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Liebes Leben: Von „Affenliebe“ und der heilsamen Wirkung der Kunst

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Marion Rauter

©Christoph Wünscher

Auf Wogrollys Couch geht es im LoftCube des Hotel Daniel um die kürzlich verstorbene Primatenforscherin Jane Goodall, um Trauerarbeit und die Liebe zum Leben. Dass Marion Rauter nach einem schweren Schicksalsschlag in ihrer Leidenschaft und Lebensfreude ungebremst geblieben ist, verdankt sie der Malerei und Frauen wie Jane Goodall.

Sie lassen sich in Ihrer Kunst von Frauen inspirieren, so auch von der kürzlich verstorbenen Primatenforscherin Jane Goodall.

Ihr Tod betrübt mich sehr. Sie war mit Anfang neunzig ein Feuerwerk von Lebensgeist. Ich war vor Jahren schon bei einem ihrer Vorträge und sofort von dieser Energie erfasst. Der Gedanke ließ mich nicht mehr los, diese Frau zu malen. Ich habe mich dann intensiver mit Goodalls Lebensgeschichte auseinandergesetzt, bin immer tiefer darin eingetaucht. Dabei wurde mir immer klarer, mit welcher Liebe sie ihre Arbeit machte, und dass sie im hohen Alter noch aktiv war und reiste, um ihre Botschaft zu verbreiten. Jane Goodall wurde durch Zufall für ein Projekt in Afrika eingesetzt und hat dann dort entdeckt, dass Schimpansen Intelligenz und Emotionen haben. In ihrer Jugend war das noch so, dass man Tiere als emotionslos betrachtet hat.

Und damit hat Jane Goodall aufgeräumt?

Damit hat sie aufgeräumt. Sie hat die Primaten beobachtet und hat aufgrund von deren Verhalten nachweisen können, dass Schimpansen Intelligenz, Persönlichkeit und Emotionen haben. Sie hat als Forscherin nicht vom Labor aus gewirkt, sondern war im Urwald unter ihnen, das war ihr Leben.

Stichwort Emotionen. Sie haben durch den Tod eines Kindes einen Schicksalsschlag erlebt.

Mein Sohn ist vor mittlerweile elf Jahren verstorben. Hätte ich die Malerei nicht gehabt, weiß ich nicht, ob ich noch einmal in ein erfülltes Leben zurückfinden hätte können. Die ersten Monate habe ich ausschließlich Bilder von meinem Sohn gemalt, und das war so eine intensive Auseinandersetzung. Irgendwann konnte ich zum Glück dann wieder damit beginnen, am sozialen Leben teilzunehmen.

Ist das eine Art Selbsttherapie, künstlerisch tätig zu sein?

Das war schon bei den alten Griechen so, dass Kunst als Ausdrucksform heilsam wirkt, indem man sich durch dieses Medium auch mit allem Schwierigen auseinandersetzt. Am schlimmsten ist, Emotionen von sich wegzuschieben und so zu tun, als würden sie nicht existieren. Denn irgendwann werden sie so groß, dass sie einen überrollen und nur im Moment der Auseinandersetzung gibt es die Chance, zu heilen; vielleicht sogar, dass etwas Besseres daraus entstehen kann. Ich glaube auch, dass ich durch ein gewachsenes Bewusstsein tatsächlich heute das Leben tiefer genießen, tiefer wahrnehmen kann. Und das eben aufgrund meiner Erfahrungen und meiner Suche nach der Schönheit auch in dem, was wir oft als nicht vordergründig als schön bezeichnen. Überall ist Schönheit zu finden.

Wogrollys Couch: Das Interview zum Ansehen

Diesmal auf Wogrollys Couch: Marion Rauter

Was raten Sie allen, die einen Schicksalsschlag zu verkraften haben?

Jeder kann sich Pinsel und Farbe nehmen, oder töpfern oder singen. Es kommt nicht darauf an, welche Art von Ausdruck und ist letztlich für den einzelnen Menschen auch nicht wichtig, was dabei herauskommt. Meine Erfahrung ist, wenn ich in einem kreativen Prozess bin und wenn ich da wirklich eintauche, dann denke ich nicht darüber nach, ob das jemandem gefällt oder ob ich das Bild verkaufen kann. Ich gerate dann in einen Flow, dann gibt es nichts anderes als mich und den Schaffensprozess. Das ist im besten Fall das pure Sein. Nun wäre es aber gelogen, wenn ich sagen würde, es ist immer so. Es gibt auch bei mir Phasen, wo ich mich richtig plagen muss und wo ich das Gefühl habe, da hänge ich jetzt, das wird nichts Gescheites, und wo ich nicht weiß, wie es weitergeht. Aber es gibt dann auch diese Momente, von denen ich sagen würde, das ist das pure Sein.

Kreative Menschen sind im Ruf, schwierig zu sein, exzentrisch und impulsiv.

Ich glaube nicht, dass ich besonders impulsiv bin, aber ich bin sicher introvertiert. Ganz viel läuft unbemerkt in meinem Inneren, und ich erkenne, dass mein Umfeld da oft gar nicht so bei meinen inneren Prozessen mitkommt, weil ich vielleicht zu wenig darüber spreche. Ich male lieber, als darüber zu sprechen.

Was haben für eine Wirkung haben Ihre Bilder?

Ich bin überzeugt davon, dass die Energie, die ich beim Malen hineinlege, in den Bildern ist und auch den Raum beeinflusst. Meine Bilder sollen schon Hoffnungsspender sein, sie sollen uns an unsere Größe, unsere Schönheit erinnern, und daran, dass in jedem von uns ein Feuer für etwas brennt. Es geht darum zu entdecken, wofür wir brennen. Und wenn ich Bilder von Frauen male, dann versuche ich Menschen, in dem Fall Frauen darzustellen in ihrer Weichheit, aber auch in ihrer Kraft. In Wahrheit ist es ja so, wenn zwei Menschen sich streiten, halten sich zumeist beide für Opfer. Und in Wahrheit sind sie auch beides, Opfer und Täter. Wir sind immer beides.

Sollten in einer Partnerschaft beide zu malen anfangen – oder was kann man tun, um die Liebe zu erhalten?

Beide müssen ganz bestimmt nicht zu malen anfangen. Aber wenn beide etwas haben, worin sie aufgehen, wenn jede Person in einer Liebesbeziehung auch für sich selbst erfüllt ist, dann brauche ich nicht so krampfhaft jemanden, der mich glücklich macht. Jemand im Außen kann das nie erfüllen. Im besten Fall kann man sich gegenseitig unterstützen und bereichern, aber die Erwartungshaltung in Beziehungen ist meines Erachtens zu groß. Wenn beide in sich selbst reich sind, ist das eine sehr gute Voraussetzung für Partnerschaft.

Ich habe eigentlich durch die Kunst das Geschenk, meine Freiheit nahezu uneingeschränkt zu genießen

Marion Rauter

War schon einmal jemand eifersüchtig auf Ihre Bilder? Auf die Zeit, die Sie im Atelier verbringen?

Oh ja, das gab es. Es gibt Phasen, wo ich wirklich diszipliniert ins Atelier gehen muss, weil ich vielleicht gerade nicht weiß, was ich malen möchte. Oft hilft es mir, einfach mal zu beginnen. Und dann gibt es Phasen, wo ich mich quasi süchtig male und gar nicht mehr aufhören möchte, und wo ich am Wochenende weitermale und es genieße. Ich habe eigentlich durch die Kunst das Geschenk, meine Freiheit nahezu uneingeschränkt zu genießen. Ich kann auch mal unter der Woche, wenn ich Lust habe, auf einen Berg gehen und nicht im Atelier sitzen. Und ja, natürlich gibt es auch Momente, wo das meinem Partner nicht so gefällt.

Glauben Sie an ein Ende der Trauer?

In Bezug auf meinen größten Verlust, den Tod meines Sohnes, habe ich mir gedacht, das wird nie anders werden und ich habe gar nicht gewusst, wie ich mit dem größten erdenklichen Schmerz leben soll. Aber zum Glück hat sich es wirklich verändert. Da ist immer noch eine Narbe und manchmal schmerzt es unverhofft aus irgendeinem Grund mehr als sonst. Ich kann dann aber auch ganz liebevoll mit positiven Gedanken zurückschauen. Gott sei Dank verändert sich die Trauer.

Sie konnten etwas tun, nämlich Bilder malen.

Absolut ja. Es hat es in dieser ersten Phase, in den ersten Monaten nur zwei Zustände gegeben. Ich habe mich entweder in den Schlaf geflüchtet, von meinen Verpflichtungen die nötigsten erledigt oder ich habe gemalt. Was anderes gab es da eigentlich nicht.

Dann ist das Ihre Art, mit der Welt oder mit dem Leben oder mit den Menschen zu reden.

Es ist wie ein Gespräch zwischen dem Bild und mir. Und das Interessante ist, ich habe auch ganz lang gebraucht, bis ich mich selbst als Künstlerin bezeichnet habe. Ich sehe mich eigentlich auch heute noch einfach als Malerin. Ob das Kunst ist oder nicht, dürfen gern andere beurteilen. Und ganz ehrlich, das ist ja auch nicht der Antrieb meines Tuns, dass ich Künstlerin sein möchte. Wie gesagt, das ist einfach eher so ein Müssen.

Wie wenn sie hineingestürzt wären in das Künstlerin-Sein, ohne die Entscheidung getroffen zu haben.

Im Gegenteil, ich habe noch lang versucht, dagegen anzukämpfen, weil meine Eltern meinten, das sei kein Beruf. Meine Mutter hätte gern gehabt, dass ich im elterlichen Betrieb im Büro arbeite und die Buchhaltung mache. Ich habe nebenher immer gezeichnet und gemalt, auch schon nebenher Ölbilder und Ausstellungen gehabt. Und so entwickelte sich das immer mehr in diese Richtung, dass die Kunst dann irgendwann mein Brotberuf war. Aber ich habe es mir viele Jahre selbst nicht zugetraut.

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