, lenkt das ab davon, dass Nicht-Wahljahre andere Rahmenbedingungen bieten, um den Personen – wie immer viel weniger den Themen – auf den Zahn zu fühlen. Webhofer hat sie uns nähergebracht, indem er zur Selbstvorführung verführte. Diese Zwischenbilanz hat nur einen Haken: Kickl kommt erst.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir: pp@plaikner.at

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 36/2025 erschienen.

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