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Marianne Nentwich: Der Zwangsabschied einer Legende

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Marianne Nentwich

©Moritz Schell

Die Doyenne eines Hauses zu kündigen, ist eigenwillig bis unvorstellbar. Marianne Nentwich, seit 62 Jahren identitätsstiftend an der Josefstadt, hat es erfahren. Nach sieben Direktionen ist es vorbei: Unter der achten wird sie auch nicht als Gast zurückkommen.

Gern hätte sie den jungen Kolleginnen beim News-Termin Mut zugesprochen, um bei dieser Gelegenheit tief ins Grundsätzliche vorzudringen. Da erkrankte die große Schauspielerin Marianne Nentwich derart, dass sie kurzfristig auch ihre furiose Egomanenerzeugerin Mrs. Higgins im Volksopern-Dauerbrenner „My Fair Lady“ absagen musste.

Aber telefonisch hat sie etwas zu sagen, erstmals, seit News das kaum Glaubliche gemeldet hat: Die Doyenne der Josefstadt wurde per Saisonende gekündigt, als Bestandteil des knappen Ensembledrittels, das von der neuen Direktion nicht mehr beschäftigt wird.

Respektlose Art

Nach 62 Jahren Zugehörigkeit wurde ihr Hoffnung auf eventuelle Gastrollen gemacht, aber da dankt sie. Abgesehen davon, dass es per Gewohnheitsrecht an allen ihr bekannten Bühnen ein Tabu sei, die Doyenne zu kündigen: „Die Kündigung wurde mir in einer so respektlosen Art mitgeteilt, dass ich beschlossen habe, ab Herbst die Josefstadt-Bühne nicht mehr zu betreten.“

Im Stehen, so hört man, habe sie erfahren, dass sie zuletzt ohnehin kaum noch aufgetreten sei. Das will sie nicht vertiefen. Aber dass drei Produktionen in der vergangenen Saison so gut wie nichts wären – das kann sie doch nicht bestätigen.

„Es tut halt sehr weh“

So ist es also bald vorbei, mit der Perspektive einer letzten Premiere, Turrinis „Was für ein schönes Ende“. Auch Juliette Larat wird da Abschied nehmen.

Und Marianne Nentwich missbilligt leidenschaftlich den heute oft gepflogenen Köpfe-Austausch. Kein Direktor in ihrem endlosen, noch unter Franz Stoß begonnenen Josefstadt-Leben habe jenseits der natürlichen Fluktuation das Ensemble angerührt. „Wir waren das letzte Haus im deutschen Sprachraum, das diese menschliche Tradition noch weitergeführt hat. Mit dem Besen kehren, das gab es bei uns nicht. Es tut halt sehr weh, dass dieser Geist jetzt anscheinend nicht mehr geschätzt wird.“

In der Tat geht es da auch um einen Ton, der über Generationen wächst, wie man es an den großen Symphonieorchestern bewundert. Marianne Nentwich verkörpert ihn heute schon fast konkurrenzlos. Sie war Schnitzlers süßes Mädel und wurde seine unergründliche Genia Hofreiter im „Weiten Land.“ Sie war die Marschallin im „Rosenkavalier“ und besetzt heute mit kauziger Anmut das Altersfach. Das Beste der 62 Jahre? Ariel Dorfmans „Der Tod und das Mädchen“, von Helmut Griem inszeniert. Sie verkörperte da eine Frau, die ihrem Folterarzt aus Zeiten der Diktatur wiederzubegegnen meint. Den Weg, sagt Marianne Nentwich, wäre sie gern noch etwas weitergegangen.

© Moritz Schell

Steckbrief

Marianne Nentwich

Marianne Nentwich, geboren am 22. Juli 1942 in Wien, studierte dort am Prayner-Konservatorium und wurde vor 62 Jahren fest an die Josefstadt engagiert. Dort spielte sie das große Fach, gastierte in Berlin und München und im Salzburger „Jedermann“. Sie ist Kammerschauspielerin und Doyenne des Hauses, lebt verheiratet in Wien und hat zwei erwachsene Töchter.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 43/2025 erschienen.

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