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Ex-Wanda-Manager Redelsteiner: „Ich sage nicht, dass ich der Gute war“

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17 min

©Bild: Matt Observe

Musikmanager Stefan Redelsteiner entdeckte Nino aus Wien, Voodoo Jürgens und das Pop-Wunder Wanda. Seine Biografie „Der Problembär“ erzählt vom Siegen und Scheitern. „Fantastisch war es immer am Anfang“, urteilt er selbstkritisch zum schwierigen Abschied von Wanda. Vom Haus mit Garten träumt er immer noch

Als Kind haben Sie alle Biografien über die Beatles gelesen, später viele über Musikmanager und Produzenten. Hat Ihre Karriere bestätigt, was Sie über die Branche gelesen haben?

Es ist nicht so, dass man als Achtjähriger das kleine Einmaleins der Beatles liest und weiß, wie alles funktioniert. Aber die Bücher haben mich unbewusst vorbereitet. Der Blickwinkel der Manager und Produzenten hat mich vor allem interessiert, als mir mit 16 klar geworden ist, dass ich eher kein Popstar werde: Mein Können an der Gitarre hat sich nicht verbessert. Die Bücher haben mich mit einer Rockstar-Romantik angefüttert. Mir war aber schon klar, dass es ein harter Job ist. Das Label habe ich als Hobby gegründet, der Rest waren Glück und Timing. Hätte ich Nino aus Wien nicht getroffen oder hätten Wanda mich bei unserem ersten Treffen blöd gefunden, wäre alles anders gekommen.

„Glück und Timing“? Klingt profan angesichts Dutzender Gold- und Platinauszeichnungen, die Sie als Manager begleitet haben.

Tatsächlich habe ich zur Zeit der Labelgründung 2007 im Callcenter gearbeitet. Manche gehen ins Fußballstadion, ich habe ein Label gehabt. Als ich Nino getroffen habe, mussten wir einfach miteinander arbeiten. Es gab nur ver- stimmte Akustik-Gitarre-Demos, aber ich habe dort unglaublich gutes Songwriting heraus gehört – und was man daraus machen kann. Dazu war er völlig anders als alle Wiener Bands: einsilbig, ohne kommerzielle Ambition. Er wollte nur Beat-Poet sein

Auf einmal war alles sehr düster. Ohne Grund. Meetings, die vorher wie kleine Partys waren, sind Business-Meetings geworden, in denen es nur noch um Egos gegangen ist.

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Musikmanager Stefan Redelsteiner
 © Bild: Matt Observe

„The journey was terrible, but the trip was fantastic“ zitieren Sie John Lennon in Ihrer Biografie. Woran denken Sie bei „terrible“ und was war „fantastic“?

Angefangen hat alles mit der terrible journey. Gleich nach Gründung des Labels haben wir wegen des Namens „Wunderbär Records“ eine Klage am Hals gehabt. Daraufhin nannten wir es Problembär Records. Bevor alles richtig begonnen hat, hat sich dann mein Labelpartner Andrei verabschiedet. Auch wie die Zusammenarbeit mit Wanda geendet hat, war fürchterlich. Mein Ausflug ins Schlagerfach war ein Flop. Und fantastisch? Ich könnte die Erfolge aufzählen, aber fantastisch waren immer die Anfänge. Selbst wenn etwas später richtig groß geworden ist, war der Anfang immer am schönsten. Natürlich war es schön mit Wanda die Stadthalle auszuverkaufen, Doppelplatin zu bekommen oder Nummer 1 zu sein. Aber zum ersten Mal einen Club mit 200 Menschen zu füllen – das war fantastisch. Wie, wenn man als Beatles-Fan zum ersten Mal das Lied hört, das später dein Lieblingslied wird. Es wird nie wieder so gut klingen, wie beim ersten Mal.

Sie haben mit Wanda eine der erfolgreichsten österreichischen Bands entdeckt und durch drei Alben begleitet. 2016 haben Sie als Manager gekündigt. Welchen Stellenwert hat Wanda in Ihrer Karriere?

Mit der Band habe ich von Herbst 2013 bis Herbst 2016 die drei längsten Jahre meines Lebens erlebt, gleichzeitig auch die drei Jahre, die am schnellsten verflogen sind. Oft hat sich ein halbes Jahr wie zehn Jahre angefühlt. Das passt zur psychedelischen Aussage „the trip was fantastic“. Das letzte halbe Jahr war beruflich das Schwierigste. Auf einmal war alles sehr düster. Ohne Grund. Ich weiß bis heute nicht, warum wir alle so schlecht drauf waren. Meetings, die vorher wie kleine Partys waren, sind Business-Meetings geworden, in denen es nur noch um Egos gegangen ist. Dabei nehme ich mich nicht aus. Ich sage nicht, dass ich der Gute war. Es ging großteils um Machtspielchen. Das war extrem frustrierend.

Alles wäre vermeidbar gewesen. Aber ich war zu sehr Weichei und habe hingeschmissen.

Ein Kapitel über die Zeit mit Wanda nennen Sie „A Dance with Dragons“ nach einem Buch der martialischen Serie Game of Thrones. Kein Zufall?

Ich liebe Game of Thrones. Der Titel ist stimmig, weil dort der Moment beschrieben wird, in dem man Leute trifft, bei denen man spürt: Die haben Energie. Das sind keine Kätzchen, das sind Tiger. Will man bei denen Dinge unter Kontrolle halten, darf man nicht mit offenem Hosentürl reingehen. Ich bin aus der verschlafenen Wiener Indie-Szene gekommen und habe gemerkt: Die meinen es ernster als alle, die ich bisher getroffen habe. „A Dance with Dragons“ ist aus dem positiven Teil der Game-of- Thrones-Welt. Das Kapitel zur Trennung heißt nach dem düsteren Buch „A Feast for Crows“. Das Buch handelt von der Zeit nach dem Krieg, das Land ist ruiniert und die Krähen picken sich die Reste aus den Kadavern.

Ihre Zusammenarbeit scheiterte im Moment des größten Erfolgs, nach den platingekrönten Alben „Amore“ und „Bussi“, kurz vor Veröffentlichung des dritten Werks. Woran?

Der Erfolg ist vielleicht zu schnell gekommen. Ich nehme mich dabei nicht aus der Schuld. Ich war nicht der Gute. Es war in dieser Phase schwierig, den Boden unter den Füßen zu spüren. Wir waren im Kopf nicht mehr klar und haben uns von unwichtigen Businessdingen überrollen lassen. Plötzlich sind da nicht mehr nur deine vier besten Freunde, sondern ein riesiger Apparat mit Leuten, von denen alle vor allem ihr eigenes Interesse verfolgen. Du kannst nie alle zufrieden halten. Ich frage mich, wie José Mourinho das in der Kabine macht. Endlich verstehe ich, wenn im Fußball davon geredet wird, dass das Schwierigste ist, die Spieler auf der Bank bei Laune zu halten. Wenn dann noch der Lionel Messi in deinem Team, also in unserem Fall Marco, ausfällt – weil er ein seelisches Tief hat, wird es extrem schwierig. Alles wäre vermeidbar gewesen. Aber ich war zu sehr Weichei und habe hingeschmissen.

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 © Bild: Matt Observe

Zur Person

Sie haben zwei, drei Monate lang angekündigt, nicht mehr Manager sein zu wollen, bis niemand mehr dagegen argumentiert hat.

Marco hat meinen Rücktritt lange abgelehnt. Bis zu einem Meeting, bei dem keiner mehr etwas dagegen gesagt hat. Langfristig war es die richtige Entscheidung. Wir hätten wohl nie wieder zur Leichtigkeit zurückgefunden.

Was macht Erfolg denn so schwer zu ertragen? Sie beschreiben eine Szene aus dieser Zeit, in der Marco Wanda überfordert Gold- und Platinschallplatten aus dem Fenster wirft.

Das hat er mir nur erzählt, ich war nicht dabei. Wanda kommen gut mit Erfolg klar, denn es gibt die Band ja noch. Das Perfide an dieser Zeit war, dass die Band von allen Menschen unter 70 Jahren in Wien auf der Straße erkannt worden ist. Die Hälfte dieser Menschen hat sie geliebt, die andere Hälfte hat sie gehasst. Ich habe erlebt, dass Leute provokant auf Streit mit Marco aus waren. Kellner in Lokalen wollten uns nicht bedienen, weil sie Wanda so gehasst haben. Mental ist das eine große Herausforderung. Die oberflächliche Liebe fühlt sich schnell schleimig an. Viel Hass ist ausgerechnet aus dem Indie-Umfeld gekommen, von dem man als Band wie Wanda respektiert werden will.

Diese Missgunst haben Sie nur bei Wanda erlebt?

Ja, bei Nino hat es Menschen gegeben, die ihn ignoriert oder nicht ernst genommen haben. Das war für uns cool, weil wir es beide genießen, unterschätzt zu werden. Heute ist Nino fast der Elder Statesman der FM4-Welt. Und Voodoo Jürgens haben gefühlt 99 Prozent der Menschen sowieso von Anfang an ins Herz geschlossen.

Trotz des Erfolgs träumen Sie noch immer von einem Haus im Grünen. Das gängige Geschäftsmodell, als Manager statt Honorar zu bekommen, an den Tantiemen zu verdienen, indem man den Musikverlag für die Band stellt, scheiterte an Schlamperei. Wie konnte das kommen?

Ich bin nach der Trennung nach den Verträgen gefragt worden und die habe ich nicht in hieb- und stichfester Form vorlegen können. Sie waren nicht komplett ausgefüllt, es haben Unterschriften gefehlt. Überbleibsel aus einer Zeit, wo wir betrunken zusammengesessen sind und gesagt haben: „Unterschreib’ halt irgendwann und gib’ es mir zurück. Da penibel zu sein, wäre meine Aufgabe gewesen, nicht die Aufgabe der Band. Wir haben uns am Anfang so gut verstanden, dass ich mir auch nicht vorstellen konnte, dass es so schnell in die Brüche geht. Keine Verträge, keine Kohle.

Wirft das nicht ein seltsames Licht auf eine Band, die mit „Amore“ bekannt geworden ist?

Es wirft in erster Linie ein schlechtes Licht auf mich als Manager. Die Band wäre dumm, wenn sie auf möglicherweise Hunderttausende Euro verzichtet. An den Verträgen, die wir in Deutschland gemacht haben, verdiene ich noch zwei, drei Jahre. Dort werden zum Glück wasserdichte Verträge gemacht. Ich beklage mich nicht. Jetzt tut es nicht mehr weh.

„Besser so ein reinigender Schock fürs System als ein Leben als pragmatisierter Beamter“, schreiben Sie darüber. War der Weg zu diesem Gleichmut lang?

Ein halbes Jahr lang war ich wirklich angefressen – mehr auf mich als auf die Band. Dass ich solche Fehler gemacht habe! Zur Ablenkung habe ich einen Ausflug ins Schlagerfach gemacht, mit den besten Verträgen aller Zeiten. Leider ist aus dem Projekt nichts geworden. Dann hat Voodoo Jürgens’ Erfolg begonnen. Über Wanda habe ich nicht mehr nachgedacht. Ihren Liedern gehe ich seit damals aus dem Weg. Das hat geholfen, das Ganze zu vergessen. Es wäre traurig, würde ich nach all den Jahren zu Hause sitzen und mir „Amore“ anhören.

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Welcher Teil des Wanda-Erfolgs geht denn auf Ihre Kappe?

Darüber schreibe ich nicht im Buch und darüber möchte ich auch nicht reden. Man kann darüber nicht reden, ohne unsympathisch rüberzukommen. Die Ergebnisse – die guten und die schlechten – sprechen für und gegen mich.

Es war auch die „Brutalität dieses Geschäfts“, die Sie fasziniert hat, geben Sie zu. Was am Musikgeschäft ist denn brutal?

In Österreich, im Indie-Milieu, geht es ja nicht wirklich um viel Geld. Das macht es noch absurder, wie wir – inklusive mir – oft agiert haben. Zum einen ahmt man nach, was man denkt, dass in den USA üblich ist. Zum anderen muss man Ellbogen einsetzen können, um nach oben zu kommen. Es ist hart. Man muss einstecken und austeilen können. John Lennon hat gesagt, die Beatles wären nie so weit gekommen, wären sie nicht die vier größten Mistkerle aller Zeiten gewesen. – Und die Beatles waren vom Image her die liebenswerteste Band.

Marco Wanda fehlt Ihnen als Gesprächspartner, ist zu lesen.

Das meine ich auch so. Ich habe mich nie mit ihm zerstritten, nur gesagt, dass ich als Manager aufhöre. Er will lieber keinen Kontakt mit mir.

Sie sind heute Schauspielagent. Würden Sie je wieder eine Band managen wollen?

Mit der Algorithmen- und Playlistwelt ist die Popkultur in ein seelenloses, dunkles Zeitalter gegangen. Der Algorithmus schreibt vor, wie lange ein Intro sein darf. Und danach schreiben Indie- Künstler ihre Lieder?! Das sind BWL- Wirtschaftsprojekte, denen ich zurufen will: Hey, ihr seid Underground-Rock- Dudes, die mit der Schnapsflasche auf der Bühne liegen sollen und nach 30 Minuten reanimiert werden! Würde ich auf eine echte, räudige Band treffen, die es mit der Musik ernst meint – nicht nur mit dem Geldverdienen –, würde ich es wieder machen.

Ihre Ein-Mann-Firma haben Sie in Parsival Agency umbenannt. Mit welchem Hintergrund?

Mythologisch gesehen bedeutet das so viel wie „der weise Dummkopf“. Alles, was wir erleben, führt uns an den Punkt des Lebens, an dem wir gerade sind. Alle Menschen lernen irgendwann, ihr Ego nicht so wichtig zu nehmen. Sie lernen, dass ihr Konstrukt, wer sie sind, total unwichtig ist. Manche kommen früher drauf. Aber die sind nicht klüger, die haben nur den Tipp früher bekommen.

Die Biografie

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 22/25 erschienen.

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